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Nicolas Buttet: Einst CVP-Politiker und -sekretär, jetzt Mönch und Bischofskandidat © zermatt summit

Der Walliser CVP-Filz probt die Rettung der Welt

Kurt Marti /  Halleluja, der mutmassliche Weinpanscher und Steuerbetrüger Dominique Giroud und der Walliser CVP-Filz propagieren Ethik und Moral.

«Transparenz, Ethik, Bescheidenheit und Arbeitseifer» hat sich die neue Firma «Château Constellation» des vorübergehend inhaftierten und jetzt freigelassenen Weinhändlers Dominique Giroud auf die Fahne geschrieben, obwohl er eigentlich schon seit Jahrzehnten die katholische Moralkeule schwingt. Doch im Katholiken-Kanton Wallis gehört die Reue ebenso dazu wie die Vetternwirtschaft und der CVP-Filz. Gegen Giroud, den Anhänger der erzkatholischen Piusbruderschaft von Ecône, laufen bekanntlich diverse Verfahren wegen des Verdachts auf Steuer-Betrug, Warenfälschung und Spionage.

Katholisch-konservative Aufrüstung

Girouds Steigbügelhalter in Wirtschaft und Politik müssen zurzeit ganz miserabel schlafen und es sind nicht wenige. Denn Giroud ist das Produkt eines Kantons, der sich im Windschatten der katholischen Kirche und der CVP nie richtig mit Demokratie und Rechtsstaat anfreunden konnte. Skandale treten hier erst ans Tageslicht, wenn geschmähte Aussenseiter diese aufdecken oder wenn ausserkantonale Instanzen eingreifen. Vieles bleibt trotzdem unter dem Deckel der Verschwiegenheit.

Die neuen moralischen Werte «Transparenz, Ethik, Bescheidenheit und Arbeitseifer» sind nicht nur beim gestrauchelten Weinhändler Giroud hoch im Kurs, sondern stehen übers kommende Wochenende auch am Fuss des Matterhorns im Zentrum eines internationalen Forums, das den moralischen Zerfall der Welt beklagt und von der «Humanisierung der Globalisierung» träumt. «Zermatt Summit» (Zermatter Gipfel) heisst die kuriose Veranstaltung, die nun schon zum vierten Mal stattfindet. Eine Mischung aus esoterischem New-Age-Seminar und unverbindlicher Globalisierungskritik. Doch in Wirklichkeit geht es um die Rettung der Welt mit dem Handwerkskasten der katholisch-konservativen Moral.

Zwei CVP-Politiker sitzen im Stiftungsrat

Das diesjährige Motto lautet vielversprechend «Mut zum Wagnis». Organisiert wird der Zermatter Gipfel von der Foundation Zermatt Summit (FZS). Im gestelzten Stiftungszweck ist die Rede von den «Herausforderungen der Globalisation», vom «Mensch im Mittelpunkt», von der «Wirtschaft im Dienste des Gemeinwohls und des Gemeinwohls im Dienste des Menschen». Schöne Worte in einem Kanton, wo wieder einmal die politischen Wände wackeln. Deshalb ist es kein Wunder, dass im Stiftungsrat zwei bekannte Vertreter des CVP-Filzes mithelfen, dem moralischen Zerfall der Welt die Stirn zu bieten: Jean-René Fournier, Walliser CVP-Ständerat und früherer Walliser Finanzminister, sowie der frühere CVP-Ständerat Daniel Lauber aus Zermatt.

In Fourniers Amtszeit als Walliser Finanzdirektor fallen jene Steuerdelikte, die nun dem Weinhändler Giroud von der Eidgenössischen Steuerverwaltung vorgeworfen werden. Dass Fournier und seine Steuerbeamten nichts davon bemerkt haben wollen, ist erklärungsbedürftig. Schutzschilder für Parteigenossen sind auf jeden Fall keine Seltenheit: Während Fourniers Amtszeit brachte sein Parteifreund und Briger Betreibungsbeamte Paul-Bernhard Bayard das Kunststück fertig, die Bezahlung seiner Steuern über ein halbes Jahrzehnt hinauszuschieben, ohne dass er von Fourniers Departement betrieben wurde. Ob dieser ungewöhnlichen Kreativität staunte sogar die Walliser Finanzkontrolle. Später trat Fournier, der als Anhänger der Piusbruderschaft von Ecône gilt, in die verbandspolitischen Fußstapfen Bayards und übernahm das Präsidium des Walliser Gewerbeverbandes. Wie sein Vorgänger kämpft auch Fournier gegen alle sozialen und ökologischen Vorlagen, beispielsweise gegen eine griffige Raumplanung. Zur Ablenkung kann da ein wenig moralischer Weihrauch am Zermatter Gipfel nicht schaden.

Revisionsfirma mitten im CVP-Spinnennetz

Auch der frühere CVP-Ständerat und FZS-Stiftungsrat Daniel Lauber gilt als Strippenzieher des Walliser und Zermatter Filzes. «Daniel Lauber ist eine Schlüsselfigur für alles, was den Kanton Wallis betrifft», heisst es vielsagend in der Personenbeschreibung auf der Internetseite des Zermatter Gipfels. Deshalb ist es kein Wunder, dass die illustre Schar aus Politik, Wirtschaft und Kultur im Zermatter Fünfsterne-Hotel Mont Cervin logiert und der Stiftungssitz gleich bei der Gemeindeverwaltung von Zermatt angesiedelt ist. Dort beginnt das Reich des Zermatter CVP-Gemeindepräsidenten Christoph Bürgin, der zugeben musste, dass in Zermatt viele Gebäudeabstände «nicht dem Baureglement entsprechen», insbesondere der Abstand seines eigenen Hotels. Der Hotelier Jürg Biner hatte solche und weitere Missstände öffentlich anprangert, worauf ihn Bürgin kurzerhand durch die Polizei festnehmen liess, weil er sich von ihm bedroht fühlte. Trotzdem erhielt Bürgin und die Zermatter CVP volle Protektion vom zuständigen Departement von CVP-Staatsrat Maurice Tornay und dessen Dienstchef Maurice Chevrier, der nach seinem Rücktritt als CVP-Nationalrat willkommenen Unterschlupf in der Kantonsverwaltung gefunden hatte.

Nicht nur der Sitz der Stiftung verrät den katholischen-konservativen Stallgeruch, auch die Revisionsfirma Alpes Audit SA befindet sich mitten im CVP-Spinnennetz. Denn sie war während den heissen Jahren auch für die Revision der Weinfirma Giroud Vins zuständig. VR-Präsident der Alpes Audit war bis zu seiner Wahl zum Walliser Staatsrat niemand anders als Staatsrat Maurice Tornay. Zwar streitet er ab, vom vorgeworfenen Steuerbetrug seines Intimus Giroud etwas gewusst zu haben, aber seine Stunden im Staatsrat dürften gezählt sein. Tornay war es auch, der am ersten Zermatter Gipfel 2010 die Eröffnungsrede hielt und damit sozusagen den Startschuss zum globalen Wertewandel in Politik und Wirtschaft gab.

Ein CVP-Sekretär schlüpft in die Mönchskutte

Nur einen Monat vor seiner Eröffnungsrede nahm Tornay in Orsières am Fuss des Grossen St. Bernhard an einer aussergewöhnlichen Feier teil, dessen Umfeld für den ideologisch-religiösen Bodensatz des Zermatter Gipfeltreffens von zentraler Bedeutung ist. Zwei Anhänger der erzkatholischen Bruderschaft Eucharistein wurden in Anwesenheit von 2000 Gläubigen zu Priestern geweiht. Die Bruderschaft wurde im Jahr 1996 vom Anwalt Nicolas Buttet gegründet, der in den 80er Jahren nicht nur für die CVP im Grossen Rat sass, sondern auch als CVP-Sekretär fungierte. Zudem stand er auch im Dienste des Vatikans bevor er in die Mönchskutte schlüpfte und fünf Jahre in einer Klause oberhalb St. Maurice in sich ging. Dann stieg er vom Berg herab, um die Bruderschaft Eucharistein zu gründen, die sich der Armut, der Keuschheit, dem Gehorsam, dem einfachen und brüderlichen Leben verschrieben hat, also exakt jenen Werten, die im Walliser CVP-Filz einen schweren Stand haben.

Der Mönch Buttet, der auch zum Priester geweiht wurde, ist also die ideale Person, um von den Missständen und der Vetternwirtschaft im Wallis abzulenken. Zumal er in echt katholischer Tradition sehr viel von Nächstenliebe und persönlicher Umkehr spricht und auffallend wenig von der Veränderung der politischen Verhältnisse im Kanton Wallis. So ist es nicht erstaunlich, dass auch Buttet neben den CVP-Politikern Fournier und Lauber im FZS-Stiftungsrat sitzt und zu den alljährlichen Schönrednern gehört.

Frei von Widersprüchen ist der Mönch mit der Kutte und der weichen Stimme allerdings nicht. Zwar lebt er bescheiden in einem Wohnwagen, spult aber mit seinem Mercedes im Jahr 50’000 Kilometer ab, wie die Westschweizer L‘Illustré berichtete. Buttet gilt als heisser Anwärter für die Nachfolge des Bischofs von Sitten. Mit seiner Wahl soll einerseits der zu progressive Ex-Abt von Einsiedeln, Martin Werlen, ausgebremst und andererseits die erzkatholischen Anhänger der Piusbruderschaft besänftigt werden.

170 000 Franken von der Loterie Romande

In den Adern der Zermatt-Summit-Stiftung fliesst auch blaues Blut. Den adligen Gegenpart zur keuschen Armut des Bruders Nicolas Buttet übernimmt im FZS-Stiftungsrat «seine kaiserliche und königliche Hoheit Erzherzog Rudolf von Habsburg-Lorraine», wie es im Handelsregister hochtrabend heisst. Ein Enkel von Karl I., dem letzten österreichischen Kaiser und König von Ungarn, der im Jahr 2004 vom Papst selig gesprochen wurde. Rudolf von Habsburg-Lorraine wohnt im freiburgischen Dörflein Torny-le-Grand, das heisst er residiert auf Schloss Torny-le-Grand mit eigener Kapelle, prächtigem Schlosspark umgeben von einer hohen Schlossmauer. Er kann es sich leisten, denn er gehört zum Tross der internationalen Vermögensverwalter. Rudolf von Habsburg-Lorraine ist Verwaltungsratspräsident der «Triple A Gestion SA» mit Sitz in Vilars-Sur-Glâne. Die «Triple A Gestion» verwaltet gemäss eigenen Angaben das Vermögen von Super-Reichen in drei Kontinenten, platziert bei 19 Banken in sieben Ländern. Die Firma ist spezialisiert auf Trusts und Stiftungen, welche optimal für die Steueroptimierung rund um den Globus geeignet sind. Anfangs 2014 fusionierte die «Triple A Gestion» mit der Privatbank «E. Gutzwiller & Cie».

Finanziell abgefedert wird die famose Zermatter Gipfel-Stiftung auch durch ihren Präsidenten Christopher Wasserman, dem Erben der Castolin Eutectic Group, einem waadtländler Familienunternehmen, das im Jahr 2000 an private Investoren verkauft wurde. Trotz finanzkräftiger Sponsoren ist die Teilnahme am Zermatter Gipfel mit einem Eintrittspreis von 1‘600 Franken nichts für Bescheidene und Arme. Skandalöserweise wurde der exklusive Anlass im letzten Jahr mit einem Beitrag von 170‘000 Franken aus dem Gewinn-Topf der Loterie Romande alimentiert, der gemäss der kantonalen Verordnung eigentlich für «wohltätige Aktionen und Werke sowie solcher im öffentlichen Nutzen» vorgesehen ist. Die Kommission, welche die insgesamt 24 Millionen Franken im Wallis verteilen darf, wird von Jean-Maurice Tornay präsidiert, dem CVP-Präfekten des Bezirkes Entrement, der übrigens auch das Finanzierungs-Komitee für die Weihe der beiden Priester der Eucharistein-Bruderschaft in Orsières präsidierte. Deshalb erstaunt es nicht im geringsten, dass im Jahr 2013 auch die Bruderschaft Eucharistein 60’000 Franken aus dem Gewinn-Topf der Loterie Romande erhielt, obwohl gemäss kantonaler Verordnung die Nutzniesser keinen überwiegenden religiösen Charakter aufweisen dürfen.

Adel, Klerus und CVP-Filz: Die Rettung naht

Bruder Buttet ist auch bei zwei weiteren katholisch-konservativen Stiftungen als Vizepräsident dabei, nämlich bei Ecophilos und Philanthropos. Ecophilos wird präsidiert durch seinen Gründer Wasserman und Philanthropos von Rudolf von Habsburg. Die Stiftung Philanthropos finanziert das Freiburger Institut «Philanthropos für anthropologische Studien», welches im Jahr 2004 durch einen Mahnruf des Papstes Johannes Paul II. von einer katholischen Gruppe in Freiburg gegründet wurde. Ziel des Instituts ist die Erarbeitung einer Anthropologie «im Lichte des christlichen Glaubens» und die Verbreitung der katholischen Weltanschauung unter den Studierenden.

Als Revisionsfirma der Stiftung Philanthropos tritt erneut die Alpes Audit SA aus Martigny in Erscheinung. Und im Ehrenkomitee von Philanthropos figuriert auch der erzkonservative, österreichische Kardinal Christoph Schönborn. Adel, Klerus und Walliser CVP-Filz im selben Spinnennetz. Die Rettung der Welt ist nahe – zumindest die Rettung des Juni-Lochs im Zermatter Tourismus-Kalender.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Kurt Marti ist Journalist und wohnt in Brig-Glis. Er ist Autor des Buches «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz».

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