Der Fokus auf Stephan Schmidheiny ist der falsche
Mit grossen Lettern berichteten Medien über die «18 Jahre Haft für Schmidheiny» in Italien. Ein «Historisches Urteil» titelte das St. Galler Tagblatt. Der frühere Eternit-Besitzer wird dieses rechtlich fragwürdige Urteil bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anfechten.
Schmidheiny hatte die Firma Eternit 1976 von seinem Vater übernommen und ging daran – gegen den Widerstand vieler europäischer Asbestkonzerne –, die Sicherheit der Arbeiter zu verbessern und asbestfreie Produkte zu entwickeln.
Die Geschichte des Asbests ist schlimm genug, um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Weil bis zum Ausbruch des tödlichen Asbestkrebs zwanzig bis fünfzig Jahre vergehen, sterben noch heute jedes Jahr über hundert Schweizer daran. Keiner dieser Erkrankten, selbst wenn ihn sein Arbeitgeber grobfahrlässig Asbest ausgesetzt hatte, konnte und kann sich in der Schweiz wehren, weil die Verjährungsfrist viel zu kurz ist.
In den USA starben jahrelang mehr Menschen an Asbest als an Verkehrsunfällen. Die Internationale Arbeitsorganisation IAO schätzt, dass noch heute weltweit jährlich 100’000 Menschen an den Folgen von Asbest sterben. Das heisst: Die tödlichen Gefahren beim Abbau und Umgang mit Asbest sind seit Jahrzehnten bekannt.
Der eigentliche Skandal
Trotzdem bauen Länder mit Asbestvorkommen das tödliche Mineral weiterhin ab und verkaufen es in grossen Mengen. Sie wollen sich das Geschäft nicht entgehen lassen. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation IAO produzieren Russland über 1000 Tonnen pro Jahr, China und Kasachstan 350 Tonnen, Brasilien 230 Tonnen und Kanada 185 Tonnen.
In den meisten Industrieländern ist Asbest aus dem Verkehr gezogen worden. Auch in Kanada wird es kaum mehr verwendet, dafür umso mehr in Entwicklungsländer exportiert. «Asbest ist der grösste Industriekiller, den die Welt jemals gekannt hat», sagt der kanadische SP-Oppositionspolitiker Pat Martin. «Wir exportieren menschliches Elend in monumentalem Mass und unsere Regierung verhindert, dass wir die Unternehmen in Entwicklungsländer wenigstens warnen müssen.»
Die Medizin-Zeitschrift «Lancet» warf Kanada «Heuchelei» vor, weil das Land seine eigene Bevölkerung dem Asbest nicht mehr aussetzen wolle, die tödliche Substanz aber in Entwicklungsländer exportiere.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine