Unsere Poulets machen Afrikaner arm und krank
Fast 630 Millionen Poulets werden in Deutschland jedes Jahr geschlachtet. Doch kaum ein Huhn kommt noch als ganzes auf den Tisch. Die Deutschen wollen vom Hähnchen nur das beste: die zarte Brust – allenfalls noch die Schenkel. Was mit dem Rest des Tiers passiert, zeigt der Film «Hähnchenreste auf Reisen» von Katarina Schickling. Die Doku über das unappetitliche Geschäft mit Pouletabfällen ist in der Mediathek des ZDF zu sehen.
Produzenten sparen Entsorgungskosten
Fast 80 Prozent des verkauften Pouletfleischs in deutschen Supermärkten ist Hühnerbrust. Sie macht aber nur 23 Prozent des Gesamtgewichtes eines Huhns aus. Für die übrigen Teile – Flügel, Hälse, Füsse, Innereien und das Gerippe – gibt es in Europa kaum Abnehmer. Doch auch dafür gibt es einen Markt. Was die Europäer nicht essen wollen, landet auf afrikanischen Tellern. Viele industrielle Geflügelproduzenten schicken die Hähnchenreste tiefgefroren per Schiff nach Afrika und verramschen dort die Schlachtabfälle. «Damit verdienen sie zwar nicht viel Geld, doch sie sparen die Entsorgungskosten, die in Europa anfallen würden», erklärt Reinhild Benning, Agrarexpertin der deutschen Umweltorganisation BUND. Ihren Profit haben die Produzenten bereits zu Hause mit dem Verkauf der Premium-Teile erwirtschaftet.
Die Länder entlang der westafrikanischen Küste werden von der Ausschussware geradezu überschwemmt. 2012 waren es allein aus Deutschland 42’000 Tonnen Geflügel. Ein Ziel ist Liberia, eines der ärmsten Länder der Welt. In den letzten vier Jahren haben sich die EU-Exporte von Geflügelfleisch nach Liberia enorm gesteigert, um 629 Prozent.
Unfairer Dumping-Import ruiniert Kleinbauern
Katarina Schickling hat einen Markt in der Hauptstadt Mongrovia besucht. Dort liegt die Ware in grossen gefrorenen Klumpen in Glasvitrinen oder offen ausgebreitet auf einfachen Marktständen: Innereien, Rückenteile, Hälse und Füsse. Der Markt ist voll von importierten Hähnchenteilen, einheimisches Federvieh ist praktisch vom Markt verschwunden. Der Grund: In Afrika erzeugtes Geflügel ist chancenlos gegen das importierte Billigfleisch. Für etwa 2 US-Dollar bekommt man auf dem Markt in Mongrovia ein Kilo gefrorene Hähnchenteile, das ganze Huhn vom Bauern kostet 10 Dollar. Mit diesen Dumpingpreisen kann kein einheimischer Geflügelzüchter mithalten. Die Leute sind arm. Sie kaufen, was am billigsten ist.
Die Verlierer im unappetitlichen Geschäft mit den Hähnchenresten sind Kleinbauern wie die Familie Bonah. Vor einem Jahr haben sie angefangen, Masthühner zu züchten, unterstützt durch Spendengelder einer europäischen Hilfsorganisation. Doch die Billigkonkurrenz aus Europa hat ihr Geschäft ruiniert. Sie blieben auf ihren Hühnern sitzen – wie viele andere Kleinbauern.
Eine Gefahr für die Gesundheit
Die Resteimporte aus den Industrieländern schaden nicht nur der lokale Geflügelzucht in Afrika – sie können auch eine Gefahr für die Gesundheit sein. Die grosse Hitze, lange Transportwege auf dem Land und häufige Stromausfälle machen es fast unmöglich, das Fleisch ununterbrochen zu kühlen. Aufgetautes Geflügelfleisch wird oft mehrmals wieder eingefroren oder liegt stundenlang in der Abtauflüssigkeit. Eine Brutstätte für gefährliche Keime.
Katarina Schickling liess 14 Proben von Tiefkühlfleisch aus Mongrovia im Institut für Lebensmittelsicherheit der Uni München untersuchen. Resultat: Nahezu alle Proben waren zum Zeitpunkt des Verkaufs stark mit Keimen belastet. Das Geflügel wies so viele Fäkalkeime und E.coli Bakterien auf, dass es in Europa nicht mehr verkauft werden dürfte. Kurz: Das Fleisch war verdorben. In Afrika erfährt niemand etwas vom möglichen Gesundheitsrisiko. Nur ein Poulet war bedenkenlos geniessbar: das einheimische Huhn, das auf dem Markt geschlachtet und verkauft worden war.
Kleinbauer Habakuk Bonah hat vorerst genug von der Geflügelzucht. Er hat mit seinen Hühnern viel Geld verloren. Jetzt will es die Familie mit Schweinen versuchen. Nur: Auch sie werden den Bonahs kein Glück bringen. Auf dem Markt von Mongrovia ist bereits tiefgekühlte Importware mit Reststücken vom Schwein im Angebot. Ebenfalls zu Dumpingpreisen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
"Schuld daran ist auch der Abfall deutscher Geflügelproduzenten"
-> eher die westlichen Konsumgewohnheiten
Auch das Milchpulver von Nestlé ist in Afrka billiger, als die Milch des lokalen Bauern. Dank der subventionierten Milchproduktion kann Nestlé billige Milch kaufen.
Doch damit nicht genug: Global Player wie Nestlé bekommen von der EU Subventionen:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/agrarsubventionen-in-europa-bruessel-unterstuetzt-selbst-nestle-und-die-queen-1304556.html
Wie will da der afrikanische Bauer mithalten?
…und wollen wir nicht vergessen:
http://www.evb.ch/p25008967.html
obiger Link zeigt das Ausmass der EU-Subventionspraxis nur annähernd:
2005 mindestens 48 Millionen Euro über Töchter:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-50343942.html
Brabeck meint dazu:
http://www.diebuergerlobby.de/umwelt/8104-subventionen-sag-mir-wo-die-milliarden-sind/
http://www.provieh.de/s3250.html