Leuthard_Amherd

Energieministerin Leuthard und Nationalrätin Amherd: Die Energiewende harzt. © admin/parlament

Leuthards Energiewende in der CVP-Provinz (1)

Kurt Marti /  Bundesrätin Doris Leuthard predigt den Atomausstieg und die Energiewende. Doch die Bremser sitzen in der CVP-Provinz. (Teil 1)

Auf der Sonnenterrasse hoch über dem Rhonetal etwas unterhalb der Riederalp liegt der Weiler Oberried in der Gemeinde Bitsch. Hier scheint die Sonne auch dann ungetrübt vom stahlblauen Himmel, wenn im Herbst und Winter das Mittelland wochenlang unter einer dicken Nebeldecke versinkt. Diesen Standortvorteil wollten auch Christian Fux und Paul Weber nutzen und investierten in eigene Solarstromanlagen. Doch sie haben die Rechnung ohne die Solarstrompolitik des Kantons, insbesondere jene des regionalen Elektrizitätswerkes Energie Brig Aletsch Goms (EnBAG) gemacht.

Die Solaranlagen von Fux und Weber sind Teil einer Gruppe von Solaranlagen auf insgesamt 18 privaten Dächern, welche 2011 im EnBAG-Gebiet (siehe Link unten) ans Netz gingen. Zusammen bringen die Solaranlagen eine Leistung von 860 kW und eine Stromproduktion von rund 1 GWh. Die Solarproduzenten wurden auf die KEV-Warteliste gesetzt und müssen bis zu drei Jahre auf die KEV-Vergütung warten, welche ab dem 1. Oktober 2012 im Schnitt 31 Rp./kWh beträgt.

Massive Tarifreduktion durch die EnBAG

Für die Übergangsphase hatten die Solarproduzenten bis zur KEV-Vergütung mit einem Tarif von 15 Rp./kWh gerechnet. Laut Auskunft der Solarproduzenten wurde dieser Tarif mündlich mit der EnBAG vereinbart. Auf dieser Basis gewährten die Banken auch die Hypotheken. Doch dann kam die Hiobsbotschaft der EnBAG. Überraschend teilte sie den Solarproduzenten in einem Brief vom 6. April 2012 mit, dass für die Anlagen mit einer Leistung von mehr als 3 kW der Rückliefertarif von 15 Rp./kWh auf durchschnittlich rund 8,5 Rp./kWh abgesenkt werde, und zwar rückwirkend auf den 1. April.

Als Begründung für die Tarifreduktion verwies die EnBAG auf die Empfehlungen des Bundesamtes für Energie (BFE) vom Februar 2010. Was jedoch die EnBAG als empfohlenen Höchstpreis ausgab, ist in der BFE-Empfehlung ein Mindestpreis. Das BFE hält in seinem Schreiben vom Februar 2010 ausdrücklich fest: «Höhere Vergütungen sind möglich.» Urs Wolfer, Bereichsleiter Photovoltatik beim BFE, hält dazu lakonisch fest: «Wenn man nichts machen will, erklärt man das Minimum zum Maximum.»

«Mein Vertrauen in die EnBAG ist auf dem Nullpunkt»

Bei den betroffenen Photovoltaik-Produzenten rief diese offensichtliche Abschreckungspolitik der EnBAG harsche Kritik hervor. Für sie kam die Tarifreduktion der EnBAG wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Christian Fux, der im Weiler Oberried eine Solaranlage mit einer Jahresproduktion von rund 35 000 kWh baute, fühlt sich von der EnBAG «verarscht». «Mehrere Anlagenbesitzer haben mir mitgeteilt, dass sie in Kenntnis dieser Fakten auf keinen Fall eine Anlage gebaut hätten.» Fux übt nicht nur Kritik an der plötzlichen Tarifabsenkung, sondern auch an der «schwierigen Kommunikation» mit der EnBAG und «dass im Bereich Photovoltaik so gut wie gar kein Fachwissen vorhanden ist».

Auch Paul Weber, der ebenfalls im Weiler Oberried eine 7 kW-Anlage baute, fühlt sich von der EnBAG verschaukelt. In einem Brief an die EnBAG schreibt er: «Mein Vertrauen in die EnBAG ist auf dem Nullpunkt, und ich bin wohl nicht der Einzige. Wir alle in der Region haben darauf vertraut, dass die Aussage stimmt, es würden im Übergang zu den Beiträgen der KEV 15 Rp./kWh entrichtet.» Damit habe die EnBAG erreicht, dass «der Schwung bei den Privaten in der Region gebrochen ist.» Er spüre seit einiger Zeit, «dass das politische Lobbying der Elektrizitätsindustrie dahin geht, dem Schweizer Volk zu beweisen, dass es nur ein Lösung gibt: Die Atomenergie».

«Will die EnBAG überhaupt Solarstrom fördern?»

EnBAG-Direktor Paul Fux, welcher Ende 2012 in den Ruhestand trat, war zu keiner Stellungnahme bereit und hängte den Hörer kurzerhand auf. Die Nerven bei der EnBAG liegen offenbar blank. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem regionalen Stromverteiler wächst.

Laut Urs Wolfer vom BFE ist die Absenkung der Rückliefertarife durch die EnBAG «rechtlich in Ordnung». Was die nachträgliche Absenkung der Tarife auf den 1. April 2012 betrifft, hängt dies laut Wolfer «davon ab, was im Tarifblatt der EnBAG drinsteht. In der Regel steht dort, dass die Tarife jederzeit den neuen Marktgegebenheiten angepasst werden können.» Neben der rechtlichen Seite gibt es aber noch einen moralischen Aspekt. Dazu hält Wolfer fest: «Die Solarproduzenten haben auf die mündliche Zusicherung von 15 Rp./kWh durch die EnBAG vertraut. Wenn nun die EnBAG diesen Tarif im Nachhinein plötzlich absenkt, dann ist das nicht die feine Art.» Laut Wolfer stellt sich deshalb die Frage: «Will die EnBAG überhaupt Solarstrom fördern?»

Verwaltungsrat ist ein Biotop der CVP

Fakt ist: Die EnBAG setzt ihre Priorität auf den Ausbau der Wasserkraft. Das neuste Projekt, das die EnBAG verfolgt, ist ein Wasserkraftwerk mitten im Unesco-Welterbe Jungfrau-Aletsch. Der Verwaltungsrat der EnBAG ist ein Biotop der CVP und der Präsidenten der beteiligten Gemeinden. Im letzten Sommer gab der ehemalige CVP-Ständerat Rolf Escher das Präsidium nach 15-jähriger Amtszeit an Renato Kronig weiter, einem Anwalt aus den Reihen der CVP. Vizepräsidentin des EnBAG-Verwaltungsrates ist die Oberwalliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd. Weitere C-Vertreter im Verwaltungsrat sind Manfred Holzer, Gemeindepräsident von Naters, Anton Karlen, Gemeindepräsident von Bitsch und Herbert Schmidhalter, Alt-Gemeindepräsident von Ried-Brig. Diese Verwaltungsräte haben am 16. März 2012 unter dem VR-Präsidium von Rolf Escher die massive Absenkung der EnBAG-Rückliefertarife abgesegnet.

So sieht also der von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard und CVP-Präsident Christoph Darbellay gross ausgerufene Atomausstieg in den Stammlanden der CVP konkret aus: Dort sitzen CVP-Nationalrätin Viola Amherd und die CVP-Gemeindepräsidenten der Region im Verwaltungsrat des regionalen Elektrizitätswerkes, um initiative Solarstromproduzenten wie Christian Fux und Paul Weber mit Niedrigtarifen abzuschrecken. Bei der CVP-dominierten EnBAG ist Leuthards Energiewende jedenfalls noch nicht angekommen.
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Dieser Artikel ist im Greenpeace Magazin vom Dezember 2012 erschienen. (Siehe Teil 2)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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2 Meinungen

  • am 10.01.2013 um 12:15 Uhr
    Permalink

    Die CVP wird ihre Macht auch im Wallis mehr und mehr an die SVP abgeben müssen, was leider gar keine Besserung erwarten lässt.
    Wie sind denn die Möglichkeiten, wie sie im Schwarzwald errungen wurden?
    http://www.ews-schoenau.de/
    Es gibt doch im Oberwallis schon eine beachtliche PV-Produktion, könnten die Produzenten nicht selbst zum Stromversoger werden?
    Wir haben deutlich mehr Glück, uns zahlt das EW in der KEV-Wartezeit 35 Rp. (im 2011 waren es noch 45 Rp.) Die Rechnung geht allerdings auch hier nicht auf, denn die EW wollen den sauberen Solarstrom zu übersetzten 80 Rp an Gutmenschen verkaufen, soviele (dumme?) Gutmenschen gibt es nicht, und so kann «bewiesen» werden, dass niemand den soooo teuren Solarstrom kaufen will. Im Gegensatz zu dieser Abzockerei wird der Atomstrom stark subventioniert, aber kaum jemand will das wissen!
    Ein mutiker Schritt in autarke Inseln kann zum starken Zeichen für die Ewiggestrigen werden.

  • am 18.03.2013 um 17:00 Uhr
    Permalink

    Das frühere EW Steffisburg, das heute Netzulg AG heisst, war eine Solarstrombörse-Pionierin. Später kamen Produkte der BKW dazu, z.B. Windstrom vom Mont Soleil. Bis letztes Jahr konnten wir noch zertifizierten Ökostrom (naturemade water star) für 3.6 Rappen/kWh Aufpreis kaufen; dieses Jahr gibt es keinen bestellbaren Ökostrom mehr. Stattdessen gibt es ein einziges Alternativ-Produkt: «Erneuerbare Energie» für 1.6 Rappen/kWh Aufpreis, also gewöhnlichen Wasserstrom inklusive einen kleinen unspezifizierten Anteil Oekostrom.
    Obwohl ich das eher als Rückschritt betrachte, kann man immerhin für 1.6 Rappen/kWh auf direkten Atomstrom verzichten, was z.B. die Gemeindeverwaltung selbst tut in eigenen Gebäuden und bei der Strassenbeleuchtung.
    Die Bremser hier sind nicht bei der CVP zu suchen (die gibt es gar nicht), sondern es sind wir alle. Zu keinem Zeitpunkt war es der Netzulg möglich, allen Oekostrom zu verkaufen und auch heute ist über die Hälfte des Stroms Atomstrom, trotz den günstigen Alternativen.

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