Überschuldung: Geschmierte Deals sind mitschuld
Kaum hatte sich Antonis Kantas, ein Beamter im griechischen Verteidigungsministerium, gegen den Kauf von teuren deutschen Panzern vom Typ «Leopard 2 A7+» ausgesprochen, kam ein Vertreter der Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann in sein Büro und liess eine Mappe mit 600’000 Euro auf dem Sofa liegen. Andere Waffenkonzerne, die ins Geschäft einsteigen wollten, kamen ebenfalls vorbei, halfen ihm bei komplexen Details des internationalen Bankenwesens, und bezahlten ihn dann mit Überweisungen auf seine off-shore Konten. Bankkonten besass Kantas auch bei Schweizer Banken.
Das enthüllte die New York Times am 8. Februar 2014 im Rahmen einer aufwändigen Recherche über Bestechungen und Korruption in Griechenland, die «sogar abgebrühte Griechen sprachlos machen». Über diese Enthüllungen haben Schweizer Medien bisher nicht informiert – anders als grosse deutsche Zeitungen.
Kantas, ein ehemaliger Offizier im Alter von heute 72 Jahren, habe nicht einmal die Kompetenz gehabt, irgend etwas allein zu entscheiden. Aber die Korruption sei so verbreitet im griechischen ‹Pentagon›, dass er auch als relativ untergeordneter Beamter in der Lage gewesen sei, in den fünf Jahren seiner Anstellung gegen 19 Millionen Dollar anzuhäufen, wie er kürzlich aussagte.
Beamter sagt vor Gericht aus
Die Griechen sind Geschichten über Korruption gewohnt, aber sogar sie seien von den Geständnissen von Kantas überrascht gewesen, als dieser vor kurzem wegen einer langen Liste von Anklagepunkten verhaftet wurde, u.a. wegen Geldwäsche und staatsgefährdendem Verhalten. Nie vor ihm habe ein griechischer Beamter einen solchen Blick auf das unglaubliche System von Bestechungen erlaubt, das in einem griechischen Ministerium herrscht. Kantas, der im Dezember nochmals einvernommen wurde, habe dem Staatsanwalt erzählt, er habe so viele Bestechungsgelder angenommen, dass er sich nicht mehr an die Details erinnern könne.
Die Aussagen von Herrn Kantas, die er in der Hoffnung gemacht habe, dass sein vollständiges Geständnis aufgrund eines neuen Gesetzes strafmildernd wirke, liessen viele Griechen sich fragen, ob dies der Anfang vom Ende der unkontrollierten Korruption sein könnte, welche dazu beigetragen hat das Land in diese tiefe Krise zu stürzen. In der Vergangenheit sei selten ein Beamter im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen verurteilt worden, und jene die ins Gefängnis mussten sagten nichts, es hätte ihnen nichts genutzt.
Waffenfirmen aus Deutschland, Frankreich, Schweden und Russland
Der Fall Kantas schüre breite Empörung, vor allem gegen Deutschland, welches Griechenland vorwerfe, selber schuld zu sein an der Krise, in der es steckt, schreibt die New York Times. Die Aussagen von Herrn Kantas – falls sie zuträfen – zeigten auf, wie Waffenhersteller aus Deutschland, Frankreich, Schweden und Russland grosszügig Schmiergelder verteilt hätten, oft über griechische Vertreter, um der Regierung Waffen zu verkaufen, die sie sich gar nicht leisten konnte, und von denen Experten sagten, dass sie in manchen Fällen überteuert und wenig leistungsfähig waren.
Die 600’000 Euro beispielsweise hätten das Schweigen von Herrn Kantas zu den Panzern erkauft. Constantinos P. Fraggos, ein Experte in Fragen des griechischen Militärs und Autor einiger Bücher zu diesem Thema, hielt die Waffen von geringem Nutzen für einen Krieg, den Griechenland allenfalls führen könnte. Griechenland habe aber trotzdem 170 Stück für ungefähr 2,3 Milliarden Dollar gekauft.
Käufe waren absurd
Zur Absurdität dieses Kaufes – fast vollständig auf Kredit – passe, dass die Regierung praktisch keine Munition dazu gekauft habe, meint Fraggos. Die Regierung habe auch Kampfflugzeuge ohne elektronische Steuerungssysteme erworben, über vier Milliarden für problembehaftete, lärmige Unterseeboote bezahlt, welche nicht fertiggebaut worden seien und die nun verlassen auf einer Werft ausserhalb von Athen lägen. Auf dem Höhepunkt der Krise, als nicht klar war ob Griechenland aus der Eurozone ausgeschlossen würde, habe das Parlament noch die Bezahlung von 407 Mio für die deutschen U-boote durchgeboxt.
«In erster Linie gehen die Vorwürfe an das korrupte griechische System, aber die Verkäufer tragen einen grossen Teil der Schuld,» erklärt Fraggos der New York Times. «Die Verkäufer bestachen Beamte und gewährten einem beinah bankrotten Land noch Kredite, damit sie ihre Produkte verkaufen konnten.»
Mehrere Milliarde Schmiergelder
Ein früherer Generaldirektor im Verteidigungsministerium, Evangelos Vasilakos, hat nach Angaben der NYT berechnet, dass Griechenland innert zehn Jahren rund 68 Milliarden Dollar für Waffen ausgegeben habe, viel davon mit geliehenem Geld. Um diese Aufträge zu erhalten, die von Beamten des Militärs und des Verteidigungsministeriums sowie vom Parlament bewilligt werden mussten, hätten Waffenhändler vermutlich über 2,7 Milliarden für Schmiergelder ausgegeben, sagt Tassos Telloglou, ein Berichterstatter der griechischen Tageszeitung Kathimeri, der ausführlich über dieses Thema geschrieben hat.
Prekäre Arbeitsbedingungen für Untersuchungsbehörde
Einige Experten seien besorgt, dass den Untersuchungsbehörden die hinter der Verhaftung von Herrn Kantas stehen, die Mittel entzogen werden könnten, die sie benötigen um den ständig wachsenden Berg von Informationen zu bearbeiten. Vier Untersuchungsbeamte arbeiteten in einem fensterlosen ehemaligen Lagerraum, die Pulte eng aneinander gerückt. Die Chefin der Untersuchungsbehörde Eleni Raikou, die im vergangen August ernannt wurde, habe die Installation von Steckdosen und Lichtschaltern an den Wänden aus der eigenen Tasche bezahlt.
Aber das Team scheine sich nicht abschrecken zu lassen. Im Nachgang zu den ersten Aussagen von Herrn Kantas im vergangenen Dezember hätten sie noch weitere Verhaftungen vornehmen können, unter anderen Vertreter deutscher Rüstungsfirmen und einen Unterlieferanten im U-Bootgeschäft. Dieser habe der Untersuchungsbehörde kürzlich Details zu den Bankkonten übergeben, die er für die Überweisungen von ’nützlichen Zahlungen› in der Höhe von 95 Millionen Dollar benutzt habe. In diese Dokumente hatte die NYT Einsicht.
Konten in der Schweiz
Ironie des Schicksals: Laut seinem Anwalt Yannis Mantzourakis sei Kantas ausgerechnet über seinen eigenen Banker gestolpert. Wie viele andere Griechen habe Kantas seinem Banker bündelweise Bargeld gebracht, und dieser sei dann damit in die Schweiz geflogen, sobald ein ausreichender Betrag zusammen gekommen war, um sie dort direkt auf die schweizerischen Konten von Kantas einzuzahlen.
Irgendwann habe jedoch der Banker Bargeld von Kantas in Höhe von 500’000 Euro an Vertreter des deutschen Telekommunikationsriesen Siemens verschoben. Der Banker habe dann Siemens erlaubt, diesen Betrag direkt auf ein schweizerisches Konto von Kantas bei der Dresdner Bank zu überweisen. Gegen Siemens läuft eine Untersuchung wegen Bestechung von Beamten im Zusammenhang mit verschiedenen griechischen Verträgen.
Dies habe sich als grosses Problem für Kantas erwiesen. Im Verlauf der Untersuchung gegen Siemens seien die Beamten auf eine Liste von Personen gestossen, an welche die Firma Geld überwiesen habe, sagte sein Anwalt. Kantas sei gezwungen gewesen, den Untersuchungsbeamten zu erklären, woher diese 500’000 Euro kamen. Zuerst habe Kantas erzählt, dieser Betrag stamme von einem Verkauf von Gemälden. Als die Untersuchungsbehörde das Haus des angeblichen Käufers durchsuchten, habe es sich jedoch erwiesen, dass diese Gemälde bereits seit den 80er Jahren in dessen Besitz gewesen waren.
Gewirr von Bankkonten und Offshore-Firmen
Anlässlich von verschiedenen Befragungen habe Kantas das Gewirr von Bankkonten und Offshore-Firmen beschrieben, die er benutzt hatte, um das erhaltene Schmiergeld zu verstecken. Eine dieser Firmen heisse Kourkoumpini nach einer griechischen Süssigkeit. Als die sogenannte Lagarde-Liste – ein Verzeichnis von Griechen mit Konten in der Schweiz – in die Medien geraten sei, habe Kantas umgehend den Grossteil seines Geldes nach Singapur verschoben.
Bei den Angaben über die von ihm angenommenen Bestechungsgelder berief sich Kantas auf ein Gesetz von 2010, das jenen Strafmilderung zusagte, die ein vollständiges Geständnis ablegten und das Geld zurückzahlten. Alles in allem gab Kantas zu, für 12 Verträge Bestechungsgelder angenommen zu haben, von sechs deutschen und je zwei französischen, schwedischen und russischen Firmen. Einige der von Kantas genannten Firmen seien bereits in früheren Bestechungsfällen verurteilt worden. Andere behaupteten, sie hätten nichts Unrechtes getan. Krauss-Maffei Wegmann, die Firma welche Griechenland die Panzer verkaufte, stritt Schmiergelder vorerst ab, habe jetzt jedoch gesagt, sie würde die Angelegenheit untersuchen.
Als die Untersuchungsbehörde die Bestechungsbeträge zusammengezählt habe, die Kantas zugegeben hatte, seien sie immer noch nicht auf den vollen Betrag der Gelder auf seinen Konten gekommen.
Damit konfrontiert habe Kantas gesagt, dass er noch zwei Millionen Euro aus Schmiergeld besitze, die er während seiner Zeit beim Militär erhalten habe. Und ausserdem habe er das Geld gewinnbringend investiert. «Ich kann Ihnen das beweisen, sobald die Bankauszüge
Strafverfolgungsbehörden würden an diesen Aussagen zweifeln, berichtet die NYT. Sie glaubten, Kantas wisse noch mehr und habe noch mehr Geld auf die Seite geschafft. «Er gab uns keine Informationen, die wir nicht schon wussten,» habe ein Untersuchungsbeamter gesagt. «Er muss uns auch den Rest noch erzählen.»
—
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Bearbeitung Barbara Stiner.
Abscheuliche Kriegsgewinnler und die Schweizerbanken sind natürlich dabei!
Wenn irgend eine Schweinerei auf unserem Globus geschieht, dann sind Banken in der Schweiz dabei. Unserem Bankgeheimnis sei dank! Na ja, das ist jetzt zum Glück ein Löcherbecken. Ich warte schon auf die nächste bescheuerte Initiative, die diese Institution, diese Strickleiter für Gauner, Abzocker und einfältige Hurrapatrioten verfassungsmäßig verankern möchte. Das wäre dann wohl der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brächte.
Eine vielfach variierte Geschichte:
Konzerne und Banken im Norden (auch deutsche) schmieren um Unsinniges zu verkaufen und dafür Hochrisiko-Kredite gewähren zu können.
Die Banken bekommen am Schluss EU-Bailouts.
Alle Kosten werden als griechische Staatsschulden kontiert. Griechische Abeitnehmer ohne Steuerfluchtmöglichkeiten stottern sie dann ab oder sind schon entlassen.
Mutti und ihr fleissiges Völklein freuen sich, dass sie nicht so sind wie die faulen Südländer. Vielleicht schreibt ihnen Thilo Sarrazin darüber sein nächstes Märchenbüchlein.
Werner T. Meyer