Grundwasser wird übernutzt und die Wüsten trocknen
Die Grundwasserreserven in den fruchtbaren Regionen am Euphrat und Tigris, die an sich sehr wasserreich sind, sanken in den letzten Jahren gewaltig. US-amerikanische Forscher haben mithilfe von Satelliten herausgefunden, dass ganze Landstriche in der Türkei, dem Irak, dem Iran und in Syrien betroffen sind. Dort fehle die Wassermenge von 144 Kubikkilometern, was einer Menge von etwa drei Bodenseen entspricht. Der Geograf Yoshihide Wada von der Universität Utrecht gab in der NZZ zu bedenken, dass heute sogar noch weniger nutzbares Grundwasser vorhanden ist, als es die US-Forscher schätzen. Was diese Entwicklung zu einer Zeitbombe macht: Sechzig Prozent dieses Wassers fehlt in Grundwasserreserven, die sich teilweise nicht erneuern können.
Dass ausgerechnet entlang der beiden wichtigsten Lebensadern der Region das Grundwasser zurückgeht, ist nicht wirklich überraschend. So hat die Türkei seit den 1980er-Jahren damit begonnen, Staudämme auf ihrem Hoheitsgebiet zu errichten und damit den sogenannten Unterliegern – in erster Linie ist der Irak betroffen – buchstäblich den Tropf abgestellt. Seither muss der Irak seine eiserne Reserve anzapfen: das Grundwasser. Über tausend Brunnen sollen im Zweistromland laut Regierungsangaben in den letzten Jahren gebaut worden sein. Zusammen mit den illegal gebauten dürften es noch viele weitere sein.
Streit um internationales Wasserrecht
Ein Bericht des unabhängigen amerikanischen National Center for State Courts (NCSC) an die Bush-Administration hatte 2002 festgestellt, dass insbesondere im Nordirak und auf der rechten Euphratseite qualitativ hochwertige Wasserreserven vorhanden sind. Und dies in einer geringen Tiefe ab fünf Metern. Diese Vorkommen konnten mit relativ wenig Aufwand angezapft werden, seit das Wasser aus dem Norden ausbleibt.
In der politisch instabilen Region fehlen Massnahmen, um mit den Fliessgewässern und dem Grundwasser schonend umzugehen. Die einzelnen Staaten legen das internationale Wasserrecht jeweils zu ihren Gunsten aus. In den Staaten selber fehlen die Ressourcen, um das Wasser rationell zu verwalten. Das zeigt auch das Beispiel Indien, wo die Grundwasserspiegel weltweit am stärksten sinken.
Saudi-Arabien baut Wasser ab
Das stets tiefere Bohren nach Grundwasser birgt gefährlichen Zündstoff: Rund um den Globus sinken die Grundwasserbestände. Oft, weil wegen intensiver Landwirtschaft nach dem Süsswasser im Boden gebohrt wird. Immer tiefer, je mehr gebraucht wird und je mehr es schwindet. Entgegen der verbreiteten Meinung ist Wasser jedoch längst nicht überall eine erneuerbare Ressource. Wenn das vor Jahrtausenden gesammelte Grundwasser so tief liegt, dass Niederschläge es nicht oder nur geringfügig auffüllen, regeniert sich das Grundwasser nicht oder nur über eine sehr lange Zeitdauer. Man spricht in diesem Fall von fossilem Wasser.
Beispiele dafür sind Saudi-Arabien und Nordafrika. Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit stellte warnend fest, dass dort für die Versorgung von Landwirtschaft und Bevölkerung mit Trinkwasser schon heute stark auf Grundwasserreserven zurückgegriffen wird. Daher sei die Nutzung unweigerlich mit einem dauerhaften Verlust an wertvollem Wasser und in der Folge mit einem Absinken des Grundwasserspiegels verbunden. Und weil es in diesen Regionen kaum regnet, können sich die Grundwasserreserven nicht erholen. In Ländern wie Saudi-Arabien, aber auch in Nordafrika kann von einem bleibenden Wasserabbau gesprochen werden.
Globales Problem
Dabei ist das Problem mit dem sinkenden Grundwasser bekannt und mitnichten nur lokal auftretend. In China ebenso, wie in Nordhessen und – wie die jüngste Studie zeigte – im Nahen Osten ist der Rückgang messbar.
Die Dimension des Problems wird deutlich, wenn man sich folgenden Vergleich vor Augen führt: Das im Nahen Osten verloren gegangene Wasser entspreche der Menge des in den letzten zehn Jahren in Grönland geschmolzenen Eises, sagte der deutsche Geograf Frank Flechtner gegenüber Radio SRF. Diese Menge Grundwasser gelangt ins Meer und verursacht damit zweifachen Schaden: Erstens steigt der Meeresspiegel und bedroht flache Küstenregionen. Und zweitens ist das wertvolle Grundwasser dadurch erstmal versalzen und vorläufig unbrauchbar. Die Trinkwasseraufbereitung aus Meerwasser, wie sie etwa in der Golfregion im grossen Stil praktiziert wird, ist extrem ressourcenintensiv und nur von reichen Staaten finanzierbar.
Das Trinkwasserproblem ist ein globales und müsste deshalb auch global angegangen werden. Neben dem Kampf um die verbleibenden fossilen Energiereserven entstehen sonst zunehmende Konflikte um verbleibende, nicht regenerierbare Reserven an Trinkwasser.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Der springende Punkt beim Wasserverbrauch ist nicht angepasste Landwirtschaft. Seit Jahrtausenden hatte sich eine Landwirtschaft entwickelt, die mit dem Wasser umzugehen wusste, mit Kultursorten, die auch mit wenig Wasser gedeihen und reifen, oder die in kurzen feuchten Jahreszeiten ausreifen konnten. In trockenen Gebieten wurde traditionell oft Hirse gegessen. Doch als die westliche (v.a. US-) Lebensmittelhilfe sackweise Mais verteilte, war die traditionelle und trocken-resistentere Hirse nicht mehr gefragt.
Oder statt Flachs wollte unbedingt die wasserbedürftige Baumwolle angebaut werden.
Oder Hochertragsweizen, der nur mit viel Wasser, Kunstdünger und Pestiziden gedeiht.
Die heutige Landwirtschaft ist ein Moloch, der mehr Ressourcen verschlingt, als er Ertrag gibt und zudem den fruchtbaren Humus vernichtet.
Angepasste Methoden, Biolandbau, Permakultur können heute noch retten, morgen wird es zu spät sein.