Kostspieliger Kompromiss mit den Pharmafirmen
Das Feilschen mit Drohgebärden hat mehrere Wochen gedauert. Seit der Frankenkurs auf 1.21 gefallen ist, konnten Medikamenten-Importeure bereits rund eine halbe Milliarde Währungsgewinne einstreichen. Zwei Drittel aller Arzneimittel, welche die Kassen zahlen müssen, werden aus dem Ausland importiert.
Jedes Jahr passt das Bundesamt für Gesundheit die Preise nur eines Drittels der Medikamente dem Durchschnittskurs der letzten zwölf Monate an. Die Vergleichsländer sind die Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Niederlande und Dänemark. Gegenwärtig werden die Preise dieser Länder immer noch zu einem Kurs von über 1.50 Franken umgerechnet.
Thomas Cueni von der Interpharma, der vor allem die Schweizer Pharmakonzerne vertritt, hatte anfangs Jahr einen Wechselkurs von 1.40 Franken verlangt. Den vom Bundesamt für Gesundheit vorgeschlagenen und jetzt vom Bundesrat abgesegneten Kompromiss eines Kurses von 1.29 (Kurs 1.23 plus 6 Prozentpunkte Schwankungszuschlag) wollten Novartis, Roche und Co. nicht akzeptieren. Deshalb drohte Thomas Cueni vor zwei Monaten, die Interpharma werde ihren Mitgliedern empfehlen, gegen das BAG juristisch vorzugehen.
Dabei gilt der jetzt beschlossene Umrechnungskurs von 1.29 nur für die künftigen Preisrevisionen. Die erste Preisanpassung, welche nur einen Drittel aller Medikamente umfasst, ist in den nächsten Monaten fällig. Für zwei Drittel der Medikamente werden die Kassen und mit ihnen die Prämienzahler also noch ein bis zwei Jahre lang den Preis zum Umrechnungskurs von über 1.50 Franken bezahlen müssen – zur grossen Freude aller Medikamenten-Importeure. Selbst Novartis und Roche stellen Medikamente zum Teil im Ausland her.
Preisvergleich mit andern Medikamenten abgeschafft
Gleichzeitig hat der Gesamtbundesrat die Verordnung zum KVG geändert und den Preisvergleich mit andern Medikamenten, den sogenannten therapeutischen Quervergleich, bei der dreijährigen Preisüberprüfung abgeschafft.
Der Preisüberwacher war stets der Ansicht, dass das Gesetz verlangt, dass der Preis eines Medikaments nie höher sein darf als entweder der Auslandspreisvergleich oder der Vergleich mit Medikamenten, die den gleichen Nutzen haben.
Auch das Bundesgericht hat mehrmals bestätigt, dass sich das Wirtschaftlichkeitserfordernis im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG auf die Wahl unter mehreren zweckmässigen Behandlungsalternativen bezieht: «Bei vergleichbarem medizinischem Nutzen ist die kostengünstigste Variante bzw. diejenige mit dem besten Kosten-/Nutzen-Verhältnis zu wählen.»
Offensichtlich weigert sich das Bundesamt für Gesundheit, die Preise der Medikamente gemäss dieser obersten Rechtssprechung festzusetzen. Eine Rekursmöglichkeit gegen Entscheide des Bundesamts haben einzig und allein die Pharmafirmen.
Vergeblich gewehrt
Der Krankenkassenverband Santésuisse hatte sich dagegen gewehrt, dass der Bundesrat die Spielregeln der Auslandpreisvergleiche ändert. Und sowohl Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz als auch Erika Ziltener vom Dachverband der Patientenstellen konnten sich eine Entlastung von Schweizer Produzenten höchstens unter der Bedingung vorstellen, «dass gleichzeitig die Währungsgewinne auf den importierten Medikamenten sofort und voll den Prämienzahlern zugute kämen».
Diese Bedingung hat Bundesrat Alain Berset nicht erfüllt.
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Auf der Webseite der Interpharma war bis Mittwoch Abend noch keine Stellungnahme veröffentlicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor vertritt die Patienten und Konsumentinnen in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.
Mein Vorschlag zur Reduktion der Gesundheitskosten ist die Einführung folgender drei Gesetzes-Ergänzungen:
1. Jede Rechnung für Gesundheitsdienstleistungen muss zwingend beim Patienten vorbei. Folge: Die heute sehr oft auftretenden Fehler bei der direkten Abrechnung würden reduziert, was eine direkte Kosteneinsparung ergäbe.
2. Der vom Patienten zu begleichende Anteil an der Rechnung muss bei jeder Position separat ausgewiesen werden (z.B. separate Preis-Spalte). Folge: Die Patienten würden automatisch «ihre» Kostenspalte anschauen und sich fragen, was sie da eigentlich zu bezahlen haben. Die Gesundheitsdienstleister sähen sich mit hunderten von Rückfragen konfrontiert und würden endlich anfangen, konsumententaugliche Rechnungen zu schreiben. Dadurch entstünde indirekt eine Kostenreduktion.
3. Der Patient muss jede Rechnung vor der Weiterleitung an die Kasse unterschreiben und bestätigt damit, dass die aufgeführten Leistungen auch wirklich stattgefunden haben. Folge: Mit der Unterschrift würde der Patient eine Mitverantwortung übernehmen, dass die verrechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden, was die Rückfragen zusätzlich ansteigen lassen und die Fehlerquote reduzieren würde. Innert kurzer Zeit gäbe es ein paar öffentlich kommunizierte Skandale, wohl auch den einen oder anderen über den Tisch gezogenen Patienten. Bei angemessener Bestrafung des fehlbaren Gesundheitsdienstleisters würde nach einem grossen Aufschrei in der Branche ruck-zuck eine viel exaktere Arbeitsweise bei der Verrechnung der Dienstleistungen Einzug halten.