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Wann dämmert es den Geldvermehrern? © Thomas Frei @Wanderhotelier

Halleluja: Milch, Honig und Geld fliessen umsonst

René Zeyer /  Die Notenbanken der USA und der EU verschenken in grossem Stil Geld. Damit giessen sie Öl ins Feuer, statt das Feuer zu löschen.

Schulden? Kein Problem. Einfach mehr Geld in den Umlauf bringen: Die Europäische Zentralbank (EZB) will und wird Staatsschuldpapiere «unbegrenzt» aufkaufen. Die US-Notenbank Fed wird – jeden Monat – 40 Milliarden Dollar drucken und die kurzfristigen Zinsen bis 2015 bei nahe Null halten.
Es gibt also neues Geld, und erst noch faktisch umsonst. Himmlische Zustände, könnte man meinen. Das Paradies ist ausgebrochen, wo Milch, Honig und Geld umsonst fliessen. Halleluja.

Ein ganz besonderer Saft

Stellen wir uns vor, der Autofahrer zapft an der Tankstelle Benzin. An der Kasse wird er lächelnd durchgewinkt, Treibstoff ist gratis, manchmal gibt es sogar noch Wechselgeld zurück. Umso mehr, umso mehr er getankt hat. Jedem wirtschaftlichen Laien ist klar, dass da etwas nicht stimmen kann. An den Geldtankstellen EZB und Fed dürfen nun nur Banken sowie Staaten vorfahren und volltanken. Gratis. Und wozu? Damit sie mit dem Treibstoff die lahmende Wirtschaft in Schwung bringen. Absurd und krank, aber Realität.

Das Einmaleins

Treibstoff darf und kann nicht gratis sein. Erstens, weil die Ressource nicht unbeschränkt zur Verfügung steht. Zweitens, weil sie nur dann einer wertschöpfenden Verwendung zugeführt wird, wenn sie einen Preis hat. Und drittens, weil Treibstoff ja nicht überall auf der Welt gratis wäre, was zu Spekulation und Zerstörung von Märkten führen würde. Genau das gleiche gilt für Geld, wobei Geld eine noch viel zentralere, besondere Funktion in der gesamten Wirtschaft hat. Geld kann, im Gegensatz zu Treibstoff, tatsächlich gratis hergestellt werden. Genau dann aber verliert es seinen Wert, so einfach ist das.

Theorie und bewiesene Praxis

In der Theorie soll neues Gratis-Geld die Wirtschaft ankurbeln, neue Arbeitsstellen schaffen, Investitionen in der sogenannten Realwirtschaft ermöglichen. In der Praxis tut es das nicht. Obwohl Geld nicht erst seit diesen Entscheidungen der beiden Notenbanken gratis ist, leiden Europa und die USA unter rekordhohen Arbeitslosenzahlen, dümpeln am Rand einer Rezession vor sich hin. Stattdessen pumpt das Gratisgeld neue Blasen im Finanzkreislauf auf, befeuert den rotglühenden Kern des virtuellen Derivatecasinos, erfüllt den Traum jedes Spekulanten und Zockers: Selbst ein winziger Gewinn bringt Profit, denn das Spielgeld dafür ist ja umsonst.

Preis und Wert

Die einzige Auswirkung auf die reale Welt ist, dass sich die Preise von Aktien, Rohstoffen (nicht zuletzt auch Öl) erhöhen. Aber wohlgemerkt nicht der Wert. Eine Aktie kann dann im Wert steigen, wenn das dahinterstehende Unternehmen wertvoller wird, weil es besser geschäftet, neue Profite generiert, Wertschöpfung betreibt.
Der Preis einer Aktie kann aber schlicht auch dann steigen, wenn mehr Geld vorhanden ist, mit dem sie gekauft werden kann. Nicht nur bei Aktien nennt man eine solche Entwicklung Blase. Und Blasen platzen, garantiert und amtlich. Man will bekämpfen, was man in Wirklichkeit fördert. Der Heroinsüchtige soll geheilt werden, indem man ihn mit Heroin überschwemmt.

Der Wert des Zinses

Der Zins als sinnvolle Risikoprämie, als Hürde, die sowohl den Gläubiger wie den Schuldner von verantwortungslosem Handeln abhält, ist faktisch abgeschafft. Die überwältigende Mehrheit von Kleinsparern bekommt keinen Ertrag mehr für ihre erarbeiteten Spargroschen. Sie machen entweder Verlust oder sind gezwungen, sich ebenfalls an risikoreichen Spekulationen zu beteiligen. Die Schweizer Pensionskassen können davon ein Lied singen, ein Lied, das ins Gejammer der rasierten Rentenanwärter übergehen wird.
Der Fachmann spricht hier von Fehlallokationen, eine sinnvolle und produktive Verteilung von vorhandenem Kapital wird verhindert.

Notenbanken manipulieren den Markt

Der Staat, die Notenbank als Herrin des Geldes setzt somit alle Mechanismen ausser Kraft, die normalerweise durch Zins und beschränktes Vorhandensein von Geld eine einigermassen sinnvolle Verwendung garantieren. Wenn Kapital keinen Preis mehr hat, gibt es keinen regulierenden Markt mehr. Wenn der Staat den Markt manipuliert, was er als Herr des Geldes kann, dann müsste er ihn gleichzeitig regulieren – oder gleich ganz abschaffen. Das wäre aber, schluck, zentral gelenkte Finanzplanwirtschaft. Dass die auch nicht funktioniert, hat der Zusammenbruch des Ostblocks bewiesen.

Feuerwehr als Brandstifter

Meine Meinung: Quantitative Easing 1, 2 und 3, wie der Euphemismus beim Fed heisst, oder «Kampf gegen ungerechtfertigt hohe Zinsen für Staatsschuldpapiere», wie es die EZB nennt, öffnet das Tor zur Hölle. Es kann nicht mehr geschlossen werden. Hier wird, um im Bild zu bleiben, Öl ins Feuer gegossen. Hier wird Geld nicht gedruckt, sondern verbrannt. Am Ende wird das ganze Finanzsystem in Flammen aufgehen. Die Staatsfeuerwehr als Brandstifter. Und grosse Teile der sogenannten Finanzwissenschaft stehen als Claqueure bereit, um diese Falschmünzer noch anzufeuern.

Dieser Beitrag erschien auf der Plattform Journal21.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. René Zeyer, ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott». Er arbeitete als Journalist für den «Stern», «Geo», «FAZ», «Das Magazin», «Schweizer Illustrierte» und war mehrere Jahre Auslandkorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung». Als langjähriger Kommunikationsberater in der Finanzbranche gehört er zu den Insidern. Zeyer lebt in Zürich.

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5 Meinungen

  • am 18.09.2012 um 16:28 Uhr
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    Das Finanzsystem steht bereits in Flammen. Nur haben das viele noch nicht gemerkt. Das könnte sich sehr schnell ändern. Zum Beispiel, wenn die meisten Leute beginnen, ihr Geld von der Bank abzuheben, ihre Versicherungspolicen zu kündigen. Dann ist das System am Ende. Und dann sind wir alle gefordert, ein neues, besseres System zu wählen. An Lösungsvorschlägen mangelt es nicht.

  • am 19.09.2012 um 09:15 Uhr
    Permalink

    Stimmt, das Finanzsystem ist faktisch bereits am Ende. Nur der Zeitpunkt des Zusammenbruchs wird hinausgeschoben, auf Kosten der kommenden Generationen. Doch das neue, bessere System müssen wir erst noch entwickeln – auch wenn es schon viele Lösungsvorschläge gibt.
    Mal einige Stichworte:
    – Regionale Wirtschaftskreisläufe, so weit möglich und sinnvoll.
    – Kooperative Organisationen für Lebensmittelproduktion und -verteilung: wöchentliches Gemüseabo über einen Verein + Grundnahrungsmittel.
    – Gemeinschaftsgärten in Städten für gemeinschaftliches Pflanzen und Ernten.
    – Regionale Tauschwährungen wie z.B. http://www.minutocash.org (auch überregional)
    – Eine Landwirtschaft, die mit eigenen Ressourcen die regionale Bevölkerung versorgt, statt mit importiertem Soja und überzüchteten Kühen Milch- und Gülleschwemme, und mit Importfutter zuviele Schweine (+Gülle) zu produzieren.
    Aber wohlgemerkt: Diese Systeme müssen wir JETZT aufbauen, bevor es kracht.

  • am 19.09.2012 um 13:42 Uhr
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    Sehr gut geschrieben und für alle verständlich !

    Desto grösser die Zahlen desto weniger behält der Mensch den überblick !

    Mein Fazit : Wir alle werden diese «Misswirtschaft» finanzieren indem unser sauer erspartes Geld (auch hier bei uns !), stetig an Wert verliert.
    Die schlauen kaufen sich schon Heute Land & Häuser zusammen, jagen die Preise der Rohstoffe mit ihrer Spekulationen in die Höhe und retten ihre Pfründe mit allerlei von legalen und illegalen Tricks über diese Hürde …

    Ich sage in beinahe verzweifeltem Ton : Wenn der Mensch sich nicht im DENKEN grundlegend ändert, werden wir gnadenlos in folge unserer Gier eines Tages wortwörtlich und verdient, untergehen … !

    Es ist schon so, anstatt grösser zu werden sollten die Regionen wieder zu kleine Gebiete sich zusammentun, es lässt sich einfach wirtschaftlicher, ökonomischer und sozialer handeln.
    Diesen Europäischen Gigantismus hat alle durcheinander gebracht und nur schaden angerichtet.
    Klein ist „fein“ sollten wir erneut sagen, ist auch das Erfolgs Rezept der Schweiz oder nicht ?

  • am 19.09.2012 um 15:15 Uhr
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    Schuldenbabylon Schweiz?

    Wer die Geldschwemme der Fed und der EZB kritisiert, darf unsere Nationalbank (SNB) nicht vergessen. Die Bilanzsumme der EZB ist seit 2007 auf 28% des BIP gestiegen, jene der SNB aber auf 65%. Die Schweiz ist bezogen auf das BIP eines der hoch verschuldeten Länder. Zwar ist sie Musterschüler bezüglich der staatlichen Verschuldung. Aber die im weltweiten Vergleich exzessive private Verschuldung der Haushalte führt dazu, dass wir schon 2008 insgesamt höher verschuldet waren als Italien oder die USA. Seit den Neunzigerjahren betreibt die SNB eine zu lockere Geldpolitik. Das führt zwar, u.a. wegen Billigprodukten aus Fernost, nicht zu einer Inflation der Konsumgüterpreise, aber umso mehr zu einer Inflation der Vermögensgüter, wie z. B. Immobilien, Aktien, Rohstoffe. Die Preise der Eigentumswohnungen in Zürich stiegen von 2005 bis 2010 um über 50%, so viel wie in Amerika vor dem Crash 2007. Das heizt auf lange Sicht die Mieten an. Die tatsächliche Gesamtinflation ist wesentlich höher als die offiziell ausgewiesene. Trotzdem verbreitet die SNB seit Jahren eine panische Angst vor Deflation und senkte die Leitzinsen auf ein weltweit einmalig tiefes Niveau. Die Situation ist absurd. Die SNB deckt mit dem Zins, den sie von den Banken für eine Zweihunderternote erhält nicht einmal die Herstellungskosten. SNB und Banken stützen mit diesem billigen Geld unser Schuldenbabylon. Es ist vermutlich ihr heimliches Ziel, die Schulden der Reichen auf ihren Vermögensgütern weg zu inflationieren. Diese Bedrohung unseres Geldsystems wird böse Fernwirkungen haben, z. B. reale Verluste auf Löhnen, Renten und Ersparnissen und eine Umverteilung von unten nach oben durch Inflationierung der Immobilien. Weil seit Jahrzehnten Schuldzinsen von den Steuern abgezogen werden können, ist es eben attraktiv, sich zu verschulden. Die OECD hat das heftig kritisiert.

  • am 19.09.2012 um 21:02 Uhr
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    Nachtrag zu: Hans Schlauri Schuldenbabylon Schweiz?
    Der eben erschienene Bericht Global Wealth Report der Allianz zeigt, dass die Schweiz von 52 untersuchten Ländern und damit vermutlich von allen Ländern der Erde die höchste Verschuldung der privaten Haushalte aufweist. Die Pro-Kopf-Verschuldung der privaten Haushalte beträgt Fr. 92040. J.P. Roth sagte schon 2002 als Präsident der SNB: „Für die Geldgeber bedeutet dies (die exzessive private Hypothekarverschuldung) ein nicht zu unterschätzendes Klumpenrisiko. Daraus lässt sich erahnen, wie wichtig das vergleichsweise tiefe Zinsniveau für die Schweiz ist.“ Der verklausulierte Satz heisst im Klartext: Die SNB muss mit billigem Geld unser Schuldenbabylon stützen, weil das Kartenhaus sonst zusammenbricht. Und das schon seit Jahren, nicht erst seit dem Problem mit dem Eurokurs.

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