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«Walliser Bote» vom 5. Juli 2012: Ausschnitt aus dem Inserat des Mengis-Verlages © -

Neues vom skandalösen PR-Inserat im Walliser Boten

Kurt Marti /  Letztes Jahr stritt der Mengis-Verlag ab, dass seine Redaktoren auch für PR- und Werbung arbeiten. Eine gewagte Behauptung.

Im August 2012 berichtete Infosperber über ein ganzseitiges Inserat im Walliser Boten (WB), mit dem der Mengis-Verlag seinen Kunden die «hauseigenen Autoren und Redaktoren» als Werbe- und PR-Profis anbot: «Wir Walliser sind hilfsbereite Menschen. Deshalb schreiben die Autoren und Redaktoren von Mengis nicht nur für Mengis. Sie schreiben also für den ‚Walliser Boten‘ oder namhafte Kunden und Personen.»

«Dieses Inserat ist skandalös»

Peter Studer, der ehemalige Präsident des Schweizer Presserats und frühere Chefredaktor des Schweizer Fernsehens sowie des Tagesanzeigers, war empört: «Es widerspricht allen Bemühungen um Unabhängigkeit redaktioneller Arbeit, die Presserat, Chefredaktorenkonferenz, Verlegerverband (Verband Schweizer Presse) und Werbeagenturen seit Jahren vertreten.» Und auf Radio SRF 4 doppelte er nach: «Es ist der krasseste Fall, der mir bis jetzt begegnet ist, nämlich dass ein Verleger und ein Chefredaktor auf einer Inserat-Seite diese Vermischung von Journalismus und Werbung geradezu anbieten und noch stolz darauf sind.»

«Von einer Person bösartig inszeniert»

Die Verantwortlichen der «Mengis Medien» und des WB verzichteten gegenüber Infosperber auf eine Stellungnahme. WB-Chefredaktor Thomas Rieder erklärte: «Ich sehe keinen Anlass, ihnen gegenüber in dieser Sache Stellung zu beziehen.» Auch Verleger Nicolas Mengis und Kurt Hasen, Geschäftsführer der Mengis Medien, schwiegen. Gegenüber der Online-Plattform persönlich.com hingegen liess Hasen verlauten: «Unsere Journalisten vom Walliser Boten (WB) sind jederzeit unabhängig und haben keine Aufträge von Werbekunden oder Unternehmen der Wirtschaft, Verbänden oder anderweitigen Institutionen.» Und weiter: «Die Autoren, welche wir für Reportagen, Broschüren und PR engagieren, sind nicht Teil der Redaktion des Walliser Boten. Die ganze Angelegenheit ist von einer Person aus dem Wallis bösartig inszeniert worden.»

Unesco-Werbe-Plattform für den Nestlé-Konzern

Angesichts solcher Behauptungen ist es erstaunlich, dass der WB-Redaktor und Walliser NZZ-Korrespondent Luzius Theler in den letzten Jahren mehrere Werbe-Broschüren für das Unseco-Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch verfasst beziehungsweise redigiert hat. Die neuste 48-seitige Werbe-Broschüre «Jungfrau-Aletsch – unser Erbe unser Stolz» erschien im vergangenen September. Einerseits handelt es sich dabei um beste Tourismuswerbung für das Jungfrau-Aletsch-Gebiet, andererseits wird das Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch und die Broschüre unter anderem vom Nestlé-Konzern gesponsort. Eine vortreffliche Werbe-Plattform für den Nestlé-Konzern und dessen VR-Präsident Peter Brabeck.

Anlässlich der Welterbe-Tagung «Wasser & Geist» vom vergangenen September in Naters, welche von WB-Redaktor Theler moderiert wurde, konnte sich Brabeck glänzend in Szene setzen. Nicht zu vergessen die angenehme Berichterstattung im WB, der als Medienpartner des Welterbes auftritt. Und selbstverständlich werden die Broschüren alle beim Mengis-Verlag gedruckt.

«Ich sehe keinen Widerspruch!»

Infosperber wollte vom Mengis-Geschäftsführer Hasen wissen, ob diese Werbe-Aktivitäten des WB-Redaktoren Theler nicht den Behauptungen widersprechen, welche er vor einem Jahr gegenüber persönlich.com geäussert hatte. Seine Antwort: «Nein, ich sehe in meiner Darstellung keinen Widerspruch! Ich unterscheide primär, ob ein kommerzielles oder ein allgemein öffentliches Interesse an Informationen respektive publizistischen Veröffentlichungen besteht. Im Falle der erwähnten Publikationen steht das öffentliche Interesse ganz klar im Vordergrund.»

Auch WB-Redaktor Theler, der eine Kopie des Mails an Hasen erhielt, meldete sich zu Wort: «Ich habe diese Arbeiten sehr gerne gemacht und bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Auch mit dem bezahlten Honorar bin ich sehr zufrieden. Ich bin einfach ein zufriedener und glücklicher Mensch.»

Im «öffentlichen Interesse» ist sehr viel

Den Begriff des «öffentlichen Interesses» fassen Hasen und Theler offenbar sehr weit. Beispielsweise hat WB-Redaktor Theler, der jahrelang als stellvertretender WB-Chef amtete, das Buch «100 Jahre unter Strom» in Zusammenarbeit mit dem lokalen Elektrizitätswerk Brig-Naters (EWBN) verfasst, aber auch das Buch «Brig-Glis: Augenblicke – Einblicke – Seitenblicke» im Auftrag der Stadt Brig-Glis. Thelers Liste im «öffentlichen Interesse» setzt sich fort über das Buch «Vom Maultier zu den leistungsfähigen Verkehrsbetrieben» im Auftrag der Verkehrsbetriebe Betten-Bettmeralp oder das Buch «Zermatt-Bahn: Vom Tal zum Berg» im Auftrag der Brig-Visp-Zermatt-Bahn (BVZ). Kein Wunder, dass Theler auch schon der lukrative Posten des Informationschefs des Kantons angeboten wurde. Im «öffentlichen Interesse» wäre freilich auch das.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Kurt Marti ist Journalist und wohnt in Brig-Glis. Er ist Autor des Buches «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz»

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 23.11.2013 um 12:02 Uhr
    Permalink

    und die sda macht es über ihre Tochterfirma newsaktuell.ch
    Also eine fadenscheinige Trennung von Nachrichten und PR!
    Zitat aus der HP:

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  • am 23.11.2013 um 18:35 Uhr
    Permalink

    Ich hoffe, niemand lässt sich dadurch beruhigen, dass solche Praktiken unterdessen verbreitet sind. Üblich heisst nicht legitim und es wird nicht zu Gewohnheitsrecht, solange man dagegen protestiert. DANKE Kurt Marti!
    Und: auch wenn der Aletschgletscher ein Bijou ist, sollte ein Journalist nicht als Werber dafür arbeiten. Nicht umsonst hat man die Gewaltenteilung erfunden, obwohl Exekutive, Parlamente, Gerichte und Verwaltung ja in dieselbe Richtung arbeiten sollen. Wenn die Medien vierte Gewalt sein wollen, müssen sie mit der Politik zusammen Gegengewicht zur allen partikularen Wirtschaftsinteressen sein und IN der Politik äquidistant zu den Gewalten.
    Sonst können wir gleich einen korporatistischen Interventionsstaat errichten.

    Werner T. Meyer

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