«Wie ich unerlaubt in die Fukushima Sperrzone kam»
Fast alle Journalisten, welche in der Sperrzone von Fukushima vor Ort waren, gingen auf Einladung der KKW-Betreiberin Tepco oder der japanischen Behörden. Sie waren geführt unter Kontrolle und die Begegnungen mit Verantwortlichen, Arbeitern oder Betroffenen waren arrangiert.
Susan Boos gehört zu den wenigen Journalistinnen, die sich ohne Erlaubnis in der Sperrzone bewegte. Sie sprach auch mit Evakuierten und mit Exponenten der japanischen Anti-AKW-Bewegung. Ihre Dokumentation hat sie letztes Jahr im Buch «Fukushima lässt grüssen – Die Folgen eines Super-Gaus» veröffentlicht. Sie konnte die Lage mit derjenigen in Tschernobyl vergleichen, wo sie zwei Jahrzehnte vorher ebenfalls längere Zeit vor Ort recherchiert hatte.
«Dem Betroffenen sei Dank»
Um andere Journalistinnen und Journalisten zu ermutigen, die Tatsachen vor Ort unabhängig von Konzernen und Behörden zu recherchieren, erzählt Susan Boos in einem weiteren Buch, «Recherche in der Praxis», wie es ihr gelungen ist, die Sperrzone in Fukushima ohne Erlaubnis zu betreten.
Die Vorgaben vor Ort waren klar: Es gab keine Sonderbewilligungen für Journalisten, um in die 20-Kilometer-Sperrzone zu gelangen. Alle Versuche, die jungen Polizisten zu bezirzen, welche die Zonengrenze bewachten, schlugen fehl.
Der Schlüssel zum illegalen Eintritt besorgte sich Boos mit Hilfe des Übersetzers: Er fand einen Mann, der früher mit seiner Familie nur wenige Kilometer der Kernkraftwerke entfernt gewohnt hatte. Sein Leben wurde auf einen Schlag zerrissen: Seine Familie wurde sofort evakuiert. Freunde und Bekannte, die vielleicht noch lebend unter den Trümmern lagen, durfte er nicht suchen. Das beschäftigt ihn noch heute.
Jetzt wollte er noch einmal zu diesen Trümmern fahren – mit Boos und ihrem Übersetzer. Er kannte eine Lücke, um in die Sperrzone zu gelangen. Geld wollte er keines. Er tat es aus eigener Betroffenheit.
Auf der Fahrt durch die Trümmerlandschaft sahen die drei verwaiste Dörfer und umherirrende Kühe mit ihren Kälbern. Sie sahen die Welt, die für 70’000 Menschen das Zuhause war und über Nacht zum stillen Niemandsland wurde.
Ohne den Übersetzer, der den Kontakt mit dem Betroffenen herstellte, hätte sie es nicht geschafft, in die Sperrzone zu kommen, berichtet Boos. Der Übersetzer habe sich ihre Recherche zu eigen gemacht. Um das nötige Vertrauensverhältnis zu erreichen, brauche es das kostbarste gut im Journalismus: Zeit, viel Zeit.
—
Siehe auch
- «PR-Lügen der Tepco über Fukushima» vom 22.8.2013
- «Zwei Sätze für 300 Tonnen radioaktives Wasser» vom 8.8.2013
—
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine