FIFA erhält Medienpreis, der eine Schelte ist
Es war ein ungewöhnlicher Auftritt. Ein SVP Nationalrat aus Oberriet (SG) erhielt nach seiner Rede an der Jahreskonferenz der bekannten deutschen Journalistenvereinigung «Netzwerk Recherche» in Hamburg von über 800 Medienvertretern anhaltenden Beifall. Die Zuhörer beklatschten die Laudatio auf den diesjährigen Preisträger der «Verschlossenen Auster», gehalten von Roland Büchel, ehemaliger FIFA-Angestellter, der 2010 für die SVP im Kanton St. Gallen in den Nationalrat gewählt worden ist. Mit der «Verschlossenen Auster», einem Symbol für mangelnde Offenheit und Behinderung der Pressefreiheit, werde diese Jahr eigentlich ein «Schweizer Verein mit einem ideellen Zweck» ausgezeichnet, erklärte Büchel, der mit seiner witzig formulierten Laudatio das Publikum immer wieder zum Lachen brachte. Weil die Schweizer Mühe hätten, das «V» wie «Vögeli» vom «F» wie Fussball zu unterscheiden, nenne er den Preis VIVA: «Die Voll Integral Verschlossene Auster». «Die VIVA geht also an die FIFA», meinte der Laudator.
Von Gangstern durchsetzt
Vom ehemaligen FIFA- Mitarbeiter erfuhr das erstaunte Publikum, dass dieser Verband, der vor 108 Jahren gegründet und inzwischen ein Multinationaler Konzern mit Milliardenumsätzen geworden ist, vom Schweizer Gesetz weiterhin als «gemeinnütziger Verein» mit grossen Steuerprivilegien behandelt werde. Zur entscheidenden Frage: Wie vergolden sich die «Perlen» der VIVA ihre Nasen, machte Büchel folgende Rechnung: Der FIFA stehen neben «Le Président» 23 ehrenamtliche Spitzenfunktionäre vor, die jährlich mit rund je einer Million Dollar aus der FIFA-Kasse entschädigt würden. Für die Angestellten (390) und die Ehrenamtlichen zusammen zahle die FIFA 286 000 Dollar pro Kopf und Jahr. Büchel: «Nicht übel für einen nicht gewinnorientierten Verein mit extremen steuerlichen Privilegien». Mit seinem ehemaligen Arbeitgeber sei es zum offenen Bruch gekommen, als er 2011 mit einem offenen Brief an Sepp Blatter die Korruption innerhalb der Organisation anklagt habe.
Die FIFA sei «ein von Gangstern durchsetzter Gentlemen’s Club». So zitierte Büchel den auf Korruption spezialisierten Basler Professor Mark Pieth, der sich im Auftrag von Blatter seit Monaten mit dem Innenleben der FIFA befasst. Anstatt vom Gentlemen’s Club zu sprechen, ziehe es Blatter aber vor, die FIFA als «Familie» zu bezeichnen. Die FIFA wolle ja nur Gutes tun und die Welt verbessern, wofür Blatter in allem Ernst hoffe, einmal mit dem Friedensnobelpreis belohnt zu werden.
Parlamentarischer Vorstoss verpufft
Weil korrupte Organisationen wie die FIFA dem Image der Schweiz schaden, hat der frisch gebackene Nationalrat mit einem parlamentarischen Vorstoss das Sportministerium aufgefordert, die Korruption im Sport zu untersuchen und Lösungen zu präsentieren. Der im Nationalrat ohne Gegenstimme angenommene Vorstoss sei aber im Ständerat und in der Verwaltung verschleppt worden, berichtete Büchel enttäuscht. Wie unklug das gewesen sei, habe die Schweiz bereits erfahren müssen.
Vor kurzem, so Büchel weiter, habe der Europarat auf Grund eines ausführlichen Berichts ein vernichtendes Urteil über die FIFA gefällt. Der SVP-Politiker zitierte den Kernsatz aus dem Strassburger Dokument: «Selbstregulierung ist sehr wichtig. Aber wenn die Probleme nicht aufhören, sollten Regierungen einschreiten. Autonomie ist für die Interessen des Sports da, nicht für die Interessen von skrupellosen Individuen».
Blatter verträgt keine Meeresfrüchte
Eine Einladung, zur Preisverleihung nach Hamburg zu kommen und dort eine Gegenrede zu halten, hat die FIFA abgelehnt. Sepp Blatters Terminkalender sei «proppenvoll» und im Übrigen vertrage er keine Meeresfrüchte, liess FIFA-Kommunikationsdirektor Walter De Gregorio mitteilen. Auch komme die Auszeichnung zu spät, denn die Auster habe sich inzwischen geöffnet, meinte der Ex-Journalist und kritisierte seine ehemaligen Kollegen: «Es geht in der Regel eine Weile, bis auch Recherchierjournalisten das merken». De Gregorio empfahl, sich über den letzten FIFA–Kongress in Budapest zu informieren, wo Ansätze zu finden seien, die Anlass gäben, die bisherige Meinung über die FIFA zu ändern.
Wo bleibt der kritische Sport-Journalismus?
Warum befassen sich die (Sport)-Journalisten so wenig mit den Machenschaften des Verbandes und seines Präsidenten, lautete die Frage an einer Podiumsdiskussion nach der Preisverleihung. «Von kritischem Journalismus kann keine Rede sein. Und dies bei einem Thema, das ganz offensichtlich ist», stellte Uli Hoeness, der Präsident des FC Bayern München, empört fest. Immerhin ist kürzlich ein Buch von Thomas Kistner mit dem vielsagenden Titel «FIFA-Mafia» erschienen. Es ist bereits das zweite FIFA-Buch von Kistner. Kistner ist Sport-Redaktor der «Süddeutschen Zeitung» und nicht Journalist einer Schweizer Zeitung, wo die FIFA weiterhin als «gemeinnütziger Verein mit einem ideellen Zweck» tätig sein kann.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine