Lackmusprobe für Bundesrat Alain Berset
Kaum im Amt muss der sozialdemokratische Gesundheitsminister Alain Berset Farbe bekennen. Die Pharmabranche setzt ihn unter Druck: Die Prämienzahlenden sollen in den nächsten zwei oder drei Jahren mehrere hundert Millionen Franken zusätzlich zahlen.
Die Pharmalobby verlangt, dass das Bundesamt für Gesundheit die Preise zu einem Wechselkurs von 1.40 zum Euro festsetzt
Die Pharmaverbände Interpharma und Vips verlangen von Bundesrat Berset, die Medikamentenpreise künftig zu einem Wechselkurs von 1.40 Franken festzusetzen statt zum realen und erst noch von der Nationalbank gestützten Kurs von rund 1.22 Franken.
Preisvergleiche mit dem Ausland als Basis
Die gültige gesetzliche Verordnung schreibt vor, dass das Bundesamt für Gesundheit jedes Jahr ein Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente einem neuen Vergleich der Fabrikpreise mit Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Niederlande und Dänemark unterzieht und diese Preise entsprechend anpasst. Auf den Durchschnittspreis dieser sechs Länder gewährt das Bundesamt für Gesundheit den Firmen noch einen grosszügigen Aufschlag von vier Prozent als «Schwankungsreserve».
Ein Aufschlag von 15 Prozent auf allen Medikamenten
Die Stärke des Frankens hat zur Folge, dass die Preise der importierten Medikamente im 2012 stark sinken müssten – wie die Preise anderer Güter. Mittelfristig könnten die Prämienzahler im Umfang von einigen hundert Millionen Franken profitieren. Denn heute zahlen sie für kassenpflichtige Medikamente über 5,6 Milliarden Franken pro Jahr.
Andrerseits können Firmen, die Medikamente mit Rohstoffen aus der Schweiz in der Schweiz herstellen, ihre Kosten kaum mehr decken. Deshalb verlangen die Pharmaverbände Interpharma und Vips von Bundesrat Berset, dass er einen «theoretischen Gleichgewichtskurs» von 1.40 Franken anwende, also einen Aufpreis von 15 Prozent, und zwar für alle Medikamente.
Supergewinne für Importeure
Ein solches Aushebeln der heute in den Verordnungen festgeschriebenen Auslandpreisvergleiche zum effektiven durchschnittlichen Wechselkurs der letzten zwölf Monate würde den Importeuren von Medikamenten Supergewinne bescheren. Und die importierten Medikamente sind bei weitem in der Mehrheit: Rund zwei Drittel der kassenpflichten Arzneimittel stammen aus dem Ausland. Manchmal sind es die gleichen Konzerne, welche die einen Medikamente im Ausland herstellen und andere in der Schweiz. Bei wiederum andern stammen Rohstoffe oder Halbfabrikate aus dem Ausland und nur die Endproduktion befindet sich in der Schweiz. Die genauen Handelsströme haben die Pharmafirmen bisher als Geschäftsgeheimnis behandelt.
«Währungsgewinne an die Prämienzahlenden»
Angesichts der Währungsgewinne auf den importierten Medikamenten wehrt sich der Krankenkassenverband Santésuisse dagegen, dass die Spielregeln der Auslandpreisvergleiche geändert werden. Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz SKS könnte sich eine Entlastung von Schweizer Produzenten höchstens vorstellen, «wenn gleichzeitig die Währungsgewinne auf den importierten Medikamenten sofort voll den Prämienzahlern zugute kämen».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Mitglied der Eidgenössischen Arzneimittel-Kommission EAK, wo er die Interessen der Patienten und Konsumenten vertritt.
Warum lässt sich Herr Berset von der Pharmalobby denn unter Druck setzen. Dies wäre ja mal interessant, zu erfahren.