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Das Münz- und Notenmonopol der Nationalbank soll zum Geldmonopol ausgebaut werden. © thegrid.ch/Flickr/CC

Eine radikale Geldreform gegen das Schlamassel

Jürg Lehmann /  Der tiefgreifende Umbau des Geldsystems soll aus der Schuldenkrise führen. Ein konkreter Vorschlag dazu liegt auf dem Tisch.

Woher kommt unser Geld? Die Nationalbank bringt das Bargeld in Umlauf (2011: 47 Mrd. CHF). Aber – und das ist leider kein Allgemeinwissen – es zirkuliert auch eine gigantische Geldmenge als elektronisches Buchgeld (Giralgeld). Es wird von den Geschäftsbanken geschaffen (2011: 406 Mrd. CHF). Sie überschreiben den Kunden Kredite als Guthaben, die nicht durch reales Geld gedeckt sein müssen. Damit wird die Menge des Geldes vermehrt; das nennt man «Geldschöpfung». Das Buchgeld bläht als Treibstoff im Kreislauf der monetären Ökonomie die Finanzwirtschaft auf, es setzt die Realwirtschaft unter Druck und nimmt den Staat als Geisel: Gerät eine grosse Bank in Schieflage, muss sie mit Steuergeldern gerettet werden (too big to fail). Die Verluste werden auf die Allgemeinheit abgewälzt, die Gewinne bleiben privat.

Nicht bloss Politik- und Staatsversagen

Die gewaltige Schuldenkrise in Europa sei nicht bloss ein Fall von Politik- und Staatsversagen, sagt Joseph Huber, sondern ebenso ein Fall von Banken- und Marktversagen. Huber ist Professor für Wirtschafts- und Umweltsoziologie in Halle-Wittenberg (D). In der bail-out- und Austeritäts-Politik der EU sieht er einen Widerspruch zwischen fiskalischer Konsolidierung und realwirtschaftlicher Erholung. Ohne eine tiefgreifende Reform der Geld- und Bankenordnung bekomme man das Problem der Staatsschulden und Finanzkrisen nicht in den Griff.

Huber sprach an einer Tagung des Vereins Monetäre Modernisierung (MoMo) an der Uni Zürich. Er ist Mitbegründer der Vollgeldreform. Mit diesem Konzept will der Verein das Geld und Währungswesen zum Service Public machen, der die Finanzwirtschaft wieder voll in den Dienst der Realwirtschaft stellt. Der Kern der Sache: Die Geschäftsbanken dürfen kein eigenes Geld mehr schöpfen, der Bund erhält das Geldmonopol auch im Bereich des Buchgeldes. Das Buchgeld wird damit zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt (Vollgeld). Parallel dazu soll eine wirksame Finanzmarktreform verhindern, dass die Vollgeldreform unterlaufen wird.

Keine verstaatlichten Banken

Die Banken selber werden nicht verstaatlicht. Sie übernehmen weiterhin Kreditvergabe, Zahlungsverkehr und Kontoführungen. Die Konti werden ausserhalb der Bilanz geführt und von der Nationalbank garantiert. Geht eine Bank bankrott, bleiben die Kundengelder unangetastet. Am Tag X übernimmt die Nationalbank den Bestand des gesamten privaten Buchgeldes. Geld ist jetzt nur noch Zahlungsmittel und nicht mehr Spekulationsobjekt. Die Geldschöpfung ist allein Sache der Notenbank. Sie orientiert sich an der Realwirtschaft, die ihre Gewinne durch ein vernünftiges Produktions-und Absatzwachstum erreicht und nicht mehr länger Sklave von Bankkrediten ist. Den Geldschöpfungsgewinn (Seigniorage) gibt sie an den Bund, Kantone und Private weiter. Die öffentliche Hand kann so Schulden abbauen, Investitionen tätigen oder Steuern reduzieren.

«Geld ist ein öffentliches Gut und keine Ware», begründet Philippe Mastronardi die Reform. Der emeritierte HSG-Staatsrechtsprofessor und frühere Sekretär der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) im Bundeshaus, ist Mitglied des mit Fachleuten prominent besetzten MoMo-Beirates. Damit die Reform in Gang kommt, braucht es eine Revision der Bundesverfassung. Art. 99 weist dem Bund zwar das alleinige Recht zu, Münzen und Banknoten auszugeben. Über das Buchgeld aber schweigt sich die Verfassung aus. Die Nationalbank selber soll aufgewertet und als Monetative zur vierten Gewalt im Staat werden – neben Exekutive, Legislative und Judikative. Damit wollen die Vollgeld-Promotoren die Unabhängigkeit der Geldschöpfer absichern.

Inzwischen ist das Thema auch im Nationalrat angekommen. Lukas Reimann (SVP) und Geri Müller (Grüne) reichten im März Interpellationen rund um Guthaben, Schulden und Geldschöpfung ein und haben nun eine bundesrätliche Antwort erhalten. Die Regierung gibt sich defensiv und setzt auf die bisherige Geld, Währungs- und Finanzmarktpolitik. Dazu gehört auch das Paket über die Bankenregulierung, das sie am 1. Juni verabschiedet hat. An der heutigen Buchgeld-Schöpfung ändert sich damit nichts. Und sogar die NZZ kommentierte das Paket leicht süffisant: «Pro 100 Franken Bilanzsumme müssen die Grossbanken künftig kaum mehr als 5 Franken Eigenkapital halten; ein Gefühl besonderer Sicherheit vermittelt das nicht.»

Liberaler Ökonom: Was für Naivlinge!

Jetzt will der Verein MoMo das Projekt über ein Bündnis abstützen und dazu eine Volksinitiative lancieren. Das ist ein ambitiöses Unterfangen. Schon an der Zürcher Tagung wurde klar, dass das kein Spaziergang wird. Beat Kappeler, ehemaliger Gewerkschaftssekretär, liberaler Ökonom und Kolumnist (NZZ am Sonntag) warf den Vollgeld-Promotoren «Naivität» vor. Das Geld- und Währungswesen sei immer von politischen Interessen beeinflusst. Das wäre beim Vollgeld mit einer Montative und insbesondere der Verteilung der Geldschöpfung an Bund und Kantone nicht anders. «Sie gehen von einem engelgleichen politischen System aus», so Kappeler »aber das gibt es nicht.» Es graue ihm vor der Zentralisierung der Gesellschaft, die im Vollgeld-Konzept zum Ausdruck komme. Und überdies sei eine Nationalbank nicht unabhängig, die den Staat mitfinanziere.

Aber auch Anhänger von Komplementärwährungen (in der Schweiz z.B. WIR-System) tun sich schwer. Sie wurden an der Tagung von der Professorin und Geldexpertin Margrit Kennedy vertreten. Sie zeigte auf, dass lokale Parallelwährungen (z.B Chiemgauer) problemlos funktionieren. Mit der Vollgeld-Initiative ginge das nicht ohne weiteres zusammen. Um die Umgehung des Bundesmonopols zu vermeiden, verlangt die Vollgeld-Initiative für «andere Zahlungsmittel» ausdrücklich eine Bundesbewilligung. Das sorgte für lange Gesichter in Zürich.

Initiativen-Start 2013 geplant

Das letzte Wort scheint aber noch nicht gesprochen. Insbesondere Historiker und MoMo-Beirat Peter Hablützel beschwor, Sympathisanten nicht vor den Kopf zu stossen, sondern ins Boot zu holen. Es werde ohnehin extrem schwierig, «den Banken die Geldschöpfung zu entreissen». Um so mehr brauche es eine breite Koalition und einen langen Atem. Einstweilen wird der lange Atem allerdings nötig sein, um die Volksinitiative überhaupt erst mal auf die Beine zu bringen. Wie sieht es damit aus?

Laut MoMo-Vorstandsmitglied Daniel Meier soll bis Ende 2012 das Initiativ-Komitee stehen und der Text zur Prüfung an die Bundeskanzlei bereit sein. Die Unterschriftensammlung soll 2013 starten. Das ist ein optimistischer Zeitplan. Beirat Mastronardi sagte dazu lediglich: «Wir möchten es bald machen.» Zwar würden die Initianten lieber international koordiniert vorgehen. Vollgeld-Bewegungen gibt es auch in Deutschland, England und in den USA. Aber die direkte Demokratie könne hier Vorbild und Antreiberin sein, darum starte man auch alleine, denn: «Wenn die Krise noch schärfer wird», so Mastronardi, «glaube ich, dass am Ende auch Europa mitzieht.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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