Staatsrechtliche Kritik am Zweitwohnungs-Gesetz
«Der Anteil von Zweitwohnungen am Wohnungsbestand einer Gemeinde ist auf höchstens 20 Prozent beschränkt.» So lautet Artikel 75 b, den das Schweizer Volk im März 2012 mit der Zustimmung zur Franz Weber-Initiative in der Bundesverfassung verankerte. Ausnahmen sind dort keine vorgesehen. Im Zweitwohnungs-Gesetz hingegen, das der Bundesrat gestern Mittwoch beschlossen hat und dem Parlament vorlegt, gibt es eine Vielzahl von Vorbehalten, Relativierungen und Ausnahmen.
Für Staatsrechtler verstossen Relativierungen nicht von vornherein gegen die Verfassung. Denn auch innerhalb dieses Grundgesetzes gibt es Widersprüche – zum Beispiel zwischen Eigentumsrechten und Naturschutz-Pflichten. Bei der Umsetzung gilt es darum, den zitierten Zweitwohnungs-Artikel in den «verfassungsrechtlichen Kontext» einzubetten. Das betont Alain Griffel, Professor für Staatsrecht an der Universität Zürich, in einem Gutachten zur «Umsetzung der Zweitwohnungs-Initiative», veröffentlicht im Schweizerischen Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht.
Warme Betten zulässig, wenn …
In dieser differenzierten Bewertung hält Griffel es zum Beispiel für zulässig, dass im Zweitwohnungs-Gesetz «touristisch bewirtschaftete» Zweitwohnungen (mit sogenannt «warmen» Betten») anders beurteilt werden, als Zweitwohnungen, welche die Eigentümer nicht vermieten und nur in wenigen Wochen pro Jahr bewohnen. Allerdings möchte der Staatsrechtler den dehnbaren Begriff «touristische Bewirtschaftung» enger fassen als es der Bundesrat in Artikel 7 seiner Gesetzesvorlage tut. Denn das blosse Angebot auf einer kommerziellen Betriebsplattform allein gewährleistet noch keine «warmen Betten».
Mit einem «Ja, aber» beurteilt Griffel auch die vom Bundesrat erlaubte Umnutzung von bestehenden Erst- in Zweitwohnungen: Wenn eine Erstwohnung vererbt wird, hält er das für zulässig, wenn sie als Zweitwohnung verkauft wird, dann nur mit stark einschränkenden Bedingungen.
Umnutzung von Hotels «verfassungswidrig»
«Als klar verfassungswidrig» beurteilt der Professor für Staatsrecht hingegen Artikel 9 des bundesrätlichen Gesetzes. Laut diesem Artikel dürfen Hotels, die betriebswirtschaftlich nicht rentieren, sich mit dem Bau und Verkauf von nicht bewirtschafteten Zweitwohnungen finanzieren. Oder sie dürfen zu Zweitwohnungen ohne Bewirtschaftungszwang umgenutzt werden, wenn sie mindestens 25 Jahre alt sind und nicht mehr rentieren. Diese Umwandlung von warmen Hotel- in kalte Zweitwohnungsbetten, so argumentiert Griffel, lasse sich weder durch den Zweitwohnungs-Artikel noch durch eine andere Verfassungsnorm rechtfertigen.
In seinem aus eigenem Antrieb erstellten 20seitigen Gutachten kritisiert Alain Griffel nicht nur einzelne Gesetzesartikel, sondern die Umsetzung der Franz Weber-Initiative als Ganzes: Diese habe mit «improvisiert wirkenden Äusserungen der verantwortlichen Bundesrätin» (Doris Leuthard) begonnen, sei mit einer «höchst problematischen Verordnung» fortgesetzt worden und mündete in einen «fragwürdigen Gesetzgebungsprozess».
Gesetz von Lobbies geformt
Als fragwürdig beurteilt der Autor insbesondere den Umstand, dass das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) die Grundlagen zum Gesetz «interessengeleitet» erarbeitete, nämlich in einer Arbeitsgruppe mit Lobbyisten aus Landschaftsschutz, Bergkantonen, Tourismus und Bauwirtschaft. Damit, so folgert Griffel in seiner Analyse, «hat das ARE das Vernehmlassungsverfahren verdoppelt und dafür die vorgelagerte Stufe der Expertenarbeit eliminiert».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Die Schweizer Hotellerie steckt in der Krise, nicht überall natürlich, aber an manchen Orten! Ein Umbau von Hotels in nicht bewirtschaftete Zweitwohnungen entspricht sicherlich nicht der Zweitwohnungsinitiative, sondern ist höchstens als Hilferuf der Hotellerie zu betrachten. Eine Umwandung von warmen Hotel- in kalte Zweitwohnungsbetten macht keinen Sinn und dürfte zu einem ungenutzen Überangebot von solchen Wohnungseinheiten führen. Daraus könnte sich höchstens ein preisdämpfender Effekt für die Immobilienpreise in Hot-spots ableiten lassen, ob dies Schweiz Tourismus auch goutieren würde, bleibe dahingestellt, denn Exklusivität hat bekanntlich ihren Preis und Exklusivität will gelebt werden, in allen Branchen!