Die grosse Angst vor der Schweizer Waffenlobby
Nach der schlimmen Bluttat von Daillon im Wallis fordern jetzt auch SVP-Spezialisten eine bessere Kontrolle der über 2 Millionen von Kleinwaffen in Schweizer Haushalten: «Die Polizei muss endlich wissen, wer welche Waffen besitzt», zitiert die Zeitung «Le Temps» den Neuenburger SVP-Nationalrat Yvan Perrin. Perrin war Polizeiinspektor und sitzt heute für seine Partei in der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK).
Waffenregister wäre kein grosser Aufwand
«Wissen, wer welche Waffen besitzt», könnte die Polizei problemlos mit einem zentralen Waffenregister beim Bund. Das wäre heute elektronisch ohne grossen Aufwand machbar: Das Bundesamt für Polizei im Departement Sommaruga (EJPD) hat ja schon eine Internet-Waffenplattform namens «Armada», auf der zuhanden der kantonalen Polizeien alle Personen registriert sind, denen Waffen weggenommen oder Waffenerwerbsscheine verweigert worden sind.
Hier könnte der Bund ohne viel Aufwand ein elektronisches Formular anbieten zur Selbstdeklaration von Kleinwaffen (Gewehre, Pistolen, Revolver) in Privathaushalten. Waffenhändler, die heute schon alle Neuverkäufe bei der Kantonspolizei registrieren müssen, könnten da ohne Mehraufwand eine Kopie absetzen. Und den Besitzern der rund 2,3 Millionen Privatwaffen im Land würde eine Frist gesetzt, innert der sie ihr «Arsenal» mit Waffentyp, Marke, Kaliber und Nummer unter ihrer Adresse auf dem Formular dem Bundesamt melden müssten.
Für eine Schrotflinte und einen Revolver etwa gäbe das keine fünf Minuten Aufwand. Nach Ablauf der Frist –von sechs Monaten beispielsweise – wären alle nicht registrierten Waffen unter Strafandrohung illegal. Halterwechsel wären ebenfalls problemlos online registrierbar – und durch die Polizei kontrollierbar.
Ständerat und Kantone sabotieren Register
Im März 2009 hatte der Nationalrat auf eine Motion des Zuger Grünen Josef Lang hin schon knapp für die Schaffung eines solchen «zentralen Waffenregisters» votiert. Doch der Ständerat versenkte die Vorlage im Herbst darauf am 10. September gleich wieder. Ein gesamtschweizerisches Register «brächte nichts», argumentierte in der Debatte der Walliser CVP-Ständerat und «Wolf-Jäger» Jean-René Fournier. Und auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, damals noch Justizministerin, wehrte sich gegen das Register.
Vor der Abstimmung über die linke Waffenschutz-Initiative versprachen die Kantone dann, ihre Informationssysteme über Waffenbesitzer würden schnell schweizweit vernetzt. Das war mit ein Grund dafür, dass die Initiative im Februar 2011 vom Volk abgelehnt wurde. Doch geschehen ist kaum etwas: Die kantonalen Datenbanken, die ohnehin nur «Neubesitzer» von Schusswaffen erfassen, sind noch immer nicht vernetzt und für alle Polizeien zugänglich.
Angst vor der Waffenlobby
Dabei steht heute fest, dass ein gesamtschweizerisches Waffen-Informations-System etwa den Massenmord im Zuger Parlament vom 27. September 2001 (14 Tote und 18 Verletzte) höchstwahrscheinlich hätte verhindern können. Aber ein «zentrales Waffenregister», wie es der «Tages-Anzeiger» jetzt wieder gross angekündigt hat, ist nicht in Sicht. Die nationalen Sicherheitspolitiker die an einer SiK-Sitzung am Montag fünf Motionen zum Waffenrecht diskutierten, fordern erneut nur «eine bessere Vernetzung» der kantonalen Waffenregister.
Dabei behaupten die Kantone in einem Brief an die SiK, es fehle ihnen dazu die Rechtsgrundlage. Die Angst vor der Waffenlobby, die das Register strikt ablehnt, weil dieses «nur viel Geld kostet» (Pro-Tell-Präsident Willy Pfund) ist allgegenwärtig. Auch bei der Justizministerin: SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga plant jedenfalls kein zentrales Waffenregister mit Meldepflicht für alle Waffenhalter im Land. Nur gerade eine verbesserte «Markierung» neu verkaufter Schusswaffen hat sie dem Bundesrat vorgeschlagen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine.
Offensichtlich sind auch die sogenannten Befürworter aus unerfindlichen Gründen nicht wirklich an einem Register interessiert. Das lächerliche Argument der Gegenseite, die übrigens mit ihren teilweise chancenlosen und provokativen Initiativen Kosten in Millionenhöhe verursacht, wäre ja leicht zu entkräften. Wenn nur ein einziger Fall von Gewalt mit Waffen oder illegaler Waffengebrauch dadurch verhindert wird, können die enormen Folgekosten durch Polizeiarbeit und Gerichte «gespart» werden. Eigentlich können ja nur Personen mit illegaler und krimineller Absicht gegen ein solches Register sein!