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Lonza-Chef Richard Ridinger: Jammern über hohe Energiekosten © sf

Die Lonza und der Ausverkauf der Wasserkraft

Kurt Marti /  Vor zehn Jahren verkaufte die Lonza ihre hochrentablen Wasserkraftwerke ins Ausland. Jetzt jammert sie über zu hohe Strompreise.

Die Lonza will im Werk in Visp 400 Arbeitsplätze abbauen. Gegenüber dem Schweizer Fernsehen weinte Lonza-Chef Richard Ridinger bittere Tränen über die Energiekosten im Wallis, welche im Vergleich zu Frankreich und Deutschland 30 Prozent höher seien. Doch die Geschichte zeigt: Die Lonza ist selber schuld.

Die Lonza sackte 450 Millionen Franken ein

Vor rund zehn Jahren verkauften die damaligen Lonza-Hauptaktionäre Christoph Blocher und Martin Ebner die Lonza-Wasserkraftwerke für 450 Millionen Franken an die deutsche Energie Baden-Württemberg (EnBW), an der damals auch die Électricité de France (EdF) beteiligt war. Im Wallis schaute man diesem Ausverkauf von rund 10 Prozent der Wasserkraft tatenlos zu, weil der Kanton kurz vorher 150 Millionen in die Walliser Elektrizitätsgesellschaft (WEG) einschiessen musste, um diese vor dem Konkurs zu retten. Die CVP- und CSP-dominierte Politprominenz hatte nämlich Anfang der 90er Jahre dem Kauf des Energiepaketes der Alusuisse für überrissene 300 Millionen Franken blauäugig zugestimmt.

Die ehemaligen Lonza-Wasserkraftwerke hiessen nach dem Ausverkauf EnAlpin und flugs sassen die C-Politiker in deren Verwaltungsrat: Der damalige Walliser Finanzminister und CSP-Staatsrat Wilhelm Schnyder und der heutige CSP-Ständerat René Imoberdorf. Vize-Direktor wurde Beat Abgottspon, seines Zeichens damaliger CVP-Fraktionschef im Kantonsparlament. Seit einem Jahr hat sich im EnAlpin-Verwaltungsrat auch der CVP-Präsident Christophe Darbellay installiert.

In zehn Jahren rund 200 Millionen Franken abgesogen

In den letzten zehn Jahren sog die EnAlpin schätzungsweise 200 Millionen Franken Dividenden aus dem Oberwallis ab und verteilte sie an die deutschen und französischen Aktionäre. Allein im letzten Jahr waren es rund 25 Millionen. Im laufenden Jahr wird auch der Kanton Genf profitieren: Im Dezember 2011 verkaufte nämlich die EnBW 15 Prozent ihrer Aktien an die SIG (Services Industriels de Genève). Einmal mehr war der Kanton Wallis nur Zaungast. Andererseits beteiligte sich die Walliser Elektrizitätsgesellschaft (WEG) mit rund 180 Millionen Franken am Pumpspeicherwerk Nant de Drance.

Die EnAlpin-Dividenden sind das Resultat prächtiger Gewinne, welche durch die extrem niedrigen Produktionskosten der EnAlpin-Wasserkraftwerke zustande kommen. Beispielsweise die EnAlpin-Tochter Aletsch AG produzierte letztes Jahr in den beiden Kraftwerken Mörel und Ackersand 2 rund 432 GWh Strom zu einem Produktionspreis von rund 3 Rappen/kWh. Und genau diese Wasserkraftwerke hat die Lonza vor zehn Jahren verschachert und sich so selbst eines wichtigen Konkurrenzvorteils beraubt.

Ein Check von 100 000 Franken für das Martinsheim

Die SP Oberwallis hat vor kurzem in einem Leserbrief im Walliser Boten (WB) die EnAlpin-Verwaltungsräte Imoberdorf, Schnyder und Darbellay aufgerufen, ihren Einfluss geltend zu machen. Doch im Ernst glaubt wohl niemand, dass diese drei C-Politiker mehr als brave Türsteher der Deutschen und Genfer sind. Zur Einnebelung der Gemüter überreichten übrigens Ende Oktober die EnAlpin-Verantwortlichen dem Martinsheim in Visp einen Check von 100 000 Franken. Geschenke erhalten die Freundschaft. Pflichtgetreu fotografierte der WB-Reporter die Check-Übergabe und rapportierte für die Oberwalliser Bevölkerung.

Das Kapitel Blocher-Ebner ist längst vergessen

Besonders bitter sind die politischen Entwicklungen in Visp für die SP Oberwallis. Während Jahrzehnten hat sie sich zusammen mit den Gewerkschaften für die Lonza-Arbeiterschaft eingesetzt und musste neulich bei den Wahlen ihren einzigen Sitz im Visper Gemeinderat ausgerechnet an einen SVP-Vertreter abgeben. Das Kapitel Blocher-Ebner hat sich längst aus den Köpfen geschlichen und hat anderen Themen Platz gemacht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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Eine Meinung zu

  • am 2.11.2012 um 13:18 Uhr
    Permalink

    Ein idealer Businesscase für ein Beispiel, wie ein Management ungestraft die Konkurrenzfähigkeit des eigenen Unternehmens ruiniert (und wie zahnlos Politiker sind, wenn man sie wie Maden im Speck halten kann). Die Ursachen ? Fehlender Weitblick, Interesse am kurzfristigen Gewinn (mit entsprechender Wirkung auf den eigenen Bonus), ein unkritischer Geist gegenüber den Beratern, fehlende Klarheit über die kritischen Erfolgsfaktoren eines energieintensiven Betriebs. Dabei ist die Loyalität und Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden für das Werk Visp viel grösser als andernorts. Denn es ist der grösste der wenigen industriellen Arbeitgeber der Region und damit auch eine wichtige Ausbildungsstätte.

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