In Österreich hätte Beat Feuz weniger gelitten
Leider kann Beat Feuz erst jetzt nach seiner Entlassung aus dem Berner Inselspital – nach fünf Operationen mit Vollnarkose – nach Innsbruck ziehen, wo seine Freundin und Ex-Skirennfahrerin Kartrin Triendl wohnt.
Seine Knieverletzung hatte den Start am Weltcup-Riesenslalom in Sölden Ende Oktober kurzfristig verunmöglicht. Wäre er – wie in Österreich üblich – in eine österreichische Universitäts-Klinik eingewiesen worden, hätten ihn sogleich Spezialisten verschiedener ärztlicher Fachrichtungen untersucht, diagnostiziert und dann einer Behandlung zugewiesen. Beat Feuz wäre vieles erspart geblieben.
Doch Feuz wurde ins Berner Hirslanden-Spital Salem eingewiesen, wo er lange drei Wochen ungenügend diagnostiziert und behandelt wurde.
Den prominenten Patienten verlegten die Salem-Ärzte erst ins Universitätsspital Insel, nachdem sie am Ende ihres Lateins waren. Feuz-Manager und -Vermarkter Giusep Fry warf dem Hirslanden-Spital laut «Bund» vor, dass «längst klar gewesen» sei, dass die dortigen Ärzte «überfordert» waren.
Erst im Inselspital wurde Feuz von Spezialisten aus sechs Spital-Abteilungen behandelt: Orthopäden, Infektiologen, Röntgenärzte, interventionale Radiologen und Gefässchirurgen waren beteiligt.
Der Fall von Beat Feuz deckt eine grosse Schwäche des Schweizer Gesundheitssystems auf, wie Infosperber berichtete.
Beat Feuz ist Opfer unseres Spitalangeborts (Artikel vom 27. November)
Statt komplizierte Krankheitsbilder in dafür spezialisierten Spitälern zu behandeln, streiten sich viel zu viele Regional- und kleinere Privatspitäler um Patientinnen und Patienten. Kranke und Verletzte werden über die Qualität der Behandlungen im Ungewissen gelassen und wählen ahnungslos das Spital aus, das am nächsten liegt oder dessen Zimmerausstattung und Verpflegung einen guten Ruf haben.
«Das beste Gesundheitssystem»
Wüssten die Patientinnen und Patienten, dass ein Spital für ihre Diagnosen zu wenig spezialisiert ist, ungenügend behandelt oder eine höhere Komplikationsrate aufweist als andere, würden sie gerne ein anderes Spital wählen. Aber sie wissen es in der Regel nicht, sondern gehen fälschlicherweise davon aus, dass in der Schweiz alle Spitäler und Ärzte Spitze sind. Schliesslich beteuern alle immer wieder, dass unser Gesundheitssystem zwar das teuerste in Europa sei, aber dafür auch das beste.
Feuz fast drei Wochen ungenügend behandelt
Lauberhorn-Sieger Beat Feuz liess sich trotz seiner komplizierten Knieverletzung von seinen Skiverbands-Ärzten ins kleine Berner Privatspital Salem, das zur Hirslanden-Gruppe gehört, einweisen. Dort wurde er fast drei Wochen lang ungenügend behandelt, bevor man ihn ins Universitätsspital Insel überführte. Die Salem-Ärzte waren überfordert und realisierten 18 Tage lang nicht, dass die Behandlung dieses Knies ein interdisziplinäres Team erforderte. Giusep Fry, Vermarkter und Manager von Beat Feuz, erklärte im «Blick», dass es sich «um einen medizinisch äusserst komplexen Spezialfall handelt, der nur von verschiedenen Spezialisten diagnostiziert und richtig behandelt werden kann. Und diesen Ansprüchen konnte die Privat-Klinik definitiv nicht gerecht werden.»
Konkurrenz statt Teamarbeit
Zehntausende von andern Patientinnen und Patienten werden in der Schweiz ungenügend behandelt, weil sich die Spitäler nicht nach Krankheitsbildern organisieren, sondern nach Fachbereichen, die sich konkurrenzieren. Jeder Fachspezialist kennt sich vor allem in seinem Fach aus und neigt dazu, die Diagnose und die Therapie einseitig nach seinem Fachbereich auszurichten. Wären Spitäler intern nach Krankheitsbildern und nicht nach Fachgebieten organisiert, würden Patienten, die einen komplexen Unfall erlitten haben oder an mehreren Krankheiten gleichzeitig leiden, von Anfang an von einem interdisziplinären Ärzteteam diagnostiziert und behandelt. Die Patientinnen und Patienten stünden wirklich im Mittelpunkt, wie es Ärzte gerne beteuern.
Blackout im Internet
Obwohl in der Schweiz nur halb so viele Menschen wohnen wie in Holland, gibt es bei uns fast doppelt so viele Spitäler. Das Angebot ist enorm, doch was nützt es, wenn man in einer Hirslanden-Klinik landet, die für den konkreten Fall nicht multidisziplinär spezialisiert ist? Vielleicht hätten die Betreuer von Beat Feuz, die das Spital wählten, herausfinden können, wie häufig dort ähnliche Fälle behandelt werden. Doch die Normalpatienten in der Schweiz können – anders als an manchen Orten im Ausland – im Internet nicht einmal nachschauen, wie häufig ein Arzt und ein Pflegeteam eine bestimmte Operation durchführen.
Standortinteressen wichtiger als Gesundheit der Patienten
Routine ist ein wichtiges Kriterium für einen guten Ausgang. Wären die Fallzahlen bekannt, würde bei uns schon längst nicht mehr in 18 Spitälern am Herzen herumoperiert. Im Verhältnis zur Bevölkerung gibt es in der Schweiz dreimal mehr Herzkliniken als in Deutschland, Frankreich, Holland oder Skandinavien. Deshalb kommt die Hälfte dieser achtzehn Schweizer Spitäler, die Herzchirurgie anbieten, auf zu geringe Fallzahlen. Es fehlt an Routine und Erfahrung. Das ist schlecht für die Patienten. Denn Chirurgen, die pro Jahr mindestens 150 mal einen Bypass operieren und Spitäler, die mindestens 600 Herzeingriffe vornehmen, operieren erfolgreicher und mit weniger Komplikationen. Das wurde in den USA nachgewiesen.
Bei Behandlungen des Rückens oder der Knies ist das ähnlich. Beat Feuz ist Opfer auch einer Gesundheitsindustrie geworden, welche die Interessen der Patienten an die zweite oder dritte Stelle setzt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine