Kopp verdient Respekt – aber sie verlangt mehr
Am 12. Dezember 1988 – nur Tage zuvor vom Parlament als Vizepräsidentin des Bundesrates gewählt – gab die damals 52jährige Elisabeth Kopp nach nur vier Jahren im Amt der Justizministerin sichtbar nicht freiwillig ihren Rücktritt bekannt. Drei Faktoren kumulierten sich zu einer weit mehr als landesübliche Aufregung.
Politisches Drama
Elisabeth Kopp war 1988 eine Bundesrätin mit sehr guten Zukunftschancen. Ihr Verständnis für die Forderung nach Katalysatoren für Autos stiess zwar bei Bürgerlichen noch auf Kritik. Aber im Rückblick ist klar: die Justizministerin wäre im damals laufenden Meinungswandel schon bald als Politikerin mit ausserordentlichem Weitblick dagestanden. Das politische Drama, das zu ihrem Sturz führte, hatte seine Wurzeln ausschliesslich bei ihrem Mann, Hans W. Kopp. Schon vor ihrer Wahl war der bekannte und weitherum bewunderte und beliebte Zürcher Wirtschaftsanwalt, Generalstabsoberst und Dozent als Mitgründer der mit hohen Verlusten von Aktionären Pleite gegangenen Risikokapitalfirma Trans K-B ins Gerede gekommen. Und unter dem Namen «Füdlitätsch»-Affäre erfuhr man zuerst branchenintern, dann kurz vor der Bundesratswahl in einem Artikel des Schriftstellers Niklaus Meienberg in der WOZ von bizarren Züchtigungsritualen des Staranwalts, in deren Folge er zeitweise das Prozessführungsrecht verlor. Das hatte noch keine politische Folgen. Vor allem Frauen in Medienredaktionen verlangten, dass Elisabeth Kopp für Fehler ihres Mannes nicht verantwortlich gemacht werden dürfe. Im Sommer 1988 begannen Medien dann neue Geschichten aus der schillernden Geschäftswelt des Bundesratsgatten zu verbreiten. Hans W. Kopps Name erschien im Zusammenhang mit Untersuchungen in Sachen Steuerhinterziehung und Geldwäschevorwürfen gegen die Firma Shakarchi Trading, in deren Verwaltungsrat Hans W. Kopp sass. Jetzt sah man plötzlich ein hochpolitisches Problem. Als Bundesrätingatte bedrohte Hans W. Kopp das wohlanständige Selbstverständnis des bürgerlichen Establishments.
Persönliche Tragödie
Parallel zum politischen Konflikt lief eine herzzerreissende persönlichen Tragödie: Die erste Frau in der Schweizer Regierung, die ihre Arbeit vier Jahre lang unbestrittenermassen auf jeden Fall nicht schlechter gemacht hatte als die sechs männlichen Kollegen, scheiterte in einem Loyalitätskonflikt zwischen ihrem Mann und ihren Regierungs- und Parteikollegen. Der Anlass war banal: In einem Telefonanruf hatte die Justizministerin ihren Mann informiert, dass Bundesbehörden gegen die Firma Shakarchi ermittelten, und ihn aufgefordert, umgehend aus deren Verwaltungsrat zurückzutreten. Die Existenz dieses Anrufs hatte sie im Bundesrat und gegenüber führenden Parteikollegen gegen den Rat von engen Mitarbeitern verschwiegen, bis Medien Details publizierten. Den Telefonanruf an sich, sagten bürgerliche Politiker später, hätte man toleriert. Aber ihr wiederholtes Leugnen habe die Bunderätin politisch unhaltbar gemacht. Offensichtlich aus Loyalität zu ihrem Mann hatte die Bundesrätin eine Grundspielregel der Politik verletzt, die auf spektakuläre Weise schon dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon das Amt gekostet hatte: Beim Nicht-die-Wahrheit-Sagen, im Volksmund Lügen, darf man sich nicht erwischen lassen.
Mediendruck
Ohne Beihilfe von aussen hätten die Freisinnigen ihre Bundesrätin aber wohl am Schluss doch nicht öffentlich zum Rücktritt gezwungen. Bis in die 1970er Jahre hatten die meisten bürgerlichen «Bundeshausjournalisten» ihre Arbeit als Vertrauensamt im Dienste der etablierten Institutionen verstanden. Man informierte dann und so, wie es der bürgerliche Bundesrat wünschte. So durften Männer, einmal in hohe politische Ränge aufgestiegen, auch happige Vorwürfe oft weitgehend im Medienschatten aussitzen. In den 80er Jahren änderte sich das. Zahlreiche Schweizer Zeitungen und Zeitschriften entkoppelten sich unter dem Einfluss jüngerer Verleger, Chefredaktoren und JournalistInnen aus dieser Abhängigkeit und lieferten sich einen Wettbewerb um attraktive Informationen, Stories und um Marktanteile. Im Kopp-Skandal haben Medien ihre neuen Fähigkeiten ausgespielt und freisinnige Spitzenpolitiker zum Handeln gezwungen.
Trauerspiel
Nach dem Sturz der Bundesrätin war der Fall Kopp politisch rasch vom Tisch. Schon 1989 konnte die Journalistin Catherine Duttweiler in ihrem Buch: «Kopp & Kopp, Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin» die Ereignisse vor und nach dem 12.12.1988 ausleuchten. Aber mehrere von Hans W. Kopp angestrengte, oder von ihm bis vor Bundesgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogene Rechtsverfahren hielten die Affäre über Jahre hinweg im Rampenlicht. In einzelnen Fällen erhielt Kopp teilweise Recht: Vorwürfe gegen ihn wurden als haltlos, übertrieben, nicht beweisbar oder verjährt eingestuft. Aber der jahrlange Prozesskampf wurde für ihn und seine Frau zu einem unerträglichen Trauerspiel mit brutalen Folgen. In Sachen Steuerhinterziehung verlangte das Bundesgericht Nach- und Strafsteuern. Und 1994 verurteilte ihn das Bundesgericht in Sachen Trans K-B-Konkurs endgültig zu einer bedingten Gefängnisstrafe. In dieser Zeit verlor die vor 1988 blühende Anwaltskanzlei Klienten und Mitarbeiter. Das noch vor kurzem weitherum gerngesehene Ehepaar Elisabeth und Hans W. Kopp wurde gesellschaftlich geächtet. Die Affäre trieb die sehr wohlhabende Familie an den Rand des Ruins.
2009 ist Hans W. Kopp gestorben. Da wäre für den Jahrestag des dramatischen Rücktritts vor 25 Jahren der Weg frei gewesen für einen rundum gerechten Blick auf den Fall aus Distanz. Elisabeth Kopp, die für ihren kleinen Fehler unter den Folgen der Affäre jahrelang massiv gelitten hatte, hätte eine respektvolle Würdigung verdient. Es war Zeit für ein Recht auf Vergessen.
Verpasste Chance
Aber das sollte nicht sein. Schon 2006 liess ein Dokumentarfilm von Andreas Brütsch: «Elisabeth Kopp – eine Winterreise» andere Ziele ahnen: Im Film sah man Elisabeth Kopp als makelloses Opfer. Ganz auf dieser Linie operierte auf den jetzigen Jahrestag hin eine breit und offensichtlich professionell inszenierte Kommunikationswalze.
Im Zentrum stand die neue Kopp-Biografie* aus der Feder des ehemaligen «Bilanz»- und «Facts»- und künftigen «Blick»-Chefredaktors René Lüchinger. Das Buch enthält auf der Basis von langen Gesprächen mit Elisabeth Kopp eine Fülle von mehr oder weniger interessanten Information. Es ist spannend geschrieben und vermittelt den Eindruck, im Licht der jetzt vollständigen Fakten seien Elisabeth und Hans W. Kopp einfach Opfer von Intrigen und Verrat geworden. Sie und ihr Mann, sagt Elisabeth Kopp im Buch und in vielen Interviews, hätten nichts besser machen können.
Nichts was in der Biografie steht, ist nicht wahr. Aber der Autor macht nicht alle wesentlichen Fakten sichtbar. Die Biografie folgt der von Elisabeth Kopp nach ihrem Sturz vertretenen These, sie habe nie gelogen, nur gewisse Dinge nicht gesagt.
Im Buch und in den Interviews erhebt Elisabeth Kopp wieder bitterböse Vorwürfe: Glaubwürdig und berechtigt tönt ihre Beschreibung von verklemmten männlichen Bundesratskollegen, die sie nicht ein einziges Mal gefragt hätten, wie es ihr unter dem Druck der Medienberichterstattung über ihren Mann gehe. Die Fussball-WM sei ihnen wichtiger gewesen. Aber andere Vorwürfe an Linke wirken bizarr. Sie behauptet, wenn der Sozialdemokrat Otto Stich nicht Bundespräsident gewesen wäre, wäre sie nicht zum Rücktritt gezwungen worden. Dem damaligen Nationalrat Moritz Leuenberger wirft sie vor, er habe aus Frust, weil seine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) nichts Schlimmes gefunden habe, das Telefon von Kopps Anwaltskanzlei abgehört und damit deren wirtschaftlichen Niedergang verschuldet. Im Tagesgespräch von Radio SRF vom 12.12. 2013 beschimpft sie den verstorbenen Niklaus Meienberg, er habe aus Hass gegen ihren Mann geschrieben, weil er selbst beruflich und sozial weniger erreicht habe und weil er keine Frau gehabt habe.
Am Abend des Jubiläums im Gespräch mit dem Buchautor René Lüchinger im Zürcher Kaufleutesaal schützt die perfekte Moderatorin Gabriela Amgarten Elisabeth Kopp vor solchen Entgleisungen. Zu Beginn der Veranstaltung schafft Verlagschef Rudolf Stämpfli Transparenz zur Zielsetzung des Buches und der Kommunikationswelle. Sein Verlag mache nur «freundliche Biografien». Es gehe darum, das Bild einer Frau zu korrigieren «auf die wir stolz sein dürfen». Auf der Homepage der Moderatorin liest man als Eigenwerbung von der «Fähigkeit authentisch aufzutreten und Menschen für sich und die eigenen Ziele zu gewinnen».
Viel Applaus
Im Kaufleutesaal vor einem Fan-Publikum ist das wohl gelungen. Elisabeth Kopp bekam viel Applaus. Aber darüber hinaus provoziert das Buch und die Kommunikationskampagne Korrekturen und Gegenvorwürfe. Die Journalistin Catherine Duttweiler legte in verschiedenen Schweizer Zeitungen ausführlich offen, was die «freundliche Biografie» in der Menge der Informationen versteckt (z.B. Neue Luzerner Zeitung, 9.12. 2013. «Aufstieg und Fall der Elisabeth Kopp».) Die Autorin schreibt, Elisabeth Kopp nehme es «mit den Fakten nicht so ernst». In der NZZ liest man, der Biograf sehe «Skandalöses vor allem beim Verhalten der Kritiker in Politik und Medien».
Da stellt sich am Schluss die Frage, wer Elisabeth Kopp diesen kostspieligen Versuch, den Fall in einer Mischung von Schönfärbung und Konfrontation neu aufzurollen, zumutet. Sie selbst oder streitfreudige, finanzkräftige politische Freunde. Aufgearbeitet ist der Fall trotz dieser Kommunikationswalze auf alle Fälle noch nicht.
*René Lüchinger. Elisabeth Kopp. Zwei Leben – ein Schicksal. Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin der Schweiz. Stämpfli Verlag, Bern Fr. 39.90
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Erstaunliches Hin und Her. Natürlich ist es kompliziert.
Danke für diese kritische Darstellung. Ich vermisse einzig die zentrale Frage: Warum hat sich Elisabeth nicht von ihrem züchtigenden und problematischen Hans nicht getrennt? Solange dieser rote Faden der Kopp–Geschichte nicht entdeckt und entwirrt ist, ist sie nicht zuende erzählt.
Habe heute das Interview im Radio gehört. (Srf 4 News) In der Ebene unserer Gesellschaft, wo das Ehepaar Kopp mitgewirkt hat, sollte man sich nicht wundern, wenn in einem Moment der Verwundbarkeit andere wie Wölfe über einem herfallen. Unsere Politik ist durchzogen von Wirtschaftsmächten und ihren finanziellen Interessen. Lobbyismus gab es schon damals, halt noch nicht so ausgeprägt wie heute. Als ich die Äusserungen von Frau Kopp im Radio hörte, z.B. über Jean Ziegler oder Niklaus Meienberg, war ich sehr ernüchtert. Solange sich Konfliktparteien in einem verbal gewalttätigen Schlagabtausch befinden, und ihre wahren Bedürfnisse, welche sich hinter diesen verbalen Schlägen verbergen, nicht preisgeben, solange können keine Lösungen gefunden werden und die wahre Wahrheit wird immer im Dunkeln bleiben. Wer aus edlen Motiven für unser Land und für gute Werte in unserer Demokratie handelt, darf keinen Dank erwarten. Das ist das erste was ich lernen musste mit meinen ehrenamtlichen Projekten im Bereich Gewalt und Drogenprävention. (Seit 17 Jahren, http://www.streetwork.ch ) Falls Frau Kopps Motive für ihre Handlungen lauter und Edel waren, so kann ich nur sagen: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Die Enttäuschung MUSS in Kauf genommen werden. Die Wölfe (Im Sinne von Marshall Rosenbergs Kommunikationsverständnis) warten nur darauf, zubeissen zu können. Dazu fragte ich mich, ob Frau Kopp auf einem Auge blind ist, was die Sichtweise der Abläufe betrifft.
@Billo. Totalvernichtung von Hans W. Kopp durch Meienberg vergisst keiner, ist mir eingefahren wie wenige Zeitungsartikel in der Schweiz der letzten 50 Jahre. Von der Textsorte ein Pamphlet; es als «objektiv» zu bezeichnen, ginge weit. Man muss Frau Kopp zugestehen, dass sie ihren Mann besser kannte als es Meienberg tat und sie musste selber wissen, wie sie mit dessen Schattenseiten umging.
Mir war Hans W. Kopp vor 45 Jahren bekannt; hätte ihn damals zu den bestinformierten und begabtesten Zeitgenossen gezählt, vor allem auf dem Mediengebiet. H.W.K. war auch sehr schreibbegabt: Textsorte des Schüttelreims beherrschte er wie kein zweiter. Und wenn Herr Aschinger sich Frau Kopp als Fachministerin lobt, so war sie auch deswegen gut, weil Hans W. Kopp in mancher Hinsicht der kompetenteste Bundesratsberater der letzten 50 Jahre war. Nicht zu vergleichen mit irgendwelchen Politologen oder anderen -logen, manchmal frisch abgeschlossene Studenten usw.
Nun aber die Pointe. Nachdem es mir nicht völlig misslungen war, Meienbergs Buch «Die Welt als Wille und Wahn» (publizistisch genial, unter historischen Kriterien unbrauchbar) im damaligen Aargauer Tagblatt etwas tiefer zu hängen, wollte ich auch seinen Kopp-Artikel kontern. Am Ende der Recherche aber bestätigte mir sogar Schnüffler u. FDP-NR E. Cincera: «Dummerweise stimmt alles, was Meienberg geschrieben hat, bringen Sie den Gegenartikel lieber nicht.» Der geniale Kollege N.M. freute sich über dieses Lob des Subversivenjägers!
@Pirmin: das ist ja mal eine Gschicht!
Aha, sehr interessant, die offenbar hochkomplexe Geschichte, mit all den Verstrickungen in Wirtschaft, Militär, Universitätsverbindungen, Fähigkeitsbewertungen, Sympathiebezeugen, Antipathiebezeugungen, es eröffnet sich ein Paradies für Familienaufsteller, Verschwörungstheoretiker und Psychologiestudenten nach Schulz von Thun, um das Knäuel zu entwirren. Und immer dasselbe, keiner redet von seinen Bedürfnissen in dieser Geschichte, und die meisten bewerten die anderen Personen, anstelle der Strategien welche diese und sie selber angewendet haben, um ihre eigene Position in dieser Gesellschaft zu verbessern. (Ansehen, Geld erwirtschaften, Machtbedürfnisse, Narzisstische Bedürfnisse, eigenen Heiligenschein wahren… u.s.w.) So kommen wir nicht weiter im ergründen der Ereignisse. Was mich dennoch interessieren würde, was ist dran an der medialen Information, das der Us-Geheimdienst das Telefon von Frau Kopp abgehört hätte, und hat der Us-Geheimdienst auch die anderen Telefone des Bundeshauses abgehört? Vielleicht wollte ja ein amerikanischer Geschäftszweig einen Konkurrenten abschiessen, und hatte Verbindungen zum Us-Geheimdienst. Es gibt da ja mehr als einen Fall, wo Us-Geheimdienstinformationen genutzt wurden von der US-Wirtschaft, um Europa ein Geschäft vor der Nase weg zu schnappen. Moralischer Wertungen entziehe ich mich, was mich interessiert, sind die Strategien der einzelnen Beteiligten, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen.