Stromzukunft: Zwischen Autarkie und Arbeitsteilung
Der Bundesrat will die alten Atomkraftwerke mit alternativer Stromproduktion ersetzen. Die wirtschaftsnahe «Avenir Suisse» hingegen setzt auf Import und Arbeitsteilung. Beide Wege sind steinig.
Zwischen 2020 und 2035 gehen die alten Schweizer AKW schrittweise vom Netz, und die AKW-Beteiligungen von Schweizer Stromfirmen in Frankreich laufen aus. Um diesen wegfallenden Atomstrom zu ersetzen, rechnet der Bundesrat in seiner am Mittwoch veröffentlichten «Energiestrategie 2050» mit einem Mix aus neuen inländischen Kraftwerken. Dazu gehören Solar-, Biomasse-, Wind- und Wasserkraftwerke sowie fossile WKK-Anlagen und Gaskombi-Kraftwerke. Nach dem Modell des Bundesrates soll die Schweiz künftig mindestens gleichviel Strom pro Jahr im Inland produzieren, wie im Inland verbraucht wird (siehe Grafik) .
Das Modell einer möglichst autarken Stromversorgung stösst jedoch auf Widerstand: Gewässer- und Landschaftsschutz setzen Wind- und zusätzlichen Wasserkraftwerken in der kleinräumigen Schweiz enge Grenzen. Die stark schwankende Produktion von Solarstrom ist teuer. Gaskraftwerke erzeugen CO2, dessen Kompensation den fossilen Strom ebenfalls unrentabel macht. Diese ökologischen und ökonomischen Hindernisse erschweren die Umsetzung der bundesrätlichen Strategie.
Import und Arbeitsteilung
Die «Avenir Suisse» hingegen, eine von der Wirtschaft finanzierte «Denkfabrik», propagierte schon im Jahr 2010 eine Strategie, die «Energiesicherheit ohne Autarkie»* anpeilt. Dazu soll die Schweiz ihren Strommarkt weiter öffnen und sich effektiver in den europäischen Strom- und Gasmarkt integrieren. Der Import von Strom sei ökonomisch vorteilhafter als die Produktion in inländischen Wind- oder Gaskraftwerken, vertritt «Avenir Suisse»-Autor Urs Meister. Eine weiträumige Arbeitsteilung streben einige Umweltschützer ebenfalls an. Demnach soll die Schweiz Windstrom aus der Nordsee und künftig auch Solarstrom aus der Sahara importieren, um diesen in ihren alpinen Pumpspeicher-Kraftwerken in Spitzenstrom umzuwandeln.
Die Differenzen zwischen Autarkie und Arbeitsteilung sind allerdings kleiner, als sie erscheinen. Denn schon heute ist die Schweiz stark in den europäischen Stromhandel integriert: Im Jahr 2011 zum Beispiel importierten sie 83 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom und exportierte 80 Milliarden kWh; dies bei einem Inlandverbrauch von 63 Milliarden kWh. Beim Import handelt es sich um Bandstrom, beim Export vor allem um Spitzenstrom aus Speicherkraftwerken. Dieser Aussenhandel dient sowohl dem Ausgleich von Verbrauchsschwankungen im Tages- und Jahresverlauf als auch der Profitmaximierung im Stromgeschäft.
Mit dem Bau der Pumpspeicher-Kraftwerke Linthal, Nante de Drance und Bernina wird diese arbeitsteilige Stromveredelung weiter zunehmen. Damit aber verschärft sich das Mengen- und Verteilproblem. Denn Pumpspeicher-Kraftwerke benötigen 20 bis 25 Prozent mehr Strom zum Hochpumpen, als sie produzieren. Zudem braucht es im In- und Ausland zusätzliche Stromleitungen, um die Pumpspeicherwerke mit Pumpstrom zu versorgen und den dort produzierten Spitzenstrom zu verteilen. Der Bau von Stromstrassen stösst aber im In- und Ausland auf ebenso grossen Widerstand wie der Bau von inländischen Kraftwerken, die den Flüssen zusätzliches Wasser abgraben oder geschützte Landschaften mit Windturbinen verspargeln.
Der dritte Weg
Ob autark oder arbeitsteilig – die Stromversorger haben ein Mengen- und ein Verteilproblem zu lösen. Um diese Probleme zu entschärfen, empfiehlt sich ein dritter Weg: Die Schweiz soll und kann nicht nur fossile Energie, sondern auch die Elektrizität effizienter nutzen und vermehrt dezentral mittels Photovoltaik auf Hausdächern produzieren. Damit lässt sich die Versorgungslücke, die nach dem Abschalten der Atomkraftwerke entsteht, verkleinern und mithin leichter stopfen.
Kalifornien hat es vorgemacht: Dort ist es gelungen, den Pro-Kopf-Verbrauch von Elektrizität seit über dreissig Jahren stabil zu halten. In der gleichen Zeit stieg der Pro-Kopf-Verbrauch in der Schweiz um fünfzig Prozent.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Es gibt sicher noch mehr Alternativen um umweltschonenden Strom zu erzeugen, z.B. Wie wäre es wenn den Bauern geholfen würde mit Krediten um Entgasungsanlagen zu erstellen damit sie ihre «Gülle» und auch den Mist entgasen können, damit Strom zu erzeugen. An einigen Orten wird das auch gemacht. Ich denke dass es noch viele Möglichkeiten gäbe.