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Im Spital aufgelesene Infektion: In der Schweiz sind 50'000 Spitalpatienten pro Jahr betroffen © PKID

Viele Spitalopfer – die Schweiz kümmerts wenig

upg /  Bei der Qualität ärztlicher Behandlungen hat die Schweiz wenig zu bieten, wie eine Konferenz in London zeigt.

Spitalaufenthalte bergen grosse Risiken. Medizinische Fehler verursachen in Schweizer Akutspitälern jedes Jahr rund 2000 bis 3000 Todesfälle und über 60’000 gesundheitliche Schäden. Diese Zahlen kann das Bundesamts für Gesundheit BAG nur schätzen, weil Behandlungsfehler in der Schweiz nicht systematisch und vergleichbar erhoben werden. Es gebe jedoch «keinen Grund anzunehmen, dass unsere Ärzte weniger Fehler machen als Ärzte in vergleichbaren Ländern», erklärt Manfred Langenegger, Qualitätsverantwortlicher im BAG. Schon vor zehn Jahren musste der damalige BAG-Direktor Thomas Zeltner feststellen, dass die Schweiz bei der Sicherung der Qualität «andern modernen Gesundheitssystemen hinterherhinkt».

Daran hat sich wenig geändert. Am internationalen Forum über Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung, das letzte Woche in London stattfand, hatte die Schweiz kaum etwas zu bieten, während andere Länder ihre Erfolge und Probleme präsentierten, konnte die Schweiz einen einzigen Redner und ein einziges von 1200 Postern stellen. Die Herkunft der 3300 Teilnehmenden deutete an, welche Länder sich am intensivsten mit der Qualität in den Spitälern beschäftigen: 282 Teilnehmende kamen aus Schweden, 272 aus Holland, 226 aus Dänemark, 170 aus Norwegen und nur 32 aus der Schweiz.

Wettbewerb um den ersten Platz

Während die Diskussion in der Schweiz geprägt ist von Kosten, Finanzierung oder Einheitskrankenkasse, streiten sich andere Länder darum, wer die beste Qualität bietet: Welches Land, aber auch welche Spitäler erzielen die grössten Erfolge im Kampf gegen vermeidbare Todesfälle und vermeidbare Komplikationen wie Spitalinfektionen? Schottland startete vor fünf Jahren das «Patient Safety Programme». Es habe zum ambitiösen Ziel, «alle vermeidbaren Ärzte- und Spitalfehler auszurotten», erklärte Jason Leitch, zuständig für Patientensicherheit in Schottland.
Dieses Ziel ist zwar kaum je erreichbar, aber es mobilisiert Kräfte. Innert vier Jahren gingen die Todesfälle bei gleichen Operationen und vergleichbaren Patienten um zehn Prozent zurück. Bis 2015 sollen insgesamt nur noch fünf von 100 Patienten im Spital zu einem Schaden kommen. Vermeidbare Infektionen, Blutvergiftungen oder Druckgeschwüre beim Liegen sollen stark abnehmen. Leitch meinte ehrgeizig: «Wir wollen anerkannt werden als weltweit führend in der Qualität der Gesundheitsversorgung».

Kein Interesse an Behandlungsunterschieden

In der Schweiz haben Spitäler, Ärzte und Gesundheitspolitiker weder transparente Qualitätsindikatoren eingeführt, noch landesweite Krebs- und Krankheitsregister, noch setzten sie Anreize für einen Wettbewerb um die beste Qualität. Selbstzufrieden erklärte die Zürcher Chefärztegesellschaft vor zehn Jahren: «Wir haben eines der besten, wenn nicht das beste Gesundheitssystem der Welt.» Und Bundesrat Pascal Couchepin doppelte als Gesundheitsminister selbstgefällig nach: «Weltweit findet man kaum ein gleichwertiges Gesundheitssystem.» Diese Lobeshymnen sollten die hohen Kosten rechtfertigen, stützten sich jedoch auf keinerlei Vergleichsdaten mit dem Ausland.
Auch krasse Behandlungesunterschiede innerhalb der Schweiz interessieren Chefärzte, Spitalverantwortliche und Gesundheitspolitiker nicht wirklich: Bringt es für Bernerinnen und Berner einen Vorteil oder doch mehr Nachteile, wenn sie häufiger und länger ins Spital müssen, sich dort häufiger diagnostizieren und operieren lassen als etwa die St. Galler? Tragen Waadtländer bei Diagnosen mit Kathetern nur die Risiken, oder bringt es ihnen Vorteile, wenn Ärzte an ihnen achtzig Prozent häufiger solche Eingriffe vornehmen als an Patienten in andern Kantonen? Weder die FMH, noch Fachgesellschaften noch Nationalfondsstudien klären ab, weshalb und mit welchem Nutzen oder welchem Schaden Patientinnen und Patienten so unterschiedlich behandelt werden.

Indikatoren, Register und Kontrollen in Holland

Bis 2003 war Holland mit der Schweiz vergleichbar: Einzelne Spitäler und Fachgesellschaften der Ärzte führten eigene Qualitätsstandards ein, die weder miteinander und schon gar nicht mit dem Ausland vergleichbar waren. Doch dann entwickelte ein «nationales Gesundheitsinspektorat» zusammen mit Spitälern und Ärzten landesweite Qualitätsindikatoren. Bei Darmoperationen beispielsweise lieferten nach zwei Jahren fast alle Spitäler zu Todesfällen und Komplikationen vergleichbar erhobene Zahlen, die zentral ausgewertet werden. Das Risiko, während oder innerhalb von 30 Tagen nach einer Darmoperation zu sterben, sank deutlich.
Bei Entfernungen der Bauchspeicheldrüsen gingen die Todesfälle sogar um die Hälfte zurück. Bei Brustkrebsoperationen sind heute nur noch halb so viele Nachoperationen nötig wie noch vor vier Jahren. Nur noch zwanzig Prozent so viele Patienten leiden an Wundliegen.

Für Qualitätsverbesserungen brauche es «Zahlen, Zahlen, Zahlen», insistierte Richard Grol vom Dachverband der niederländischen Universitätskliniken. Unterdessen messen Indikatoren die Resultate von vierzig verschiedenen Eingriffen. Erfasst werden u.a. Sterblichkeit, ungeplante Nachoperationen und Wiederbehandlungen infolge Nebenwirkungen. Im Vergleich «schlechte» Spitäler geben die betroffene Operatonsart auf oder verbessern sich in kurzer Zeit. «Dank transparenter Vergleichszahlen» sei das Universitätsspital Radboud in Nijmegen von einem der schlechtesten Spitäler für Schlaganfälle zu einem der besten geworden, berichtete Richard Grol.
Grol würde allerdings nur zehn bis fünfzehn Indikatoren bevorzugen, die nicht das Resultat einzelner Behandlungschritte, sondern ganzer Behandlungen erfassen, weil die Qualität der Reha und der Nachbehandlungen ebenfalls erfasst werden sollte. In Holland decken die finanziellen Pauschalabgeltungen bereits die vollständige Behandlung von der Diagnose bis zur Genesung ab, oder bei Chronischkranken Pauschalen für jeweils 12 Monate Behandlung, und nicht Pauschalen nur für einzelne Spitaleingriffe (DRG) wie in der Schweiz.

Schweden verteilt Spitälern Noten

Führend im Auswerten zentraler Krebs- und Krankheitsregister ist seit Jahren Schweden. Seit die Vergleichszahlen der einzelnen Spitäler vor sechs Jahren auch öffentlich zugänglich sind, hätten sich die Behandlungsresultate noch schneller verbessert, erklärte Tomas Jernberg, Chef des Registers für Herzkreislaufkrankheiten. Die schwedische Gesundheitsbehörde vergibt den Spitälern sogar eine Gesamtnote aufgrund der höchsten Punktezahlen aus neun verschiedenen Indikatoren. Dieses transparente Rating habe zu «enormen Qualitätsverbesserungen» geführt, sagte Jernberg.
Das Schweizer Krankenversicherungsgesetz KVG verpflichtet die Spitäler seit 1997, «den zuständigen Bundesbehörden die Daten bekannt zu geben, die diese benötigen, um die Qualität der Leistungen zu überwachen». Doch solche vergleichbaren, standardisierten Daten hat das BAG nie eingefordert. Erst seit kurzem veröffentlicht das BAG Zahlen über Spital-Todesfälle und darüber, wie häufig Spitäler eine Behandlung durchführen*. Und erst seit kurzem sind Spitäler daran, in Operationssälen systematisch Checklisten zu verwenden – eine Sicherheitsmassnahme, die im Flugverkehr seit Jahrzehnten Praxis ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Mehr Staatsmedizin oder Wettbewerb?

Zu viele falsche Diagnosen, Untersuchungen und Komplikationen bei Operationen: Was bringt bessere Qualität?

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Vermeidbare Arzt- und Spitalfehler

In Schweizer Spitälern sterben jedes Jahr etwa 2500 Patientinnen und Patienten wegen vermeidbarer Fehler.

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5 Meinungen

  • am 27.04.2013 um 12:39 Uhr
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    Von der Qualität in den Schweizern Spitalern kann ich nicht viel sagen.
    Aber von der Qualität in den Spitälern in Basel und Umgebung, und von einem Spital in der Nähe von Bülach, kann ich einiges sagen. Auch musste ich einmal prozessieren, und dank der Unterstützung des schweizerischen Beobachters bekam ich für das Trauma meines Lebens wenigstens eine bescheidene Abfindungssumme, und die bekam ich auch nur, mit der absoluten Verpflichtung, keine Namen über den Vorfall in der Öffentlichkeit sagen zu dürfen. Dann geht es weiter, ich bin seit 18 Jahren durch eine Krankheit behindert. Die Krankheit macht ähnliche Symptome wie HIV, es ist ein durcheinander im Körper, die Antikörper IGM sind sehr tief, die anderen 3 etwas tiefer als normal. In Basel gibt es 30 erfasste Personen mit dem aidsähnlichen Krankheitsbild, welche aber kein HIV Virus in sich tragen. In anderen Ländern, Asien, gibt es tausende davon, in China verstarb ein ganzes Dorf in kurzer Zeit, da dachten Sie es sei ansteckend, was sich aber dann als nichtig herausstellte. Auf http://www.streetwork.ch/kreuzweg.html habe ich diese mysteriöse Krankheit beschrieben. Wie es in der Schweiz so üblich ist, wenn Ärzte nicht mehr weiterkommen, ist man bei einigen selber dran Schuld. Trinkt einer gerne Wein, kommts davon, hat einer vor 20 Jahren mal Haschisch geraucht oder Drogen genommen welche nicht legal sind, ist dies schuld, ungeachtet dessen, dass genauso viel Asketen an diesem Krankheitsbild leiden. War einer ein halbes Jahr in den Tropen, ist das Schuld, oder man wird in die psychische Ecke abgeschoben, na ja, das Gehirn etwas aufräumen und die Seele durchputzen kann ja auch nicht schaden, also machte ich dies, aber eben, die Ursache war genauso wenig dort zu finden wie beim Tabak rauchen, u.s.w. Punktum, sie wissen es nicht und diese mysteriöse Erscheinung hat noch nicht mal einen Namen. Aber eine Studiengruppe wo die Menschen die dieses Krankheitsbild haben und zusammengefasst werden, gibt es schon in Basel und auch andernorts. Das verrückte ist, trotz des angeschlagenen disfunktionalen Immunsystems gibt keine seriellen oder parallelen Multiinfekte wie beim HIV-Kranken mit Viren, und die T-Zellen sind nur leicht reduziert. Ein Rätsel, etwa so wie wenn jemand ohne Leber leben könnte. Wenn man also 18 jahre sowas rumschleppt, und dies einem zum Frührentner macht, auszehrt, schwächt, Osteoporose nach sich zieht, Familie, Karriere, u.s.w. versaut, kommt noch obendrauf, das man solche Dinge erleben muss dass man am morgen im Spital die 25 fache Überdosis Schmerzmittel auf dem Nachttischli hat. Die Antwort der Stellvertretenden Schwester: Gut haben sie es gerade noch bemerkt, aber passiert wäre ja sicher nicht viel, es hat ja noch andere im Zimmer, die hätten dann gesehen wenn sie abgetaucht wären, und wir hätten Ihnen dann das Gegenmittel gespritzt. Tröstlich klang dies nicht gerade. Der eine war schon halb im Himmel und der andere schlief die ganze Zeit. Eine Entschuldigung? Nein, die Dame welche der Lehrtochter die falsche Abmessungsmethode zeigte, bekam ich nie mehr zu Gesicht. Nun gehts weiter: Bei den Medikamenten welche ich nehmen muss gegen die Schmerzen, entsteht zwangsläufig eine Obstipation. Es gibt einen ganzen Markt an Mitteln um dies zu beheben, alle mit vielen Nebenwirkungen. Das einzige was bei mir keine Nebenwirkungen macht, und bei anderen ebenso nicht, und in vielen Ländern, auch der Usa, aufgrund von Studien die beste und schonenste Wahl ist und auch angewendet wird, ist in der Schweiz nicht zugelassen. Und was die Swissmedic nicht zulässt, bezahlt die Krankenkasse nicht. Nun ja, das alternative, für gegen medikamentöse Obstipation unzugelasene Mittel kann man nicht mehr patentieren, würde man es gegen Obstipation zulassen, wäre es der Renner, die Preise für dieses Medikament würden in den Keller fallen, und all die anderen teuren Produkte unserer Pharmafirmen würden grosse finanzielle Einbrüche erleiden.

  • Mireille Mata PDNE
    am 27.04.2013 um 15:15 Uhr
    Permalink

    @ Beatus Gubler. Um welches Mittel gegen medikamentöse Verstopfung handelt es sich denn?

  • am 27.04.2013 um 22:32 Uhr
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    Hallo Mireilla Mata, es handelt sich um oral eingenommenes Naloxon. Ist individuell auf den Patienten einzustellen. Bei mir reicht eine Ampulle mit 0,4 mg Wirkstoff pro Tag, um jeden 2ten Tag aufs Klo gehen zu können. Wenn das Geld für das Naloxon nicht reicht, muss ich alle 4 Tage einen Einlauf machen. Gruss Beatus

  • am 28.04.2013 um 16:37 Uhr
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    Dieser Film hier, ist das feinste vom feinsten, das beste vom besten, nur der Film Gedeihen kommt noch an diesen Film ran. Er zeigt alles auf, und auch warum bald alles zusammenbrechen wird, und es dann einen Neustart braucht, welcher nicht mehr in die alte Mühle führt, gesegnet sollen die sein, die diesen Film erstellten, er zeigt die Ursache von Grund an auf, warum wir auch in unserem Lande alle diese Misstände haben. Er ist nicht leicht zu verdauen, geht aber knallhart direkt zur Sache. Vor 20 Jahren hätte irgend ein Geheimdinst ein solches Filmprojekt verboten und die Produzenten aus dem Weg geräumt. Unter diesem Link kann es auf Youtube angesehen werden in voller Auflösung: http://youtu.be/_nWFZwOZtiM

  • am 25.07.2016 um 18:44 Uhr
    Permalink

    Bei mir konnten erfolgreich 4 Stents eingefügt werden.
    Während dieser Operation, oder ist das keine OP?, fragte ich den Chirurgen, weshalb er keinen Mundschutz trage?. Er antwortete mir, das brauche es nicht. Nur seltsam: Alle Personen, die sich in diesem Raum mit den benötigten Stents aufhielten, hatten den Mundschutz appliziert. Wirklich seltsam. Es handelt sich um ein SEHR rennomiertes Spital. Hch.Elmer

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