Hatten die Tamilen Grund zum Tanzen?
Die Tagesschau-Hauptausgabe SRF vom Montagabend findet, dass die Tamilen nach dem Ende des Bürgerkrieges Grund zum Tanzen gehabt hätten. In Wirklichkeit haben fast alle Tamilen in der Schweiz einen Verwandten, der beim Massaker an rund 40’000 Zivilisten im Mai 2009 umgekommen sind.
Die Ignoranz des Berner Bundeshaus-Redaktors Fritz Reimann, der den Bericht produziert hatte, ist eine – wohl ungewollte, aber fatale – Verhöhnung der vielen tausend Opfer des srilankischen Bürgerkriegs. Wer am Ende vor allem tanzte, war die singhalesische Regierung und die Armee, die Anfang 2009 rund 300’000 Zivilpersonen mit Artilleriefeuer und Bombardierungen aus ihren angestammten Häusern sukzessive vor sich hertrieben in den äussersten Nordosten der Gewürzinsel und dort auf einer schmalen Landzunge wahllos zusammenschossen. Das unbeschreibliche Massaker der letzten Tage hatte die britische BBC-Journalistin Frances Harrison in ihrem Buch «Still counting the Dead» mit authentischen Berichten von Überlebenden darzustellen versucht. Es ist eines der erschütterndsten englischen Publikationen der letzten Jahre geworden, leider noch nicht übersetzt in andere Sprachen.
BfM gesteht Fehler bei Rückschaffungen ein
Anlass der naiven Schlussbemerkung über die tanzenden Tamilen am Ende des Krieges war die sonst korrekte Berichterstattung über das seltene Eingeständnis eines Amtes, in diesem Fall des Bundesamts für Migration (BfM), fatale Fehlentscheide in zwei Fällen von Rückschaffungen nach Sri Lanka getroffen zu haben. Doch BfM-Chef Mario Gattiker relativierte umgehend, dass es sich nur um Einzelfälle gehandelt habe und man an der Aufhebung des generellen Rückschaffungsstopps festhalte und jeden Einzelfall genau prüfe. Diese Haltung kritisierte Beat Meiner von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) zu Recht, da die Menschenrechtslage in Sri Lanka von internationalen Organisationen wie der UNO scharf kritisiert wird. Präsident Mahinda Rajapakse hat ein autokratisches Regime eingeführt mit seinem Bruder als Innenminister und Verwandten in den Spitzenpositionen der Regierung.
Es ist mehr als problematisch, wenn das BfM mit der gegenwärtigen Regierung über ein bilaterales Rückschaffungsabkommen verhandelt. Eine andere Abteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements geht sogar noch weiter und ermittelt in Zusammenarbeit mit den srilankischen Polizeibehörden immer noch akribisch gegen Tamilen in der Schweiz, die Kleinkredite aufgenommen hatten, um die tamilische Sache in Sri Lanka zu unterstützen.
Brutaler Vernichtungskrieg gegen Tamilen
Jedoch nicht nur für aktive Unterstützer, sondern auch für die grosse Mehrheit der Tamilen in der Schweiz lag die Hoffnung auf der Gründung eines eigenen tamilischen Staats im Nordosten von Sri Lanka. Diese Hoffnung war nach einer jahrzehntelangen systematischen Unterdrückung der tamilischen Minderheit verständlich. Doch die Liberation Tigers of Tamil Eelam, die 1983 zu den Waffen griffen, hatten sich im Laufe ihres Befreiungskampfs zunehmend militarisiert und brutalisiert, um zum Schluss in krasser Überschätzung der eigenen Kräfte die Friedensverhandlungen und die Wahlen zu boykottieren. Das verhalf den konservativen Kräften im Süden zum Durchbruch. Diese Kräfte waren es schliesslich, die 2009 ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung einen Vernichtungskrieg führten, der das Massaker von Srebrenica rund fünfmal übersteigt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Regisseur des Film «Jeevan», den man sich hier ansehen kann. 1996 untersuchte Erich Schmid die Berichterstattung der Schweizer Presse über die Anschuldigungen gegenüber dem acht Monate lang zu Unrecht inhaftierten Chef der Tamil Tigers Muralitharan Nadarajah, der heute in Kanada lebt.