Die Wandlungen eines Freiheitshelden
Szene 1: Ein junger Mann betätigt sich als Journalist. Er schreibt profunde Artikel unter anderem für die Wochenzeitung «das konzept» (Vorläufer der WOZ), über die Wirtschaft, über Firmen und die Dritte Welt. Als die Alusuisse 1974 nach dem Kauf der Lonza auch noch rund 40 Prozent der Motor-Columbus übernimmt, kritisiert der engagierte Journalist im Berner SP-Organ «Tagwacht» den Wandel der Marktwirtschaft «in die Privatplanwirtschaft markt-gewaltiger Unternehmen».
Szene 2: Der junge Mann ist – eher überraschend – zum Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB gewählt worden. Am Tag seiner Wahl hält er in Dietikon bei der lokalen SP einen Vortrag. Der ihn begleitende und chauffierende Journalist ist erstaunt, wie total der Frischgewählte in seinen Argumentationen bereits das gewerkschaftliche Jackett angezogen hat.
Szene 3: Der Sekretär vertritt während fünfzehn Jahren dezidiert die Anliegen des SGB und seiner gewerkschaftlichen Klientel.
Szene 4: Der ex-Journalist verlässt 1992 den SGB, zieht das gewerkschaftliche Jackett aus und wirft sich in die Arme der Neoliberalen. An seinen Weggefährten beim Gewerkschaftsbund und deren Zielen lässt er, jetzt wieder als Journalist tätig, keinen guten Faden mehr. Er wird zum Vorzeigeobjekt der bürgerlichen Schweiz.
Szene 5: Beat Kappeler erhält den erstmals verliehenen «Preis für die Freiheit» der Bonny-Stiftung. Diese hat der ehemalige FDP-Nationalrat und leitende Staatsangestellte (Biga-Direktor) Jean-Pierre Bonny gegründet, um liberale Werte gepaart mit Eigenverantwortung zu fördern. Kappeler wird für seinen jahrzehntelangen Einsatz «mit spitzer Feder und klarem Kopf» für den freien Wettbewerb und eine freiheitliche Gesellschaft geehrt. Die NZZ ist in ihrer Meldung der Meinung, Kappeler sei bereits beim SGB «als liberaler Vor- und Querdenker» aufgefallen.
P.S.: Vielleicht könnte das Preisgeld von 100‘000 Franken auch dafür eingesetzt werden, den Jungfreisinnigen in Kursen zu vermitteln, dass «ihre» Gründerväter nicht nur eine liberale Wirtschaft schufen, sondern auch einen liberalen Staat, der zahlreiche Aufgaben zu erfüllen hat und darum auch Steuern erheben muss.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Adrian Knoepfli ist SP- und Gewerkschaftsmitglied
Beat Kappeler, der sprichwoertlich die Wandlung vom Saulus mitgemacht hat, ist der lebende Beweis fuer die Wahrheit: «Wer in jungen Jahren nicht rot ist, hat kein Herz, wer in fortgeschrittenem Alter noch immer rot ist, hat kein Verstand!
Wenn der Staatsbeamte Jean Bonny 10 Millionen SFr. für eine Freiheitsstiftung aufwerfen kann,hat der «Oekonome» Kappeler vermutlich schon als SGB-Sekretär ganze Arbeit geleistet.Als Kappeler beim SGB begann waren die Gewerkschaften ultrakonservativ.Ich musste als Jusosekretär in dieser Zeit mit den Herren Mischler und E.Strahm verhandeln und habe die eher als rechtsextrem den als linksextrem in Erinnerung.
Wer war dannzumal links- oder rechtsextrem, ich kann Herrn Rothenbuehler nicht richtig deuten und Helmut «Kohl» ist laengst nicht mehr Bundeskanzler.
In den USA würde sich heute niemand mehr wundern, wenn ein Ökonom zwischen Regierung, NGO, Gewerkschaft (sofern man das noch so nennen kann), Bank, Uni und Fox wechseln und sich jeweils beherzt engagieren würde.
Sie haben es nicht so weit gebracht wie die alte Sowjetunion, wo man denselben «Genossen» GLEICHZEITIG als CEO, Gewerkschaftsboss und lokalen Parteisekretär bewundern konnte. Aber toi toi toi. In West-Europa gibt es da immer noch eine Schamgrenze. Aber es gab auch Exzesse der Schamlosigkeit. Den Kanzler Schröder als Sozialstaat-crasher und später Oligarch von Putins Gnaden.
In dieser Geisterbahn ist Beat Kappeler doch ein ehrlicher engagierter Jobwechsler mit Konsequenz. Im Gegensatz zu oben zitierten Phasen-Linken schaffte er das OHNE ERKENNBARE INTELLEKTUELLE ABBAUERSCHEINUNGEN – wie nahe man ihm im Moment politisch stehen mag.
Werner T. Meyer