Zwiespältige Liebe zu den Drohnen
Mit sichtlicher Mühe und zahlreichen Zusatzschlaufen rollt der Gripen Richtung Startbahn. Ob er je abheben wird, scheint immer fraglicher. Das zeigt der widersprüchliche Beschluss des Ständerates in der Frühlingsession 2013: Ja zum Kauf des neuen Kampfjets, nein zum Kreditbeschluss, also faktisch doch nein zum Gripen. Damit ist klar: Nicht nur die Linke, sondern auch einige bürgerliche Politiker stehen der Kampfjet-Beschaffung skeptisch bis ablehnend gegenüber. Bei bürgerlichen Gripen-Gegnern – und das ist das bemerkenswerte Nebenprodukt der Kampfjet-Debatte im Ständerat keimt eine zarte Drohnen-Euphorie auf.
Drohnen sollen Kampfjets ersetzen
Der Glarner SVP-Ständerat This Jenny, gewohnt angriffslustig auch gegenüber eigenen Parteiexponenten, hielt Bundespräsident und Verteidigungsminister Ueli Maurer in der Gripen-Debatte am 5. März 2013 entgegen: «Ich wage die kühne Behauptung, dass in fünfzehn Jahren niemand mehr bemannte Jets kaufen wird. Bei den unbemannten Jets wird man technische Fortschritte machen. Wie viel man schon heute damit machen kann, beweisen nicht zuletzt die Amerikaner.»
Auch die Aargauer FDP-Ständerätin Christine Egerszegi sagte gegenüber Medien, dass es beim Zeitpunkt der Gripen-Auslieferung kaum mehr bemannte Kampfjets geben werde, die Zukunft gehöre den Drohnen. Eine Einschätzung, die etwa auch vom Militär- und Strategieexperten Albert A. Stahel geteilt wird, wie er in mehreren Interviews bekräftigt hat. Im «Tages-Anzeiger» sagte er im Dezember 2012: «In zehn Jahren sind die heute im Einsatz stehenden Kampfflugzeuge veraltet, weil sie bis dahin von der Drohnentechnologie abgelöst werden.»
VBS: «Keine Kampfdrohnenpläne»
Alle Türen offen liess Ueli Maurer. Er antwortete den Drohnen-Förderern im Ständerat: «Wir wissen heute nicht, ob in zwanzig, dreissig Jahren der F/A-18 noch einmal durch einen Kampfjet abgelöst wird oder ob es dann unbemannte Flugkörper, Drohnen irgendwelcher Art, sein werden». Das tönt zumindest nicht nach einem kategorischen Nein.
Infosperber wollte deshalb etwas genauer wissen, welchen Stellenwert Kampfdrohnen in der langfristigen Rüstungsstrategie der Schweizer Luftwaffe haben. «Das Thema Kampfdrohnen ist ausserhalb des Betrachtungshorizonts des VBS», erklärt Kaj-Gunnar Sievert, Kommunikationschef von armasuisse, der für die Rüstung zuständigen Abteilung des VBS. Da es «keine Pläne und Optionen für die Ablösung der F/A-18 gibt, gibt es im VBS auch keine Optionen und Pläne, Kampfdrohnen zu beschaffen.» Trotzdem verfolge das Departement «generell technologische und militärische Entwicklungen im Ausland und zieht Rückschlüsse sowohl für die weitere Entwicklung der Armee und ihrer Systeme als auch für die Abwehr gegnerischer Systeme. Dies gilt auch für Aufklärungs- und Kampfdrohnen.»
Sechs Millionen für Drohnenforschung
Seit langem ist bekannt, dass die Schweiz zusammen mit anderen europäischen Staaten an der Weiterentwicklung von Drohnensystemen arbeitet. SP-Nationalrat Paul Günter schrieb bereits 2005 in einer Anfrage an den Bundesrat: «Unter der Leitung der Dassault Aviation entwickelt Frankreich mit Unterstützung weiterer Staaten die Kampfdrohne Neuron». Günter wollte wissen, wie und mit welchen finanziellen Mitteln sich die Schweiz daran beteilige. Das Gesamtprojekt belaufe sich auf rund 600 Millionen Franken, die Schweiz beteilige sich nur «marginal» mit rund sechs Millionen Franken, antwortete damals der Bundesrat.
Erfolgreicher Testflug
Zum Stand der Dinge hält armasuisse gegenüber Infosperber zunächst fest, dass es sich beim Projekt Neuron nicht um eine Kampfdrohne handle, sondern um einen «Technologie-Erprobungsträger». Das scheint allerdings eine Definitionsfrage zu sein: Sowohl Wikipedia wie auch deutsch- und englischsprachige Medien sprechen im Zusammenhang mit Neuron praktisch durchwegs von einer «Tarnkappen-Kampfdrohne» oder «Europe’s first Killer Drone». Armasuisse weiter: «Die Beteiligung der Schweiz beschränkte sich auf die Entwicklung eines Pantografen (Nutzlastaufhängevorrichtung) durch die RUAG Aerospace. Die Arbeiten sind abgeschlossen und die Teilnahme beschränkt sich zum heutigen Zeitpunkt nur noch auf die aktive Verfolgung der Tests und deren Resultate. Der Erstflug hat im Dezember 2012 in Südfrankreich stattgefunden, Resultate dürfen durch armasuisse nicht kommentiert werden.» Die Firma Dassault Aviation teilte im Dezember mit, der Flug sei erfolgreich verlaufen.
Als Erkenntnis-Destillat aus der leicht kryptischen VBS-Antwort ergibt sich: Man interessiert sich zwar durchaus für bewaffnete Drohnen, aber so richtig erkennen kann man sie auf dem Radar des Verteidigungsdepartements noch nicht. Ob das tatsächlich so ist, oder man im VBS strategische Überlegungen zu bewaffneten Drohnen so lange nicht an die grosse Glocke hängen will, bis die Gripen-Beschaffung unter Dach und Fach ist, bleibe dahingestellt. Bei bewaffneten Drohnen stellen sich einige äusserst heikle strategische und ethische Fragen (siehe unten). Der Schweiz würde es jedenfalls gut anstehen, grundsätzliche Zurückhaltung zu üben.
Anders verhält es sich bei Aufklärungsdrohnen: Solche stehen seit über zwölf Jahren im Einsatz. Derzeit läuft die Evaluation eines neuen Typs dieser unbemannten und unbewaffneten Flugzeuge. Im Herbst 2012 sind auf dem Militärflugplatz Emmen Flugtests durchgeführt worden (Link siehe unten). Die zwei in der engeren Auswahl stehenden Systeme stammen beide aus Israel. Gemäss VBS-Website ist die Typenwahl für die erste Hälfte 2014 vorgesehen.
Deutschland debattiert Kampfdrohnenkauf
In Deutschland läuft derzeit eine intensive Auseinandersetzung über die Anschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr. Die Pläne von Verteidigungsminister Thomas de Maizière sind allerdings auch in der eigenen Fraktion, der CDU, umstritten. Begleitet wird die Diskussion auch von einer Ethikdebatte. Man beschäftigt sich mit Fragen wie: Sind Drohnen einfach nur die nächste technisch mögliche Waffenentwicklung? Oder verändern sie die Kriegsführung grundsätzlich?
In tiefschürfender Weise geht diesen Fragen ein Blog nach, der bei der Professur für Internationale Organisation an der Goethe-Universität Frankfurt am Main angesiedelt ist. Dort äussern sich eine Reihe namhafter Strategieexperten, Konfliktforscher und Politikwissenschaftler wie etwa Herfried Münkler zur Frage, ob Drohnen ethisch bedenklich seien (Link siehe unten). Einige wichtige Punkte aus der Debatte (zum Teil direkt zitiert):
– Bei Drohnenangriffen ist immer öfter unklar, wer der Angreifer ist. Insofern ist die Drohne eher eine Waffe des Geheimdienstes als des Militärs. Sie löst damit aber auch die Grenze zwischen Krieg und Frieden auf. Das ist gefährlich, weil sie jene Grenzziehung aufweicht, die bisher zum Grundgerüst der internationalen Sicherheitsarchitektur gehört hat.
– Dahinter versteckt sich ein lange Zeit unbeachteter Strategiewechsel der USA unter Präsident Barack Obama: Keine massiven Militärinterventionen mehr zur Terrorbekämpfung, sondern selektive und omnipräsente Bekämpfung von Terrorverdächtigen mit Drohnen. Drohnen bekämpfen Terroristen mit ihren eigenen Methoden. Dies sei die «resymmetrierende Antwort auf die asymmetrische Herausforderung des Terrorismus.» Weil dadurch die Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden aufgelöst wird, folgt diese Strategie den Vorgaben des Terrorismus.
– Die Drohne wird sich als Waffe des 21. Jahrhunderts durchsetzen, weil sie die Waffe des postheroischen Zeitalters ist: Sie bringt ein hohes Mass an Sicherheit, ohne dass man selbst grosse Opfer bringen muss.
– Drohnen sind das bisher am weitesten entwickelte robotische Waffensystem. Damit stellt sich die ethische Frage des vollautomatisierten Tötens.
– Das Hauptproblem des automatisierten Tötens besteht nicht nur darin, dass Maschinen Menschen töten, sondern dass sie auch die Entscheidung über Leben und Tod eigenständig treffen. Maschinen wird es immer an einer fundamentalen menschlichen Eigenschaft fehlen: der Empathie. Sie ist eine der stärksten Hemmnisse in Bezug auf das Töten.
– Einem der Autoren fällt auf, dass US-Präsident Barack Obama noch nie eine Rede zu seiner drastischen Ausweitung des Drohnenkrieges gehalten hat. Das ist unüblich, denn normalerweise gibt es zu jedem Krieg, den die USA führen, eine Grundsatzrede über Kriegsgründe, Ziele und Art des Gewalteinsatzes. Die Frage der Verantwortung beim Drohneneinsatz stellt sich in besonderer Weise, weil es schwierig ist, sie konkreten menschlichen Handlungen zuzuordnen; die «Verantwortungsdiffusion» in der Sicherheitspolitik nimmt zu. «Vielleicht ist Barack Obama auch deshalb so schweigsam, weil er weiss, dass letztlich er selber für die gezielten Tötungen durch Drohnen verantwortlich ist.»
– Die sicherheitspolitischen Folgen des Drohnenbooms könnten äusserst unberechenbar sein. Die Militärgeschichte lehrt, dass nicht unbedingt jener am Schluss im Vorteil ist, der eine Waffe als erster entwickelt und anschafft, sondern jener, der die Waffe unkonventionell und überraschend einzusetzen weiss. Noch hat der Westen faktisch ein Drohnenmonopol. Was aber, wenn sich die Waffe allgemein verbreitet? Etwa auch unter Terroristen? Wenn schwer lokalisierbare Drohnen gezielt gegen (westliche) Politiker, gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden? «Wer sich heute voreilig für bewaffnete Drohnen ausspricht, bereitet damit einen Weg, der uns blind in zahlreiche gefährliche Unwägbarkeiten hineinführt.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Das lässt nichts Gutes ahnen. So wird Krieg und auch Kontrolle immer mehr entpersönlicht. Schlussendlich kann die Seite, die das losgelöst hat, nicht mal mehr identifiziert werden. Das leistet dem Krieg aller gegen alle Vorschub.
Kriege scheinen für absehbare Zeit zum politischen Arsenal der Menschheit zu gehören. Wer Krieg führt, will seinen Gegner schwächen und ausschalten durch Eliminierung seiner Kampfkraft, muss also töten oder schwer verletzen. Drohnen töten Gegner ohne dass dabei eigene Kampfkraft, also Soldaten, geopfert werden müssen. Der Deutsche Wernher von Braun, später «Vater der amerikanischen Weltraumfahrt» genannt, hat mit seiner V1 und den Nachfolgetypen dieser Rakete vorgemacht, wie man britische Städte flachbombardiert, ohne deutsche Soldaten nach England bringen zu müssen. Zum Glück hat Brauns Vorgesetzter Hitler am Schluss seine Kriegsziele trotzdem nicht erreicht. Aber der Preis an Soldaten und Zivilisten blieb mit Dutzenden von Millionen unbeschreiblich hoch. Wir müssen bei der Güterabwägung zur Frage der Kampfdrohnen zwei Dinge im Auge behalten: werden Kriege mit Drohnen leichtfertiger vom Zaun gebrochen oder werden – offenbar immer noch unvermeidliche – Kriege mit weniger zivilen Opfern führbar, weil kämpfende Einheiten präziser getroffen werden können? Von Ethik kann nach dem Kriegsbeginn ohnehin nur noch am Rande die Rede sein. Ihre Chancen hat man vor Beginn vertan.
Peter Graf, Wabern
Vielleicht würde sich heute ein Blick in den SPIEGEL lohnen. DAS WIRD KEINE REKLAME.
Man braucht ihn nicht zu kaufen – er liegt sicher in jedem Wartezimmer auf.
Da steht drin, dass das deutsche Beschaffungsprogramm für die Drohne EUROHAWK definitiv abgestürzt ist und der Verteidigungsminister wohl bald folgen wird.
Grund: EUROHAWK hat kein Kollisions-Warnsystem und wird daher in Europa nie zugelassen werden.
Haben denn die israelischen Drohnen, die das VBS in der Vorauswahl hat, ein Eurocontrol-genehmes Warnsystem? Sie sollen ja dann auch die (deutsche) Grenze abfliegen. Wenn nicht, dann hätten WIR den Vorteil, das Programm jetzt noch billig abzubrechen.
Gruss
Werner T. Meyer
PS: wo fliegen US GLOBAL Hawks heute ?