Sandstrahlen

Sandstrahlen: Arbeiterinnen in China riskieren ihre Gesundheit für eine Mode-Laune des Westens © WDR

«Used Look»: Jeans mit tödlichem Effekt

Natalie Perren /  Um neue Jeans auf «alt» zu trimmen, werden sie sandgestrahlt. Diesen Mode-Gag bezahlen Textilarbeiter mit ihrem Leben.

Feiner Quarzsand verpasst Bluejeans den trendigen «used look». Aber das Sandstrahlen, das den Stoff künstlich altern lässt, ist für Arbeiter hochgefährlich. Der Staub mit den scharfen Quarzpartikeln dringt durch jeden einfachen Mundschutz und zerstört in kurzer Zeit das Lungengewebe. Viele Textilarbeiter erkranken bereits nach wenigen Monaten an Silikose (Staublunge). Die Krankheit ist unheilbar, fast immer verläuft sie tödlich.
Die ersten Todesfälle betrafen zwei Jugendliche, die im Alter von 13 und 14 Jahren in der Türkei als Sandstrahler anfingen und wenige Jahre später an Silikose starben. Alleine in der Türkei sind bis heute über 50 Textilarbeiter an den Folgen des Sandstrahlens gestorben. Seit 2009 ist die Sandstrahltechnik in der Türkei verboten. Die Produktion wurde daraufhin in andere Länder wie China und Bangladesch verlagert.
Chinesische Zulieferer halten sich nicht ans Verbot
Die Risiken des «sandblasting» sind seit langem bekannt. Die Clean Clothes Campaign (CCC) macht seit drei Jahren Druck auf die verantwortlichen Jeanshersteller. Über 40 grosse Markenfirmen haben inzwischen öffentlich erklärt, bei ihren Produkten aufs Sandstrahlen zu verzichten, darunter bekannte Namen wie Benetton, C&A, Coop, Esprit, H&M, Levis, Mango, Manor, Migros, Replay oder Vero Moda. Ihren Produzenten haben sie untersagt, das Verfahren weiterhin einzusetzen. Trotzdem wird in chinesischen Fabriken munter weiter sandgestrahlt – auch in Zuliefererbetrieben für grosse Modemarken, die sich offiziell von der tödlichen Technik distanziert haben. Das zeigt die neueste Recherche von CCC, War on Want, SACOM (Student and Scholars Against Corporate Misbehaviour, Hongkong) und IHLO (Hong Kong Liaison Office of the international trade union movement).
«Feigenblatt der Industrie»
Die freiwillige Verpflichtung, die gefährliche Sandstrahltechnik aus der Produktion zu verbannen, sei nur «ein Feigenblatt der Industrie», sagt Bettina Musiolek von der Clean Clothes Campaign im «Bericht aus Brüssel» des WDR. Geändert habe sich dadurch nichts. Aus Sicht der CCC reichen die Kontrollen der Hersteller in den Jeansfabriken nicht aus. Schon lange fordert die CCC deshalb ein Importverbot für sandgestrahlte Jeans. «Doch der Druck der Textillobby auf die Mitglieder der EU-Kommission und des Parlamentes in Brüssel ist zu gross», beklagt Bettina Musiolek. Bereits vor drei Jahren hat die Kommission einen Vorschlag für ein neues ECO-Label erarbeitet. Auch hier sollte auf das Sandstrahlen von Textilien verzichtet werden. Doch der Vorschlag wurde nie umgesetzt.
Sandstrahlen im Verborgenen
Für den aktuellen Bericht «Breathless for Blue Jeans» wurden Arbeiter von sechs Textilfabriken in der südchinesischen Provinz Guangdong befragt, wo etwa die Hälfte aller Jeans der Welt hergestellt werden. Die Fabriken produzieren unter anderem für bekannte Marken wie Lee, Levis, H&M, Wrangler, Jack&Jones, Only, Vero Moda, oder Amercian Eagle.
Die Bilanz ist ernüchternd: Nur eine der Fabriken hatte zum Zeitpunkt der Recherche das Sandstrahlen ganz eingestellt. Drei weitere Unternehmen gaben an, diese tödliche Technik nicht mehr anzuwenden. Laut Auskunft der Beschäftigten wird jedoch weiterhin sandgestrahlt. Oft geschehe dies im Verborgenen oder in räumlich ausgelagerten Abteilungen. In zwei der untersuchten Fabriken wurde mit Überwachungskameras sichergestellt, dass die Sandstrahler möglichst wenig Kontakt mit dem Rest der Fabrikangestellten haben.

Jeans kaufen ohne «Abnützungsspuren»
Immer häufiger kommen auch chemischen Sprays zum Einsatz, um bei Jeans-Stoff den modischen Vintage-Effekt zu erzeugen. Doch die aktuellen Untersuchungen der CCC zeigen: Auch das chemische Verfahren gefährdet die Gesundheit der Beschäftigten, insbesondere, weil sie bei der Arbeit kaum Schutzkleidung tragen.
Konsumentinnen und Konsumenten haben also nur eine Wahl: Nicht jeden Modetrend mitmachen und Jeans kaufen ohne künstlich erzeugte «Abnützungsspuren». So kann man zumindest etwas sicherer sein, dass Arbeiter dafür ihre Gesundheit nicht ruinieren mussten.


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