Leopard_Kampfpanzer

Auch für Kampfpanzer braucht es global gültige Handelsregeln. © bundeswehr/flickr/cc

Waffenhandelsvertrag: Schweiz taktiert vorsichtig

Jürg Müller-Muralt /  Im Juli scheiterten Uno-Verhandlungen über einen Waffenhandelsvertrag am Konsensprinzip. Die Schweiz will aber daran festhalten.

Schweizer Waffen tauchten letztes Jahr in Libyen auf und dieses Jahr in Syrien. Nach einer längeren Odyssee gelangten sie von den arabischen Emiraten, wohin der Schweizer Rüstungskonzern Ruag sie ursprünglich lieferte, in die Hände der Aufständischen. Die Beispiele zeigen: Der Waffenhandel ist an sich ein problematisches, wenn nicht kriminelles Geschäft, die rechtliche Kontrolle des Kriegsmaterialexports fast ein Ding der Unmöglichkeit. Umso dringlicher wäre ein Internationales Abkommen. Im vergangenen Juli scheiterten die Verhandlungen über einen Waffenhandelsvertrag im Rahmen der Vereinten Nationen – zumindest vorläufig.

USA, Russland und China bremsen

Erstmals sollten mit dem internationalen Waffenabkommen global gültige rechtliche Regeln für den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern geschaffen werden. Darunter fallen Kampfpanzer, gepanzerte Fahrzeuge, grosskalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge, Kampfhelikopter, Kriegsschiffe, Raketen einschliesslich ihrer Start- und Abschusssysteme. Solche Waffen sollten gemäss Vertragsentwurf unter anderem nicht in instabile Regionen oder Länder geliefert werden dürfen, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Quergestellt haben sich einige wenige Staaten mit grosser Rüstungsindustrie wie die USA, Russland und China; rundweg negativ stehen Nordkorea, Iran, Syrien und Algerien einem derartigen Regelwerk gegenüber.

Konsens ausser Kraft setzen

Gescheitert sind die Verhandlungen jedoch nicht allein am Widerstand dieser Staaten, sondern auch am Verfahren: nämlich dem Zwang, im Konsens entscheiden zu müssen. Einstimmigkeit wird man in einem solchen Geschäft wohl kaum je erreichen – ausser man verwässert das Schlussdokument bis zur Unkenntlichkeit. Wiese also nicht bei der möglichen Wiederaufnahme der Verhandlungen im Oktober den Einstimmigkeitszwang ausser Kraft setzen? Immerhin haben sich mehr als 90 Staaten enttäuscht über das Scheitern gezeigt – auch die Schweiz.

Die Schweiz ist gefordert

Nun richtet sich ein Autor der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, der grössten aussen- und sicherheitspolitischen Denkfabrik Europas, auch an die Schweiz. Als eine der «nicht unwesentlichen Exporteure von Rüstungsgütern» solle sie zusammen mit anderen Staaten darauf hinwirken, den Zwang zum Konsens aufzubrechen. An der Uno-Generalversammlung vom Herbst könnte ein Antrag auf ein neues Verhandlungsmandat für 2013 gestellt werden, «das eine Entscheidungsfindung auch ohne Einstimmigkeit (etwa mit Zweidrittel-Mehrheit) ermöglicht.» Sollte das nicht funktionieren, plädiert SWP-Autor Max M. Mutschler gar dafür, zusammen mit einer breiten Koalition von Staaten einen Waffenhandelsvertrag ausserhalb des Uno-Systems anzustreben.

Schweiz will keine weitere Front

Die offizielle Schweiz begegnet dem Vorschlag zurückhaltend. Erwin Bollinger, Chef der Schweizer Delegation bei den Verhandlungen über einen Vertrag zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels, wägt ab: «Man könnte mit neuen Verfahrensregeln eine weitere Front eröffnen, was dem Weiterführen des Prozesses nicht diente», erklärt Bollinger im Gespräch mit «Infosperber». Wenn die Konsensregel aufgehoben und ein Mehrheitsprinzip eingeführt werde, könnte man Gefahr laufen, wichtige Partner zu verlieren; die wolle man aber unbedingt dabei haben, wie etwa die USA als grösste Exportnation. Habe man die USA nicht an Bord, dann gebe es auch keinen Druck auf die anderen Grossen, also China und Russland. «Dementsprechend gilt es, auch bei den prozeduralen Fragen die verschiedenen Optionen gut zu prüfen und zunächst die Haltung wichtiger Akteure zu sondieren.»

Erfolgreiche Vorbilder

Für ein Vorgehen ausserhalb der Uno gibt es in der jüngeren Geschichte der Rüstungskontrolle durchaus erfolgreiche Vorbilder. SWP-Autor Mutschler nennt zwei: Das Ottawa-Abkommen zur Ächtung von Anti-Personen-Minen und den Oslo-Prozess zur Konvention gegen Streubomben. In den Neunzigerjahren ist es der Uno nicht gelungen, ein Minenverbot durchzusetzen, und zwar ebenfalls wegen des Konsensverfahrens. Darauf hat sich eine Mehrheit der Staaten unter kanadischer Führung 1997 auf das Ottawa-Abkommen geeinigt – und die Schweiz hat als zweites Land der Welt Antipersonenminen gesetzlich verboten. Mittlerweile wurde das Abkommen von mehr als 150 Staaten ratifiziert.

Ähnlich lief es bei der Ächtung von Streumunition ab: Auch hier zeichnete sich kein Konsens ab, also ergriff diesmal Norwegen die Initiative und leitete 2007 den Oslo-Prozess zur Konvention gegen Streumunition ein. Die Konvention wurde mittlerweile von über 100 Staaten unterzeichnet. Nachdem das Parlament nach einigen Verrenkungen dieses Jahr grünes Licht gegeben hatte, ratifizierte der Bundesrat das Übereinkommen am 12. Juli 2012.

Nach «Ottawa» und «Oslo»: mehr Mut für «Bern»

«Sowohl der Ottawa- wie auch der Oslo-Prozess gelten mittlerweile als Meilenstein der humanitären Rüstungskontrolle», heisst es im Beitrag der Stiftung Wissenschaft und Politik. Ganz ähnlich sieht es auch Bundesrat Didier Burkhalter. Bei der Behandlung des Streumunition-Übereinkommens im Nationalrat sagte der Aussenminister, die Konvention sei ein echter Fortschritt im internationalen humanitären Recht. Die Signalwirkung sei da, selbst wenn die grossen Produzentenstaaten nicht an Bord seien. Burkhalter erwähnte auch den Erfolg der Ottawa-Konvention und sagte, die Produktion von Antipersonenminen sei praktisch zum Erliegen gekommen. Man solle also bitte die Wirkung nicht unterschätzen.

Na also. Vielleicht ändert der Bundesrat das Verhandlungsmandat der Schweizer Delegation im Hinblick auf allfällige weitere Verhandlungen über einen Waffenhandelsvertrag. Angesichts der Erfolge von «Ottawa» und «Oslo» wäre etwas mehr Mut von «Bern» durchaus angebracht.


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