Fall Elmer: Empfindliche Schlappe für Bank Bär
Die Bank Julius Bär hat eine empfindliche Niederlage eingefahren. Drei CDs mit angeblichen Bankdaten, die Whistleblower Rudolf Elmer 2003 der Wirtschaftszeitung «Cash» zugestellt hat, dürfen entsiegelt und ausgewertet werden. Dieser Entscheid der zuständigen Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland ist letzte Woche publik geworden. Damit endet ein Versteck- und Verwirrspiel der Bank Julius Bär, das selbst bei der zuständigen Staatsanwältin, der Anklägerin von Elmer, auf Unverständnis stiess.
Die CDs sollen laut Rudolf Elmer Steuerbetrügereien in Millionenhöhe beweisen, die Kunden der Bank Julius Bär via Cayman Island begangen haben. Die Justiz beginnt 2005 gegen Elmer zu ermitteln, nachdem die Bank, aufgeschreckt durch den «Cash»-Artikel, Strafanzeige gegen unbekannt einreicht. Schnell erhärtet sich der Verdacht, dass der ehemalige Bankmitarbeiter Elmer die Daten an die Zeitung und an die Steuerbehörden geschickt hat. Bei einer Hausdurchsuchung werden die CDs sicher gestellt.
Auch Staatsanwältin ist aufgebracht
Die sichergestellten Daten interessieren auch die Eidgenössische Steuerverwaltung. Am 23. Februar 2006 ersucht die Berner Steuerfahndung um Akteneinsicht, um Elmers Material nach Steuersündern zu durchforsten. Die zuständige Zürcher Staatsanwältin Alexandra Bergmann gab am 10. März 2006 diesem Gesuch statt. Doch die Bank Bär legt sofort Rekurs bei der Oberstaatsanwaltschaft ein. Was dann folgte, beschrieb die WOZ, die den Fall unter dem Titel «Das Zürcher Justizgeheimnis» haarklein nachgezeichnet hat, so: «Juristische Winkelzüge im grossen, schwarzen Nichts des Offshoreuniversums, die juristisch lupenreine Verwandlung einer soliden Schweizer Bank in eine windige Hehlerin, einen Geist in der Geisterwelt».
Die Bank, die Elmer wegen Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses angezeigt hat, berief sich in ihrem Rekurs nämlich plötzlich darauf, die Herausgabe der Daten an die Schweizer Steuerbehörden würden Cayman-Recht verletzen. Staatsanwältin Bergmann, immerhin Elmers Anklägerin, argumentierte ungehalten dagegen, wie die Akten zeigen: «Am Rande sei bemerkt, dass die Rekurrentin (Julius Bär) sich widersprüchlich verhält, wenn sie einerseits Anzeige wegen Bankgeheimnisverletzung erstattet, andererseits aber im Rekursverfahren geltend macht, die Akteneinsicht sei zu verweigern, weil die betreffenden Daten plötzlich dem Bankgeheimnis von Cayman unterstehen sollen.» Und weiter: Sollte die Anzeigenerstatterin Bank Julius Bär auf ihrem Konstrukt beharren, müsste das Verfahren wegen Bankgeheimnisverletzung eigentlich mangels Zuständigkeit eingestellt werden.
Schützt die Bank Konstrukte zur Steuerhinterziehung?
Bergmann pochte auf die Herausgabe der Daten an die Berner Steuerfahnder. Weil bei Verdacht auf Steuerbetrug und -hinterziehung «Pflicht zur Amtshilfe» bestehe, wie sie schrieb: «Andernfalls müsste Begünstigung in den Raum gestellt werden.» Die Bank habe «ein nicht unbedenkliches Eigeninteresse an einer Verweigerung der Akteneinsicht», da ihr Offshorekonstruktionen zur Steuerhinterziehung vorgeworfen werden könnten.
Doch es kam anders. Die Oberstaatsanwaltschaft erklärte sich für den Entscheid zur Akteneinsicht als nicht zuständig. Und Elmer wurde am 19. Januar 2011 der Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses schuldig gesprochen. Erstmals weitete damit die Zürcher Justiz das Schweizer Bankgeheimnis auf Offshore-Konstrukte aus – ein Meilenstein für die Banken. Das Urteil wurde jedoch sowohl von Elmer wie der Staatsanwaltschaft weitergezogen.
Mit dem jüngsten Entscheid der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland erfolgt nun eine erste Korrektur dieses eher düsteren Kapitels der Schweizer Rechtsprechung. Allerdings kann dagegen noch bis Ende Mai Rekurs eingelegt werden. Nicht auszuschliessen, dass die Bank Julius Bär auch diesen weiteren Winkelzug anwenden wird.
Gegen Elmer läuft ein weiteres Strafverfahren, das die Vorgänge rund um Wikileaks betrifft. Kurz vor seiner Verurteilung in Zürich hatte Elmer am 17. Januar 2011 in London dem Wikileaks-Aktivisten Julian Assange eine CD mit angeblichen Bankdaten übergeben. Auch dort ist derzeit ein Gesuch um Entsiegelung hängig.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine