Schweizer Südafrika-Akten bleiben im Tresor
Was der Bundesrat seit 2003 im Tresor verschlossen hält, konnte der Historiker Peter Hug vorher im Rahmen einer Nationalfonds-Studie über die Politik der Schweiz gegenüber dem Rassenregime in Südafrika durchstöbern: Die historischen Akten.
Die «Verlogenheit und Doppelmoral» seien noch heute «unglaublich», erklärt Hug in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Politiker hätten sich im Stadion von Johannesburg mit Bekenntnissen zu Frieden, Menschlichkeit und Würde überboten und redeten gegen den Rassismus an. Doch die Realität zur Zeit der Apartheid habe «völlig anders» ausgesehen.
Südafrika-Lobbyist Christoph Blocher
Der internationale Druck auf Südafrika sei damals gross gewesen, weil die Uno zusammen mit der südafrikanischen Opposition für die Sanktionen eintrat. Der Bundesrat habe nur insofern nachgegeben, als er die Apartheid offiziell ablehnte. Gleichzeitig aber unterstützte er das Regime weiterhin, im Namen des Antikommunismus. Der Bundesrat sei dem Südafrika-Lobbyisten Christoph Blocher und dem damaligen Geheimdienstchef Peter Regli gefolgt. Dabei habe der Bundesrat vor der öffentlichen Meinung Angst gehabt, wie interne Dokumente, die Historiker Hug sichten konnte, zeigen. Das habe die Bemühungen des Bundesrats gesteigert, seine Südafrika-freundliche Politik unter dem Deckel zu halten.
Nur zum Schein gestoppte Waffenlieferungen
Unter dem Druck der Öffentlichkeit habe der Bundesrat 1963 die Waffenlieferungen nach Südafrika offiziell gestoppt. Doch schon wenige Monate später habe sich die Bundesverwaltung in Belgien für Transitbewilligungen eingesetzt, damit Oerlikon-Bührle Geschütze von Antwerpen aus nach Südafrika verschiffen konnte – also mit Hilfe der Schweizer Diplomatie.
Als 1968 der Bührle-Skandal aufflog, habe sich der Bundesrat nicht über das Ausmass der illegalen Waffenlieferungen nach Südafrika aufgeregt, sondern darüber, dass die Lieferungen bekannt geworden waren. Selbst nach der Verurteilung von Konzernchef Dieter Bührle hätten Schweizer Beamte noch geholfen, Oerlikon-Geschütze nach Südafrika zu liefern.
«Südafrika wäre finanziell schneller kollabiert»
«Das damalige Südafrika wäre finanziell schneller kollabiert, hätte die Schweiz nicht in dreifacher Hinsicht geholfen», zeigt sich Hug überzeugt. Die Schweiz sei erstens bereit gewesen, den Goldhandel von London nach Zürich zu verlegen. Zweitens habe die Schweiz Südafrika bei seiner Umschuldung stabilisierend unterstützt. Und drittens habe die Schweiz trotz Uno-Embargo den Erdölhandel zugelassen. Der wichtigste Erdölhändler für Südafrika sei Marc Rich in Zug gewesen.
Bundesrat klemmt noch heute
Die amtierenden Bundesräte hätten es bis heute nicht geschafft, sich von ihren Vorgängern zu distanzieren und das begangene Unrecht anzuerkennen. Historiker Hug findet dies «unerträglich». Es erinnere ihn an das bundesrätliche Nichtreagieren auf den Bergier-Bericht: keinerlei Anerkennung einer Mitverantwortung an vergangenem Unrecht. Es gäbe aber keine richtige Zukunft ohne die Anerkennung einer falschen Vergangenheit.
Jetzt Waffen für Saudi-Arabien
Die gleiche Kluft zwischen Lippenbekenntnissen über Menschenrechte und den Taten herrsche heute nach Ansicht Hugs in Bezug auf Saudi-Arabien, einem zutiefst reaktionären Regime, das im Westen aber als unverzichtbares Bollwerk gegen den Iran gelte. Deshalb toleriere der Westen die massiven Menschenrechtsverletzungen und die Unterstützung von Terrororganisationen in Syrien. Man bedauere solche Waffenexporte zwar ein wenig, halte sie aber für nötig. Genau so sei das auch bei der Apartheid gewesen. Der Bundesrat fand sie sonntags unschön, arbeitete ihr werktags aber zu. Wirtschaft und Politik in der Schweiz taten alles, um das südafrikanische Regime zu stützen – bis zuletzt.
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Siehe auch
- «Tod Mandelas: Manche Tränen waren Krokodilstränen» vom 8.12.2013
- «Bundesrat schützte Rassismus von Schweizer Firmen» vom 25.11.1013
- «Zürcher Freundschaft mit Apartheid-Polizei» vom 9.12.2013
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der 58-jährige Historiker hat die Beziehungen der Schweiz mit dem Apartheid-Südafrika untersucht und im Forschungsprogramm des Nationalfonds publiziert. Er konnte auch das Archivmaterial auswerten, das der Bundesrat wieder hat sperren lassen. Hug arbeitet heute als internationaler Sekretär der SP Schweiz.
Es wundert mich schon lange, dass sich noch irgend jemand über das Verhalten unserer Regierung wundert. Es gibt doch tatsächlich noch Bürger, die glauben, wir hätten in Bern eine Regierung. Das sind gefälligkeitswillige Gehülfen der wirklichen Machthaber, wie das Verhalten in Sachen Südafrika einmal mehr deutlich zeigt. Es sind schlicht und einfach zuverlässige Politdarsteller.
Xaver Schmidlin