USBotschaft_Bern_Front-1

US-Embassy in Bern (links) in Hörweite der Schweizer «Cyber Defense» © N.R.

Faustrecht im Diplomatenviertel

Niklaus Ramseyer /  In Bern zügelte die US-Botschaft in die Nähe des Bundeshauses. Die Schweiz toleriert das rechtswidrige Ausspionieren.

«Was da passiert, das ist nicht nur inakzeptabel – es ist eine Katastrophe!» Das sagt einer der glaubwürdigsten deutschen Politiker zum NSA-Skandal, der frühere CDU-Generalsekretär und Bundesminister Heiner Geissler. Dass die Obama-Administration in Washington Deutschland dauernd als besten Freund in Europa und Kanzlerin Angela Merkel als verlässliche Partnerin der USA rühmt – und gleichzeitig die deutsche Regierungschefin schamlos ausspionieren lässt, das erschüttert den erfahren Politfuchs zutiefst. Besonders gravierend findet Geissler dabei, dass zahlreiche der weit über 10’000 deutschen Geheimagenten verschiedener Dienste die Übergriffe der US-Schnüffler nicht verhinderten, sondern im Gegenteil mit den US-Spionen eng zusammengearbeitet und ihnen zugedient haben. Er sagt: «Diese Leute müsste man zur Rechenschaft ziehen und vor Gericht stellen.»

US-Spionagezentralen in der Schweiz
Inzwischen ist klar, dass der Lauschangriff der USA auf Kanzlerin Merkel nur die Spitze des Eisbergs darstellt: Die personell und materiell hochgerüsteten US-Organisationen, die sich um Gesetze und Gepflogenheiten foutieren, schnüffeln weltweit flächendeckend. Sie hören Millionen von Mobiltelefonen dauernd ab. Sie zapfen die Telefonleitungen nach Nordamerika mit Hilfe ihrer geheimen, britischen Kollaborateure direkt vor der südwestenglischen Küste an.
Nach neusten Enthüllungen hangen NSA und CIA in den zentralen Datensträngen der riesigen Internetsuchmaschinen Google und Yahoo direkt drin, ohne Gerichtsbeschluss und ohne jedwede politische Kontrolle. In 80 Städten der Welt betreiben die US-Spione auf hohen Gebäuden illegale Horchstationen, in denen Spezialisten mit modernsten Elektronik-Geräten die ganze Umgebung aushorchen.

Auch in der Schweiz. In Genf zum Beispiel, wo die gemeinsame US-Horchorganisation von NSA (National Security Agency) und CIA (Central Intelligence Agency) vom Dach der US-Vertretung aus die UNO-Organisationen und die Delegationen anderer Länder systematisch elektronisch ausspionieren. In Bern hat die rot-grüne Stadtregierung in unglaublicher Naivheit den US-Spionen 2008 erlaubt, ihre Botschaft aus der Tiefe des Kirchenfeldquartiers mitten in die Stadt hinauf zu verlegen. Und die Amerikaner haben danach gleich ihr CIA-Koordinationsbüro für ganz Europa in ihr neues Berner Botschaftsgebäude einquartiert.

In Ruf- und Hörweite der Bundesbehörden
Strassenseitig zur bunkerähnlichen Festung ausgebaut, trohnt die US-Embassy im Gebäude der ehemaligen Berner Versicherung an der Sulgeneckstrasse 19 nun auf dem Aarehang nur wenige hundert Meter vom Bundeshaus entfernt. Und in Ruf- und Hörweite jenes Verwaltungsgebäudes, in dem sich auch die Abteilung «Cyber Defense» des VBS befindet. Nur die Residenz des US-Botschafters in einem ehemaligen Berner Landschlösschen liegt noch dazwischen. Auch von hier aus kann fast ungehindert abgehorcht und spioniert werden. In der Wärmebildkamera leuchtet ein auffällig ausgebauter Aufbau auf dem Botschafts-Gebäude verdächtig rot.

Das ist illegal und verboten: Artikel 272 und folgende des Strafgesetzbuches bedrohen unter dem Titel «Verbotener Nachrichtendienst» mit Gefängnis oder gar mit Zuchthaus alle jene, die «politischen Nachrichtendienst betreiben oder einen solchen Dienst einrichten». Verboten ist ebenso «wirtschaftlicher Nachrichtendienst» – militärischer Nachrichtendienst (Art. 274) sowieso.

Terror-Abwehr als Vorwand
Offiziell begründen die US-Behörden ihre weltweiten legalen und illegalen Spionageaktivitäten stets mit dem Kampf gegen den Terror. So auch jetzt wieder. Dabei setzten sie jene Regierungen und deren Dienststellen, die sie scheinheilig als «Partner» bezeichnen, mit dem Ultimatum unter Druck: «Are you with us, or with the terrorists?» (Seid ihr für uns oder für die Terroristen?). Und spannen sie für ihre Zwecke ein.

Mit der Aushorchung der Deutschen Kanzlerin ist nun jedoch schlagartig klar geworden, dass es faktisch um ganz anderes geht: Um politischen und vor allem um wirtschaftlichen Nachrichtendienst. So haben die USA etwa milliardenschwere Flugzeug-Geschäfte zwischen Deutschland und Saudiarabien gestützt auf ihre illegalen Spionageaktivitäten hintertreiben können. Ähnlich erging es den Franzosen. In der Schweiz steht der weltweit wichtige Finanzsektor im Fokus der US-Schnüffler.

Die Legende von der profitablen Kooperation
Die fast 400 Fachleute in Verteidigungsminister Ueli Maurers Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sollten dies alles unterbinden und verhindern. Doch im Gegenteil: Auch sie arbeiten unkritisch mit den US-Geheimdiensten zusammen. Die Schweizer Abhörspezialisten, die in der Wolfrichti bei Jassbach ob Thun oder in Zimmerwald bei Bern millionenteure Antennenanlagen für die Fernmeldeüberwachung betreiben, zählen US-Geheimdienste zu ihren wichtigsten «Kunden».
Auf der geheimen Liste jener Organisationen, die der NDB als seine «Partner» bezeichnet, stehen auch US-Organisitionen, die teils illegal bis kriminell unterwegs sind. Die NSA gehöre nicht dazu, hat Maurer soeben versichert. Auf einer NSA-Liste steht die Schweiz indes eindeutig als Partner drauf (das Schweizer Fernsehen hat sie gezeigt).

Für die US-Abhördienste ist das egal: NSA und CIA arbeiten in der Cyber-Spionage eng zusammen. Und die CIA steht auf jeden Fall als «benachbarter Partnerdienst» auf der Freundes-Liste des NDB. Diese Kollaboration mit dubiosen Organisationen, die mitunter gegen die Interessen der Schweiz arbeiten, begründen die Schweizer Agenten steht mit der alten Formel, dass grosse internationale Geheimdienste ihnen im Gegenzug eben auch wichtige Informationen weitergäben. Sie profitierten von der Kooperation mit CIA und Consorten.
Das sind Illusionen. Gerade die US-Dienste interpretieren «Kooperation» einseitig zu ihren Gunsten: Informationen geben sie «Partnern» aus kleineren Ländern meist nur gezielt weiter – mit dem Zweck diese für ihre eigenen, offenen und verdeckten Ziele zu manipulieren und einzuspannen. Ein erfahrener Berner Nachrichtenmann nennt den Iran als Beispiel dafür: «Die Schweiz hat mit diesem Land eigentlich kaum Probleme», stellt er nüchtern fest. Auf Druck der USA machten viele Funktionäre in Bern aber dennoch beim anhaltenden Kesseltrieben gegen Teheran mit.

Weltmacht USA als besonderer «Partner»
Wie in Berlin, so dämmert es indes nun auch in Bern einigen Verwaltungsleuten und Politikern, dass sich sofort in Acht nehmen sollte, wer von Vertretern der USA als «Freund» oder «Partner» bezeichnet wird. Wikileaks und nun erst recht die NSA-Affäre haben die Weltmacht USA diskreditiert. In Bern gibt es politische Vorstösse zum Thema Nachrichtendienst und US-Agenten. Die Grünen verlangen Asyl für Edward Snowden. Und für jene Nachrichtenleute, die mit dubiosen US-Organisationen kollaboriert haben, kann es ungemütlich werden.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Privatsphre2

Schutz der Privatsphäre

Internet-Seiten, E-Mails, Telefonanrufe, Handy-Standorte usw. werden flächendeckend erfasst. Wer stoppt´s?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 7.11.2013 um 12:42 Uhr
    Permalink

    Es wird zeit Das dem Treiben der USA von der UN endlich ein riegel geschoben wird! Ansonsten der zahnlose Tiger UN vollends die Daseinsberechtigung aberkannt werden muss !
    Und die Drohungen des grössten Finanziers gleichwohl auch grössten Schuldners der UN kann man getrost beantworten mit Umzug des Hauptsitzes der UN nach einem Staat auf den afrikanischen Kontinent.
    Die wären noch so froh das zu übernehmen was USA zu verhindern weis nämlich ausgleichende Gerechtigkeit gegenüber allen staaten der Welt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...