Im Sonntags-Blick legt Fibo Deutsch Frauen herein
«Es geht um Leben und Tod», schrieb Fibo Deutsch, mit richtigen Namen Hans Jürg Deutsch im Sonntags-Blick vom 9. Februar 2014. Gerade deshalb sollten gesunde Frauen Vor- und Nachteile der Brustkrebs-Früherkennung kennen und verstehen, damit sie informiert selber entscheiden können, ob sie an einem Screening-Programm teilnehmen möchten oder nicht.
Bereits frühere Umfragen in der Schweiz zeigten, dass die meisten Frauen völlig falsch informiert sind. Eine soeben veröffentlichte neue Umfrage der Bertelsmann Stiftung in Deutschland kam zum Ergebnis: «Jede zweite Frau ist über Früherkennung falsch oder gar nicht informiert». Der Nutzen werde überschätzt und die Nachteile seien wenig bekannt.
Schuld daran, dass Frauen so schlecht informiert sind, haben namentlich auch Zeitschriften und Zeitungen von Ringier. Seit Jahren rühren sie die Trommel der Angst und verbreiten irreführende Zahlen über den Nutzen.
Nutzen ums Zehnfache übertrieben
Das neuste Beispiel bot Fibo Deutsch im Sonntags-Blick vom 9. Februar 2014. In seinem gross aufgemachten Artikel kamen ausschliesslich zwei langjährige Screening-Promotoren mit unsinnigen Argumenten unwidersprochen zu Wort. Statt kritische Fragen zu stellen, wie es sich für einen Journalisten gehört, stellte Hans Jürg Deutsch einen der Zitierten aufs hohe Podest: «Einer der renommiertesten Onkologen der Schweiz, Professor Thomas Cerny, Präsident der Krebsforschung Schweiz, der Oncosuisse sowie Chefarzt Onkologie am Kantonsspital St. Gallen». Dieser erhebe «schwere Vorwürfe» gegen die Experten des «Swiss Medical Board», welche den Nutzen und die Risiken ins richtige Licht stellten. Der Vorwurf bestand in der Behauptung, der «Swiss Medical Board» sei «überfordert». Doch der hochkarätige Zeuge musste kein einziges Beispiel angeben, welche konkrete Aussage des «Medical Boards» denn falsch sei.
Statt kritische Fragen zu stellen, zitierte Hans Jürg Deutsch den Onkologen Cerny, «dass pro 10’000 teilnehmenden Frauen jedes Jahr mindestens zehn weniger an Brustkrebs versterben werden».
Offensichtlich haben Cerny und Deutsch nicht einmal das neue «Faktenblatt Mammographie» der Krebsliga gelesen. Sonst hätten sie mit einem simplen Dreisatz erkennen können, dass sie den Nutzen der Screenings ums Zehnfache übertrieben haben.
Nach Angaben der Krebsliga müssen nämlich 100’000 Frauen am Screening teilnehmen, damit jedes Jahr 10 von ihnen weniger an Brustkrebs sterben. Gleichzeitig werden etwa 40 ohne Nutzen gegen Krebszellen behandelt. Nutzlos deshalb, weil sie von diesen früh entdeckten Krebszellen im Laufe ihres Lebens nie etwas bemerkt hätten. Diese Information verschweigen die Ringier-Blätter seit Jahren.
Wer unabhängigen Experten pauschal vorwirft, «überfordert» zu sein, sollte selber auf der Hut sein. Eine simple Hochrechnung hätte genügt, um dem Autor und Interviewer Deutsch die Augen zu öffnen. Denn wenn Cernys Angaben stimmen würden, könnte das Screening mehr Frauen vor dem Tod retten als überhaupt an Brustkrebs in diesem Alter sterben. Schön wär’s. Niemand würde den überwältigenden Nutzen der Früherkennung in Zweifel ziehen.
Sonntags-Blick veröffentlicht keine Berichtigung
Diese Sobli-Information über den zehnfach übertriebenen Nutzen der Screenings sollte auch der Krebsliga und verantwortlichen Gesundheitsbehörden aufgefallen sein. Man muss sich vorstellen, wie diese reagiert hätten, wenn der Sonntags-Blick den Nutzen um das Zehnfache untertrieben hätte.
Doch in diesem Fall meldeten sie sich beim Sonntags-Blick nicht. Von Infosperber darauf aufmerksam gemacht, gab Onkologe Thomas Cerny die Fehlinformation zu und informierte am 12. Februar gleichzeitig Hans Jürg Deutsch. Trotzdem veröffentlichte der Sonntags-Blick in der folgenden Ausgabe vom 16. Februar keine Berichtigung. Offensichtlich wollten Deutsch und der Sonntagsblick nicht zugeben, dass sie selber überfordert waren.
Infosperber hat Hans Jürg Deutsch am 17. Februar um eine Stellungnahme gebeten, die jedoch am Abend des 18. Februar noch nicht eingetroffen ist.
Ringier-Verlegerin als Screening-Model
Dementis und Berichtigungen gab es bei Ringier-Blättern in Sachen Screening auch in der Vergangenheit keine.
Beispielsweise im Jahr 2005: Zum «Brustkrebsmonat Oktober» brachte Model und damalige Jungunternehmerin Fabienne Marchand «internationale Stars» dazu, mit einem rosaroten Foulard auf nacktem Oberkörper für die Brustkrebskampagne zu werben. Zu den «sexy Abgelichteten» zählten Verlegergattin Ellen Ringier neben Carolina Müller-Möhl, Simone Niggli-Luder und Edith Hunkeler.
Vor ihrer Zusage wurde Ellen Ringier aufgefordert, sich auf der Kampagnen-Homepage zu informieren. Dort verbreitete Fabienne Marchand Angst und Schrecken: «Jedes Jahr erkranken 10 Prozent aller Frauen an Brustkrebs.» In nur zehn Jahren, so könnte man folgern, müssten alle unters Messer. Solch krasse Fehlinformationen störte die «internationalen Stars» nicht, sie blieben monatelang auf der Webseite.
Das effektive Brustkrebs-Risiko ist Folgendes: Im Laufe von zehn Jahren erkrankt 1 von 40 Frauen im Screening-Alter an Brustkrebs. Auch diese Information verschweigen die Ringier-Blätter seit Jahren.
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Siehe
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor verfolgt das Einführen von Screening-Programmen seit 15 Jahren als Journalist.