Bahrain: Es drohen explosive Folgen der Proteste
Für einmal sind es nicht bloss die Boliden, die Lärm machen. Die politischen Nebengeräusche und die Unruhen im Zusammenhang mit dem Grand Prix der Formel 1 in Bahrain übertönen die Motoren. Das Autorennen von diesem Wochenende zeigt, wie explosiv die Lage im Golf-Königreich immer noch ist. Vor einem Jahr musste die prestigeträchtige Veranstaltung wegen Unruhen abgesagt werden, doch nun will die Regierung zeigen, dass sie die Lage unter Kontrolle hat. Der Schuss könnte aber hinten hinausgehen: Statt einer gelungenen Marketingveranstaltung werden die Scheinwerfer auf die ungelösten Probleme des Golfstaates gerichtet – und auf den Umstand, dass auch Saudi-Arabien auf tönernen Füssen steht.
Unterdrückte Schiiten
Im vergangenen Jahr war es denn auch Saudi-Arabien, das dem Regime in Bahrain bei der brutalen Niederschlagung des Aufstandes zu Hilfe eilte. Seit Februar 2011 wurden rund 50 Menschen von der Polizei getötet. Doch die schiitische Mehrheit in Bahrain hält an ihrem Ziel fest, die Macht des sunnitischen Herrscherhauses zu brechen. Das ist der ebenfalls sunnitischen Herrscherfamilie Saud in die Knochen gefahren. Zwar sind in Saudi-Arabien nur rund zehn Prozent der Bevölkerung Schiiten, doch sie werden politisch, religiös und kulturell noch deutlich stärker unterdrückt, diskriminiert und marginalisiert als in Bahrain.
Den Kopf in den Sand stecken
Die einflussreiche deutsche Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), die grösste aussen- und sicherheitspolitische Denkfabrik Europas, sieht eine grössere Krise um Saudi-Arabien als ein mögliches Szenario noch im laufenden Jahr und führt dieses unter zehn denkbaren globalen Krisensituationen mit besonderer Relevanz auf. Sollte das Land zum instabilen Partner auf den Ölmärkten werden, seien die weltwirtschaftlichen und geopolitischen Konsequenzen unvorhersehbar: «In und unter den grossen Konsumentenländern wird darüber aber öffentlich kaum diskutiert, nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.»
Ohne Saudi-Arabien läuft nichts
Aus der Studie mit dem Titel «Zapfhahn zu: Saudi-Arabiens Öllieferungen fallen aus» lassen sich folgende sechs Hauptpunkte herauskristallisieren:
1. Saudi-Arabien ist der strategische Akteur auf dem Weltmarkt. Dies nicht nur deshalb, weil es knapp hinter Russland der wichtigste Ölproduzent ist, sondern weil es über Reservekapazitäten von 1,5 bis 2 Millionen Barrel pro Tag verfügt. «Die Bereithaltung solcher Kapazitäten hat sich als das ausschlaggebende Instrument erwiesen, um globale Versorgungssicherheit zu gewährleisten.»
2. Die Ölvorkommen und die Infrastruktur sind in Saudi-Arabien geographisch stark konzentriert. Das steigert das Risiko und die Verwundbarkeit.
3. Ein auch nur teilweiser Ausfall der saudi-arabischen Ölexporte von rund 7 Millionen Barrel pro Tag kann nicht ausgeglichen werden.
4. Saudi-arabisches Erdöl ist für die Weltwirtschaft derart unverzichtbar, dass die USA trotz aller negativen Erfahrungen in Irak und Afghanistan militärisch eingreifen würden, um den Export sicherzustellen.
5. Selbst wenn die amerikanische Intervention erfolgreich verliefe, die Ölinfrastruktur gesichert und der Aufstand niedergeschlagen werden könnte, hätte das gravierende Auswirkungen auf den Ölpreis und die Weltwirtschaft.
6. Könnte die US-Intervention die Lage nicht rasch beruhigen, wäre auch die Stabilität Kuwaits und der Vereinigten Arabischen Emirate in Gefahr; weitere wichtige Öl- und Gasproduzenten könnten ausfallen. «Die daraus fast sicher folgende verheerende Energieversorgungskrise würde Weltwirtschaft und Finanzsystem in ihren Grundfesten erschüttern.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine