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Im Bundesgericht fand die öffentliche Beratung über das Mühleberg-Urteil statt © Floheinstein/Flickr/CC

Warum das AKW Mühleberg unbefristet laufen darf

Red. /  Soeben hat das Bundesgericht die befristete Laufzeit aufgehoben. Hier im Detail die Argumente der Richter, je nach Parteifarbe (1).

upg. Praktisch nur die Aufsichtsbehörde Ensi kann das KKW Mühleberg aus Sicherheitsgründen abstellen lassen. Das hat das Bundesgericht vor einem Monat endgültig entschieden. Die Beratung in Lausanne war öffentlich, doch haben die Medien kaum über die unterschiedlichen Positionen der fünf Richter berichtet. Jurist Benjamin Märkli war dabei, hat die Beratung protokolliert und jetzt im Newsletter der Weblaw.ch veröffentlicht. Infosperber bringt seine wichtigsten Passagen im Folgenden wörtlich. Einzig die Parteizugehörigkeit der Richter hat Infosperber hinzugefügt, um auch diesbezüglich Transparenz zu schaffen. Bundesrichter werden nach dem Partei-Proporz gewählt. Gerade bei diesem Urteil zeigt sich, wie die Parteifarbe auf die (bei weitem nicht nur juristische) Argumentation abfärbt. Das vollständige Protokoll ist im Anhang abrufbar. Die schriftliche Urteilsbegründung, die das Bundesgericht nach einiger Zeit veröffentlichen wird, muss die mündlich vorgetragenen Erwägungen nicht alle übernehmen.
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AUS DEM VERHANDLUNGS-PROTOKOLL VON BENJAMIN MÄRKLI

Bundesverwaltungsgericht verfügte Befristung

Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem Urteil vom 1. März 2012 vorab fest, dass einer erneuten Befristung keine Grundrechte der BKW entgegenstünden. Dann prüfte es das Verhältnis zwischen der laufenden Aufsicht durch das Ensi und der Erteilung der Betriebsbewilligung durch das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Es gelangte zum Schluss, dass das Uvek nicht bloss auf die Beurteilung der Sicherheit durch das Ensi hätte abstellen dürfen. Da das Uvek mit dem Bundesamt für Energie über eine eigene fachkundige Behörde verfüge, die eine Sicherheitsprüfung hätte vornehmen können, hätte es eigene Abklärungen vornehmen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht ortete gravierende Sicherheitsmängel und befristete die Betriebsbewilligung bis zum 28. Juni 2013. Zudem forderte es im «Interesse der Rechts- und Investitionssicherheit» ein Instandhaltungskonzept für das KKW Mühleberg. Gegen das Urteil erhob die BKW Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht.

Rechtlicher Rahmen

Die Diskussion des Bundesgerichts konzentrierte sich auf Art. 21 Abs. 2 KEG (Kernenergiegesetz), dessen Wortlaut hier wiedergegeben ist: Art. 21 Inhalt der Betriebsbewilligung:
Absatz 2 «Die Betriebsbewilligung kann befristet werden.»

Die Mehrheit der Richter kam zum Schluss, dass die Betriebsbewilligung für ein KKW nur dann befristet werden dürfe, wenn auch ein Entzug der Bewilligung zulässig wäre, und dass sie grundsätzlich unbefristet zu erteilen sei. Sodann war eine Mehrheit des Gerichts der Ansicht, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Kompetenzen überschritten habe. Die Sicherheit des Reaktors wurde nur vom Referenten geprüft und bejaht (SVP-Bundesrichter Hansjörg Seiler), was weitgehend unbestritten blieb. So waren die beiden unterschiedlichen Anträge hauptsächlich durch abweichende Auffassungen zur Zuständigkeit und nicht zur Sicherheit motiviert.

Voraussetzungen für eine Befristung

Gemäss Bundesrichter Hansjörg Seiler (SVP) ist die Bewilligung aus Art. 21 Abs. 2 KEG eine Polizeibewilligung. Als solche sei sie zu erteilen, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Dies blieb in der Verhandlung unbestritten. Bei der Befristung handle es sich um einen «vorgezogenen Entzug», da die Bewilligung am Ende der Frist ohne weiteres dahinfällt. Daher könne eine Befristung nur aus den gleichen Gründen angesetzt werden, die auch einen Entzug rechtfertigen würden. Sie sei dann sinnvoll, wenn der sofortige Entzug der Bewilligung unverhältnismässig wäre.
Die blosse Tatsache, dass eine laufende Aufsicht notwendig ist, rechtfertige allein aber noch keine Befristung. Gleicher Meinung war Bundesrichter Thomas Stadelmann (CVP). Er verwies auf die Botschaft zum KEG, welche die Befristung als Mittel zur Heilung eines Umstandes nenne, der beim Auslaufen der Frist zum Widerruf der Bewilligung führe. Bundesrichterin Aubry Aubry Girardin (Grüne) war anderer Meinung: Das Gesetz sehe die Möglichkeit zur Befristung vor und verlange daher auch Anwendungsfälle. Wenn ein Grund zum Entzug der Bewilligung vorliege, sei aber eine Befristung unangebracht: Im Interesse der Sicherheit wäre dann die Bewilligung direkt zu entziehen.
Bundesrichter Andreas Zünd (SP) schliesslich beging einen Mittelweg. Er war mit der Gegenreferentin einig, dass eine Gesetzesbestimmung einen Anwendungsbereich haben müsse. Andernfalls werfe man dem Gesetzgeber vor, sinnlose Gesetze zu erlassen. Den Anwendungsfall sah er aber bei einer Änderung der Bewilligung. Dann könne eine Übergangsfrist notwendig sein, um der Betreiberin eines Reaktors Zeit zu geben, die neuen Auflagen zu erfüllen.

Grüne Bundesrichterin sieht Befristungskompetenz

Bundesrichter Hansjörg Seiler (SVP) sah den gesetzgeberischen Grundsatzentscheid darin, Bewilligungen unbefristet zu erteilen, sofern keine besonderen Gründe für die Ansetzung einer Frist sprächen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht vertieft mit den Argumenten des Uvek befasst. Dies wäre aber gefordert gewesen, um eine Befristung zu begründen. Anders Bundesrichterin Aubry Girardin (Grüne), welche die Unterscheidung zwischen Normal- und Sonderfall ablehnte, da das Gesetz die Befristung explizit vorsehe. Sie ging daher davon aus, dass es im freien Ermessen der Bewilligungsbehörde stehe, ob sie die Bewilligung befristen möchte oder nicht. Schliesslich sei Art. 21 Abs. 2 KEG als Kann-Vorschrift formuliert.

SVP-Bundesrichter: Befristung hätte zeitweisen Bewilligungsentzug zur Folge

Bundesrichter Hansjörg Seiler (SVP) sah in der Befristung im Wesentlichen ein Verfahrenselement. Solche aber hätten zum Ziel, das materielle Recht (hier die Sicherheit des Reaktors) durchzusetzen und Rechtssicherheit zu schaffen. Beide Ziele seien durch die lange Prozesshistorie schon arg strapaziert worden. Durch eine erneute Befristung würden sie nicht gefördert: Im Gegenteil würden neue Anfechtungs- und Verzögerungsmöglichkeiten geschaffen. Würde eine erneute Befristung angesetzt, müsse man einen zumindest zeitweisen Bewilligungsverlust für das KKW Mühleberg in Kauf nehmen.
Bundesrichterin Aubry Girardin (Grüne) sah den Grund des langen Verfahrens hingegen in der Rechtsunsicherheit beim Uvek, die durch den zu fällenden Entscheid aber behoben werde. Demgegenüber erachtete Bundesrichter Thomas Stadelmann (CVP) eine Befristung aus einem anderen Grund als unangebracht, nämlich dass sie die Kernkraft nicht sicherer mache. Bundesrichter Yves Donzallaz (SVP) stimmte ebenfalls dem Referenten zu, indem er prägnant für die Verfahrensökonomie plädierte und ausführte, der Fall habe nicht annähernd so viel Kernenergie produziert wie Juristenenergie. Zudem fürchtete Bundesrichter Andreas Zünd (SP), dass eine Befristung kontraproduktiv wirken könnte, wenn die Betreiberin sich während der Frist in Sicherheit wiege. Die laufende Aufsicht sei auch ohne Befristung in der Lage, die Sicherheit des Reaktors zu gewährleisten. Bundesrichterin Aubry Girardin (Grüne) ging hingegen davon aus, dass die Befristung Druck auf die Betreiberin aufbaue, die Anforderungen gut zu erfüllen.

Es folgt ein zweiter Teil über den im gleichen Urteil gefällten Entscheid, dass praktisch nur die Aufsichtsbehörde Ensi befugt ist, das KKW Mühleberg aus Sicherheitsgründen abzustellen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Ensi

Atomaufsichtsbehörde Ensi

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi entscheidet darüber, ob AKWs noch sicher genug sind.

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Eine Meinung zu

  • am 25.04.2013 um 17:14 Uhr
    Permalink

    Ein interessanter Beitrag, wie im Bundesgericht entschieden wird. Die gleiche Geschichte könnte man jetzt über das Bundesverwaltungsgericht schreiben, welches die Betriebsbewilligung mit Urteil vom 1. März 2012 per Ende Juni 2013 befristet hatte. Die fünf Bundesverwaltungsrichter – 2 SP, 1 SVP, 1 CVP und 1 FDP – haben ja ebenso argumentiert wie die Bundesrichter. Wie haben wohl die Parteifarben dieser Richterinnen und Richter auf ihr Urteil abgefärbt?

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