Probleme mit «Swiss made»-Medikamenten aus Indien
Die USA haben den Import von Medikamenten-Wirkstoffen des japanisch-indischen Konzerns Ranbaxy gestoppt. Betroffen sind alle grossen indischen Fabriken dieses grössten Medikamentenherstellers in Indien. Unregelmässigkeiten in der Fabrik in Mohali (Punjab) hat der Konzern schon im Mai letzten Jahres zugegeben. Das Fehlverhalten muss schwerwiegend gewesen sein, denn Ranbaxy musste eine Busse in Höhe einer halben Milliarde Dollar an die US-Aufsichtsbehörde FDA bezahlen.
Am Montag, den 13. Januar 2014, gab die FDA bekannt, dass sie auch eine zweite Fabrik in Toansa, ebenfalls im indischen Bundesstaat Punjab verdächtige, die internationalen Regeln der «Good Manufacturing Practices» GMP zu verletzen. Die Kurse der Ranbaxy-Aktien fielen um neun Prozent.
Reuters und die New York Times berichten übereinstimmend, dass die USA schon vor vier Monaten jegliche Importe von Wirkstoffen oder Medikamente aus allen grossen indischen Ranbaxy-Fabriken verboten haben. Betroffen seien auch die Fabriken in Dekas und Toansa. Trotzdem blieb die Schweizer Aufsichtsbehörde Swissmedic passiv.
Schweizer Pharmafirmen dürfen weiterhin importieren
«Laut unseren Unterlagen» würden Schweizer Firmen keine Wirkstoffe aus den beiden beanstandeten Produktionsstätten in Mohali und in Paonta Sahib beziehen, erklärte Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi. Deshalb habe sich ein Importstopp erübrigt.
Ob Wirkstoffe aus andern indischen Ranbaxy-Fabriken zum Beispiel in Toansa oder in Dewas zu Schweizer Medikamenten verarbeitet werden, wollte Swissmedic nicht bekannt geben. Jaggi bestätigte Infosperber nur, dass Schweizer Pharmakonzerne Wirkstoffe von Ranbaxy aus Indien importieren. «Die Bezugsquellen von Wirkstoffen sind als Geschäftsgeheimnis der Bezügerinnen zu betrachten», behauptet die Swissmedic. Das öffentliche Interesse, über die Herkunft der Medikamente informiert zu sein, zählt nicht. Swissmedic will nicht einmal bekannt geben, wie viele Wirk- und Hilfsstoffe der Schweizer Medikamente insgesamt aus welchen Ländern stammen.
Anders als bei Lebensmitteln schreibt das Heilmittelgesetz HMG keine Pflicht zur Deklaration der Herkunft der Inhaltsstoffe vor. Das Parlament will dies bei der gegenwärtigen Revision des HMG nicht ändern, obwohl Novartis, Roche & Co. nach Auskunft von Insidern bereits mehr als die Hälfte aller Wirk- und Zusatzstoffe ihrer «swiss made»-Medikamente aus Indien, China und andern Billigländern beziehen. Infosperber hatte am 29. Mai 2013 darüber berichtet.
Vertrauen in Zertifikate
Kleiderfirmen, die in Bangladesch produzieren, hatten Zertifikate ihrer Unterlieferanten vorgezeigt als Beweis, dass diese Regeln und Normen einhalten. Genau so gibt sich die Swissmedic mit Zertifikaten der Herstellerländer Indien, China etc. zufrieden, die «beweisen», dass die Medikamente nach den strengen «Good Manufacturing Practices» GMP hergestellt werden.
Zertifikate der Exportländer sind allerdings häufig ihr Papier kaum wert, und mit Kontrollen der GMP-Richtlinien hapert es zuweilen gewaltig. Nach einer Statistik des «US Government Accountability Office» erhält eine Fabrik in China oder Indien im Durchschnitt nur alle 14 Jahre einen Besuch eines FDA-Inspektors, während Fabriken in den USA alle zwei bis drei Jahre vor Ort kontrolliert werden.
In Europa musste die «European Compliance Academy», eine Stiftung zur Überprüfung der GMP-Richtlinien, vor anderthalb Jahren feststellen, dass «viele Wirkstoffe ausserhalb der EU ohne die nötige GMP-Aufsicht produziert» würden. Man habe keine Lehren aus vergangenem Fehlverhalten gezogen. Viele regionale Behörden in China und Indien würden die GMP-Regeln nicht durchsetzen.
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Falls Sie möchten, dass im neuen Heilmittelgesetz eine Herkunftsdeklaration eingeführt wird, dann schreiben Sie den von Ihnen gewählten National- und Ständeräten!
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Siehe «Swiss made-Medikamente aus China und Indien» vom 29. Mai 2013
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor vertritt Patienten und Prämienzahlende in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.