In Myanmar regieren weiterhin die Militärs
Menschenrechtsorganisationen üben scharfe Kritik am aktuellen Ausbau der deutschen Kooperation mit dem Regime in Myanmar. Entgegen Mainstream-Berichten in den westlichen Medien habe sich die Situation in dem südostasiatischen Land seit dem Beginn der angeblichen Demokratisierung nicht wirklich verbessert, bekräftigt die Menschenrechts-Aktivistin Zoya Phan. Weiterhin hielten die Militärs in Naypyidaw die Macht in Händen; die Menschenrechtslage habe sich teilweise sogar verschlechtert.
Berlin hingegen hat seine Kritik daran weitgehend eingestellt, seit das Regime sich gegenüber dem Westen geöffnet hat und dessen Einflussstreben bedient. Deutsche Kulturinstitute sowie parteinahe Stiftungen werden mittlerweile mit offenen Armen empfangen, deutsche Unternehmen verzeichnen neue Geschäftserfolge. Hintergrund der deutschen Aktivitäten ist, wie es in einer Analyse der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung heißt, die außerordentliche geostrategische Bedeutung Myanmars für die Volksrepublik China. Die Öffnung des Landes ermöglicht es dem Westen, auf es Einfluss zu nehmen und die Stellung Beijings im Nachbarland auf lange Sicht empfindlich zu schwächen.
Wichtig für China
Myanmar sei für China «vor allem aufgrund von geostrategischen und energiepolitischen Überlegungen von Bedeutung», heißt es in einer neuen Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bislang sei die Volksrepublik darauf angewiesen, Erdöl sowie Flüssiggas aus dem Mittleren Osten per Schiff durch die Straße von Malakka zu transportieren – eine Meerenge, die spürbar westlicher Kontrolle unterliegt. Beijing baue zur Zeit jedoch eine Gas- und eine Ölpipeline vom myanmarischen Kyaukpyu an der Küste des Indischen Ozeans nach Kunming in Südwest-China, die es künftig erlauben werde, den Transport durch die empfindliche Straße von Malakka ganz erheblich zu reduzieren.
«Dadurch würde sich Chinas Energiesicherheit deutlich erhöhen», schreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung: Bislang habe der Westen auf Myanmar noch deutlich weniger Einfluss als auf die Straße von Malakka. Myanmar sei darüber hinaus auch deswegen für Beijing von großer Bedeutung, weil es als Kooperationspartner zur Entwicklung des angrenzenden chinesischen Südwestens gelte; besonders Chinas Südwest-Provinz Yunnan erhoffe sich von Geschäften mit dem Land einen starken Aufschwung.
Die pazifische Wende
Wie die Konrad-Adenauer-Stiftung weiter schreibt, sind mit der angeblichen Demokratisierung Myanmars, die seit geraumer Zeit unter lautem Beifall des Westens vollzogen wird, weitreichende Umbrüche verbunden. Sie beziehen sich jedoch weniger auf die inneren Herrschaftsverhältnisse. «Die meisten ‹zivilen› Abgeordneten» des heutigen Parlaments seien «ehemalige Militärs», gibt die Adenauer-Stiftung zu, «so dass der Eindruck entstand, dass sich durch die Wahl an den politischen Machtverhältnissen nichts geändert hat». Die Menschenrechts-Aktivistin Zoya Phan von der Burma Campaign UK bestätigt das: «Wir haben immer noch eine autoritäre Herrschaft unter einem zivilen Deckmantel. »
Geändert hat sich jedoch, dass das Regime in Naypyidaw sich gegenüber dem Westen geöffnet hat. «Durch die schnelle Annäherung an die USA, die EU und Japan» werde «Chinas Einfluss nun deutlich zurückgedrängt», urteilt die Adenauer-Stiftung. Der «Eindruck», die neuen Aktivitäten etwa der Vereinigten Staaten in Myanmar stünden im Zusammenhang mit ihrer pazifischen Wende, werde durch Äußerungen amerikanischer Politiker klar bestätigt. Bei der pazifischen Wende, die Washington Ende 2011 offiziell verkündet hat, handelt es sich schlicht um das Bestreben, den Konkurrenten China in seinem unmittelbaren Umfeld zu bedrängen.
Die Militärs an der Macht
Dass Berlin, das noch vor wenigen Jahren nicht vor der Forderung nach einer «Menschenrechts-Intervention» in Myanmar zurückscheute, heute direkt die Aufhebung der Sanktionen fordert, stößt bei Menschenrechtlern auf scharfe Kritik. Damit unterminiere Deutschland die Reformen in Myanmar und begünstige sogar künftige Menschenrechtsverbrechen, warnt Zoya Phan, eine Exil-Aktivistin von der Burma Campaign UK. In der Tat seien nicht nur die Militärs weiterhin in Naypyidaw an der Macht; es gebe auch weiterhin diverse politische Gefangene, repressive Gesetze und vor allem einen äußerst brutalen Krieg des Militärs gegen ethnische Minderheiten.
Die Menschenrechtssituation sei allenfalls in Teilbereichen besser, insgesamt aber sogar schlechter geworden, seit die angebliche Demokratisierung unter lautem Beifall des Westens begonnen habe, sagt Zoya Phan. Die Berliner Behauptung, man trete stets für die Menschenrechte ein, wird bei der Burma Campaign UK müde belächelt. Dort erinnert man sich noch bestens daran, wie im Jahr 2011 knapp 20 Menschenrechts-Aktivisten mit Transparenten vor die deutsche Botschaft in London ziehen wollten, um dort gegen die Kooperation Berlins mit dem Regime in Naypyiday zu protestieren.
Die Botschaft habe – für britische Verhältnisse durchaus unüblich – bewaffneten Polizeischutz gegen die 20 friedvollen Menschenrechtler angefordert und verlangt, die Kundgebung auf die andere Straßenseite zu verlegen – in gebührende Entfernung von der diplomatischen Vertretung desjenigen Staates, der sich stolz als ein unerschütterlicher Kämpfer für die Menschenrechte in aller Welt geriert, diese allerdings nur dann einfordert, wenn es zugleich seiner Machtpolitik dient, und bei Verbündeten noch jede Repression toleriert.
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Dieser Artikel ist die gekürzte Fassung eines Beitrages, der auf der Plattform «german-foreign-policy.com» erschienen ist.
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