Weihnachtsgeschenk: Millionen Kranke werden gesund
Hochoffiziell kam eine 17-köpfige US-Expertengruppe nach fünfjähriger Arbeit zum Schluss, dass Frauen und Männer im Alter von 60 und älter als gesund gelten und keine Medikamente brauchen, selbst wenn ihr Blutdruck leicht erhöht ist. Das «Journal of the American Medical Association» hat die neue Richtlinie am Mittwoch veröffentlicht.
Ein zu hoher Blutdruck kann zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Hunderte von Millionen Menschen schlucken deshalb für den Rest ihres Lebens Medikamente, die den Blutdruck senken. Je niedriger die Schwelle des Risiko-Blutdrucks festgesetzt wird, desto mehr Menschen müssen nach den ärztlichen Empfehlungen Arzneimittel einnehmen. Diese bergen wiederum ihre eigenen Risiken.
Zahl der «Kranken» auf einen Schlag verdoppelt
Noch Ende der 80er Jahre galten Blutdruckwerte erst ab 160/100 als behandlungsbedürftig. Doch die Richtlinien der Schweizerischen Hypertonie-Gesellschaft, deren Sekretariat von der Firma Roche betrieben wurde, empfehlen seit den Neunzigerjahren Medikamente bereits ab einem Wert von 140/90. Damit hatte sich die Zahl der «Kranken» auf einen Schlag mehr als verdoppelt. Die Industrie erzielt mit Blutdrucksenkern Milliardenumsätze.
Cochrane-Organisation warnte schon 2012
Doch ein leichter Bluthochdruck mit einem Wert zwischen 140 und 159 mm Hg (oberer Wert) und/oder 90-99 mm Hg (unterer Wert) werde wahrscheinlich unnötig mit Medikamenten behandelt. Zu diesem Schluss kam letztes Jahr eine Untersuchung im Auftrag der unabhängigen Cochrane-Organisation. Die Schäden der Nebenwirkungen seien bei diesem leichten Bluthochdruck wahrscheinlich grösser als der Nutzen.
Ein oberer Wert bis zu 150 braucht keine Behandlung
Jetzt kommt auch das «American Guidelines Committee» zum Schluss, dass Menschen im Alter von 60 und darüber mit einem oberen Blutdruckwert von 150 und darunter als gesund gelten können und keine Medikamente brauchen. Als Folge könnten «Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern», die einen oberen Blutdruckwert zwischen 140 und 150 haben, künftig auf medikamentöse Blutdrucksenker verzichten, erklärte William White, Präsident der Fachgesellschaft «American Society of Hypertension». Die Schäden durch Nebenwirkungen der Medikamente seien für diese Menschen grösser als der Nutzen.
Millionen von Menschen haben also bisher von Ärzten blutddrucksenkende Medikamente empfohlen bekommen, die ihnen mehr schaden als nützen. Und Millionen dieser Menschen mit leicht erhöhtem Blutdruck wurden viermal im Jahr von einem Arzt umsonst zur Blutdruck-Kontrolle aufgeboten – alles zu Lasten der solidarischen Grundversicherungen.
Für Menschen im Alter von unter 60 bleibt die Behandlungsschwelle gemäss neuer Richtlinie bei einem Blutdruck von höher als 140/90.
Folgende Risikofaktoren können Sie selbst beeinflussen
Mehrere Faktoren tragen zu einem hohen Blutdruck bei. Je mehr Risikofaktoren man ausschaltet, desto stärker kann man seinen Blutdruck ohne Medikamente senken. Ohne Medikamente riskieren Sie keine langfristigen schweren Nebenwirkungen. Folgende Risikofaktoren können Sie selber beeinflussen:
Bewegungsmangel
Übergewicht
Rauchen
Störungen des Fettstoffwechsels (z. B. erhöhte Cholesterinwerte)
Zuckerkrankheit (Diabetes)
Chronische Nierenerkrankungen
Zu viel Alkoholkonsum
Übermässige Salzzufuhr (Fertiggerichte!)
Ständiger Stress
Medikamente (z. B. Rheumamittel, Antibabypille)
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GELTENDE DEFINITIONEN
Leichter Bluthochdruck:
Altersgruppe ≤60: 140-159 mm Hg und/oder 90-99 mm Hg
Altersgruppe >60: 150-159 mm Hg
Mässig erhöhter Blutdruck:
160-179 mm Hg und/oder 100-109 mm Hg
Schwerer Bluthochdruck
≥180 mm Hg und/oder ≥110 mm Hg
Mässig und schwer erhöhter Blutdruck können mit grossem Nutzen medikamentös behandelt werden.
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Siehe auch
«Ärzte erhöhen Schwelle für Blutdruck-Medikamente» vom 26.6.2013
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor vertritt Patienten und Prämienzahlende in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission EAK.
Super! weniger kranke Menschen bzw mehr gesunde…!
Um wieviel wird deshalb das Bruttosozialprodukt abnehmen? Es sind ja die kranken Menschen, die «rentieren".
Endlich findet die Medizin zurück zur Medizin mit Augenmass. Blutdruckmittel sollten «verboten» sein wenn die Patienten nicht das ändern, was sie selbst ändern können, eg. Alkohol, Rauchen, Bewegungsarmut, Fettleibigkeit, Zuckerkonsum etc.etc. Aber für Arzt und Patient ist es einfacher ein Pilleli zu nehmen und so das schlechte Gewissen zu beruhigen und dann nichts wirksames machen zu müssen um das zu ändern.
P.Hirzel, pens. Hausarzt
Der Artikel ist tendenziös. Die Therapie der arteriellen Hypertonie, natürlich medikamentös möglichst erst nach erfolgloser / ungenügender nicht medikamentöser Blutdrucksenkung (Ernährung, Körpergewichtsreduktion, Bewegung) und gemeinsam mit der Optimierung der anderen kardiovaskulären Risikofaktoren, ist effektive PRÄVENTION von Hirnschlag, Herzschlag, peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Herzschwäche! Dadurch wird viel menschliches Leid (halbseitige Lähmung, Herzschwäche, Beinamputationen und Tod) erspart und sogar die Kosten dieser Prävention müssen nicht höher liegen als diejenigen der dadurch verhinderten Krankheiten / Pflegefälle / Todesfälle. Wer mag, darf gerne einmal hier hinein schauen, ein ganz kurzes summary der aktuellen (2013) Guidelines der ESC (European Society of Cardiology) für die Behandlung der arteriellen Hypertonie, welche weitgehend analog den amerikanischen Richtlinien sind und auch unseren Schweizerischen entsprechen (Schweizer Kardiologen sind gute Europäer 😀 ) – von wegen «ihr Sekretariat führte Roche"… 😉
Natürlich werden aufgrund der neuesten Daten die Therapieindikationen für Menschen >60a etwas gelockert werden, aber dies ist eher geringfügig (von 140/90 auf 150/90) und niemals auf die Werte der 80er-Jahre und auch nicht Ausdruck bösen Willens sondern vielmehr des medizinischen Fortschrittes mit ständiger Weiterentwicklung des gerade gültigen Standes des medizinischen Irrtums.
http://www.escardio.org/guidelines-surveys/esc-guidelines/GuidelinesDocuments/Web_Summary_Card_Hypertension_2013.pdf
Dr. med. Thomas Binder, Baden