Für Fernsehen SRF sind Frauenanliegen «Nebenpunkt»
Die Diskussionsrunde der Arena vom 27. April 2012 sei «nicht sachgerecht» gewesen, entschied die UBI. Dieses Urteil will das Fernsehen DRS nicht akzeptieren. Deshalb erhob die SRG beim Bundesgericht Beschwerde (Infosperber hatte darüber berichtet). Ihre Begründung wollten weder die SRG noch das Fernsehen SRF bekannt geben, weil das Verfahren noch am Laufen sei. Infosperber ist dennoch im Besitz der Beschwerdeschrift der SRG ans Bundesgericht.
- Fakt: Das Gesetz über Radio und Fernsehen schreibt vor, dass Informationssendungen «Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen müssen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann».
Diese Anforderung sei bereits erfüllt, wenn «Personen aus dem Pro- und Contra-Lager in einem ausgewogenen Verhältnis eingeladen» würden, meint die SRG in ihrer Beschwerdeschrift. Dies genüge, damit die Sendung «sachgerecht» und «ausgewogen» sei. Wolle man dem Fernsehen vorschreiben, welche Inhalte zu einem «vorgängig transparent kommunizierten Sendethema» zur Sprache kommen müssen, wie dies die UBI verlangt, wirke dies «faktisch als Zensur» und verletze die Meinungsäusserungsfreiheit des Fernsehens.
- Fakt: Das Fernsehen SRF kündigte das Sendethema «Geld für alle: Vision oder Spinnerei» wie folgt an: «Ein monatliches Einkommen von Fr. 2’500 für alle und das ohne zu arbeiten. Dies ist die Stossrichtung der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Den Initianten schwebt ein Systemwechsel vor – das Grundeinkommen würde Sozialhilfe und die AHV ersetzen. Aufgewertet würde die Eltern- und Freiwilligenarbeit. Die Gegner sprechen hingegen von einer Schnapsidee: Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei nicht finanzierbar und sie fragen: Wer würde überhaupt noch arbeiten? Die Arena mit der Grundsatzdebatte. Es diskutieren Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der Weltwoche, Ueli Mäder, Professor für Soziologie Uni BS, Rudolf Strahm, Ökonom und Daniel Straub, Initiativ-Komitee ‚bedingungsloses Grundeinkommen’.»
Während der Sendung ging es vor allem um die Finanzierbarkeit (angekündigtes Argument der Gegner) und nur am Rande um die aufgewertete Eltern- und Freiwilligenarbeit (angekündigtes Argument der Befürworter).
Der «Systemwechsel», den ein Grundeinkommen zur Folge hätte, «würde Männer und Frauen ganz unterschiedlich treffen», sagt Martha Beéry-Artho, welche die Sendung bei der UBI mit Erfolg als «nicht sachgerecht» beanstandet hatte. Die Arena habe das Grundeinkommen «nur aus männlicher Sicht» behandelt.
Die UBI gab der Ausbildnerin und Gründerin der «IG Frau und Museum» recht. Die Männerrunde im zentralen «Arena»-Ring habe primär über die finanziellen Folgen, die Vereinbarkeit mit einem liberalen Staatsverständnis sowie die Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit diskutiert. Diese Optik sei «zu eng» gewesen, beanstandete die Beschwerdeinstanz. «Zentrale Aspekte» seien nicht zur Sprache gekommen. Deshalb habe die Arena-Sendung die Konzession verletzt. Weder die unbezahlte Arbeit, noch die ehrenamtlichen Tätigkeiten, noch die Unterstützung von betreuungsbedürftigen Menschen habe die Arena thematisiert, kritisierte die UBI. Eine grosse «Arena»-Sendung, als «Grundsatzdebatte angekündigt» habe in sich sachgerecht zu sein.
- Hintergrund: Das von den Initianten vorgeschlagene bedingungslose Grundeinkommen hätte für die meisten Erwerbstätigen keine finanziellen Auswirkungen: Die ersten 2500 Franken Monatsverdienst oder Renten gälten als Grundeinkommen. Für alle Erwerbslosen dagegen, und alle, die heute ehrenamtlich ohne Verdienst arbeiten, hätte ein bedingungsloses Grundeinkommen erhebliche Folgen: Unbezahlte Familien-, Haus-, Pflege- und Betreuungsarbeiten würden wie alle andern ehrenamtlichen Arbeiten massiv aufgewertet. Davon wären vorwiegend Frauen betroffen.
Die UBI begründet ihren Entscheid, dass die Arena nicht sachgerecht war nicht mit der rein männlichen Zusammensetzung der Kernrunde, sondern mit den zur Sprache gebrachten Inhalten. Wörtlich erklärte sie in ihren Erwägungen:
- UBI: «Angesichts der Bedeutung gerade von unbezahlter Arbeit, namentlich in den privaten Haushalten und der Familie…, stellt dieser Gesichtspunkt im Rahmen des Themas der beanstandeten Sendung keinen Nebenpunkt dar. Es geht dabei auch um einen zentralen Aspekt der Initiative, welcher die ganze Bevölkerung und ganz besonders die in diesem Bereich viel stärker engagierten Frauen betrifft. Dessen weitgehende Auslassung hat die Meinungsbildung des Publikums über die Initiative ‹Für ein bedingungsloses Grundeinkommen› erheblich beeinträchtigt. Die fehlende Transparenz diesbezüglich wirkte sich vor allem auch angesichts des fehlenden Vorwissens des Publikums zur Initiative negativ auf die Meinungsbildung aus.»
Nach Überzeugung von Martha Beéry-Artho hätte die Arena-Leitung mit ihrer Auswahl der Gäste dafür sorgen müssen, dass die sehr unterschiedlichen Auswirkungen eines Grundeinkommens auf Frauen und Männer zur Sprache kommen. Die SRG dagegen bestreitet, dass es bei diesem Thema «einen spezifischen Frauenaspekt» gäbe. Denn ein Grundeinkommen habe «grundsätzlich gleiche Auswirkungen für alle, weil ja alle von einem gleichen Grundeinkommen profitieren könnten.
Die Auswirkungen für alle, legt Beéry dar, habe die Arena «an den Lebensrealitäten der Männer gemessen, ohne Rücksicht auf die andere, grössere Hälfte der betroffenen Bevölkerung». Es seien zum Beispiel «meistens Frauen, welche die Carearbeit unentgeltlich oder zu Niedrigstlöhnen leisten». Die Arena habe das Thema «Grundeinkommen» nicht geschlechtsneutral, sondern «nur aus männlicher Sicht» diskutiert. Wenn jedoch über politische Visionen wie ein Grundeinkommen nur Männer aus deren Sicht diskutieren, hätten die Frauen «keine politische Chancengleichheit».
- Fragen von Martha Beéry-Artho: «Eine Grundsatzdebatte über das Grundeinkommen in einer 75-minütigen Sendung ohne Frauen? Weder im Kreis der Debattierenden noch in der Thematik? Soll das sachgerecht sein?»
Was bei den Zuschauerinnen des Fernsehens hängen bleibe, sei das Sichtbare und Bildhafte. Bereits die Männer-Runde im inneren Kreis des Studios habe den falschen Eindruck erweckt, Frauen seien von einem Grundeinkommen in keiner besonderen Weise betroffen. Im Laufe der Sendung seien Frauen nur während rund drei Minuten zu Wort gekommen. Dies nur als Befragte und nicht als Votierende. Nach der späteren Visionierung der Sendung fielen Beéry zwei während der Sendung eingeblendete Grafiken auf, welche die einseitige Männersicht illustrierten. Mit den Grafiken wollte die Arena-Redaktion anhand zweier Beispiele die Auswirkungen eines Grundeinkommens illustrieren (siehe Bilder oben in der Bildstrecke):
- Grafik: «Jemand, der CHF 10’000 verdient, erhält im neuen System CHF 2’500 Grundeinkommen und CHF 7’500 Lohn. Daneben erschien das Bild eines Mannes.
- Grafik: «Wer nicht arbeitet, bekommt, ohne etwas zu tun, CHF 2’500. Daneben erscheint das Bild einer jungen Frau. Für Kinder und Jugendliche gibt es zusätzlich CHF 625.
- «SRF zieht Männer-Arena vors Bundesgericht» vom 7. Mai 2013.
- Zur Arena-Männerrunde vom 27.4.2012.
«Muss ich als Frau daraus schliessen», fragt sich Martha Beéry, «dass ich fürs Nichtstun CHF 2’500 und fürs Kind zusätzlich CHF 625 erhalten würde?….Darf ich fragen, wie viel ich erhalte, wenn ich allenfalls für diese Kinder koche oder die Wäsche besorge, sie aufziehe und für sie da bin?» Diese Darstellung in der Arena «diskriminiert Frauen, die Kinder aufziehen, als Nichtstuerinnen», gibt Beéry zu bedenken. Jedenfalls sei dies keine sachgerechte Darstellung. Erwerbsarbeit sei nicht die einzige Art von Arbeit. Zudem wirke sich Erwerbsarbeit auch auf die Renten und andere soziale Absicherungen aus.
In einer sachgerechten Diskussion über einen Systemwechsel hätte man über solche zentrale Fragen reden müssen, von denen die Mehrheit der Frauen anders betroffen wären als die Männer, meint die Rentnerin.
All dies seien «Nebenpunkte», argumentiert die SRG. Im Vordergrund eines Systemwechsels sei deren Finanzierung gestanden. Zudem habe die Redaktion in einer offenen Diskussionssendung nur einen beschränkten Einfluss auf die Voten der Eingeladenen.
Formalrechtliche Verteidigungslinie der SRG: Für den Fall, dass das Bundesgericht trotzdem Beéry Recht geben und die Sendung als nicht sachgerecht taxieren sollte, hat die SRG eine formalrechtliche Verteidigungslinie aufgebaut. Sie macht rechtliche Willkür geltend, weist auf die vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gewährleistete Meinungs- und Informationsfreiheit hin, auf die Medienfreiheit gemäss Bundesverfassung und die Freiheit der SRG, die Sendethemen selber zu wählen und zu gestalten. Schliesslich habe die UBI ihren Entscheid zu wenig begründet und neue Argumente ins Spiel gebracht, zu denen die SRG nicht angehört worden sei.
Martha Beéry-Artho hatte eine vom Gesetz vorgesehene «Popularbeschwerde» eingereicht, für die zwanzig Unterschriften nötig sind. Als Nicht-Juristin kenne sie sich in rechtlichen Verfahrensfragen nur wenig aus und habe sich an die auf der Webseite der Ombudsstelle beschriebenen Vorgaben gehalten. Doch eine Popularbeschwerde müsse normalen Zuschauern die Möglichkeit geben, eine Sendung zu beanstanden und allenfalls Recht zu bekommen, ohne dafür Anwälte engagieren und bezahlen zu müssen, sagt Beéry.
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Siehe
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine