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Neues Atomkraftwerk im Iran: Nur friedliche Nutzung? © N24

Deutsche Lobby propagiert Militärschlag in Iran

Red. /  Einflussreiche deutsche Politikberater verlangen einen Schulterschluss des Westens zugunsten möglicher Militärschläge gegen Iran.

Der Versuch, im sogenannten Nuklearkonflikt mit Teheran «diplomatische Lösungen zu fördern», gehe «schon lange an den Realitäten vorbei», behauptet ein aktueller Beitrag in der «Zeitschrift Internationale Politik», dem einflussreichsten Medium des aussenpolitischen Establishments in der Bundesrepublik.
Die «iranische Bedrohung» entziehe sich der Logik traditioneller Politik; sie ähnele «klassischen griechischen Tragödien», die «in der Regel in einem Gemetzel» endeten. Berlin dürfe sich Militärschlägen nicht verweigern und müsse die Bevölkerung auf mögliche Folgen, etwa Attentate gegen Ziele in Europa oder höhere Benzinpreise, vorbereiten. Die Forderungen richten sich ausdrücklich gegen eine zweite Fraktion der Berliner Aussenpolitik, die den deutschen Interessen mit kooperativen Einflussmitteln (»Wandel durch Annäherung») besser zu dienen meint. Ihr sind expansionsinteressierte Wirtschaftskreise zuzurechnen, die auf Geschäfte mit Iran nicht verzichten wollen. Während die für Militärschläge offene Fraktion publizistisch in die Offensive geht, nehmen die Spannungen am Persischen Golf dramatisch zu.
Mordanschläge, Seeblockade
Wie es in einem neuen Beitrag in der Fachzeitschrift Internationale Politik heisst, gehe «die Krise um das iranische Nuklearprogramm» gegenwärtig in eine «möglicherweise entscheidende Phase». Die «Erstürmung der britischen Botschaft» in Teheran sowie die «Meldungen über militärische Vorbereitungen der Israelis» deuteten erkennbar auf eine Eskalation hin. «Im Grunde genommen» habe der Übergang des Konfliktes in offene Gewalt bereits begonnen; der Autor ruft die «auffällig häufigen Explosionen in iranischen Militäranlagen» in den letzten Monaten sowie die «Anschläge gegen führende Vertreter des iranischen Nuklearwaffen- und Raketenprogramms» in Erinnerung.
»Wer immer diese Anschläge geplant und ausgeführt hat – seien es Geheimdienste oder iranische Oppositionelle oder eine Koalition aus beiden –, geht davon aus, dass diese Programme durch den Einsatz von Gewalt unterbrochen, verlangsamt oder beendet werden können.» Für die Zukunft sei nicht auszuschliessen, dass westliche Staaten zu «Formen des offiziellen Einsatzes militärischer Mittel» übergingen; am wahrscheinlichsten seien dabei «begrenzte Luftschläge» oder auch eine «Seeblockade».
Schulterschluss
Mit Blick auf mögliche westliche Militäroperationen – nach Auffassung des Autors kann selbst ein atomarer Erstschlag Israels «nicht ausgeschlossen» werden – fordert der Beitrag den Schulterschluss zwischen den Mächten der westlichen Welt. Man müsse aufhören, den USA «zu unterstellen, diese würden einen gewaltsamen Regimewechsel in Teheran im Rahmen einer militärischen Intervention anstreben» – Washington plane «nur» Luftschläge, nicht jedoch eine Invasion. Auch müsse man mit «der unseligen Rhetorik» sofort Schluss machen, «wonach militärische Optionen grundsätzlich auszuschliessen sind».
Die seiner Auffassung nach mangelnde Kriegsrhetorik der Bundesregierung kritisiert der Autor mit der Behauptung, eine «populär-pazifistische Argumentation» werde «auch vom deutschen Aussenminister vertreten». Dies müsse aufhören; die Bundeskanzlerin habe künftig unbedingt zu verhindern, «dass einzelne Regierungsmitglieder sich durch öffentlichkeitswirksame Opposition gegen Militärmassnahmen der USA zu profilieren suchen». Vielmehr habe Berlin die Öffentlichkeit darauf einzustimmen, dass baldige «nachhaltige Sanktionen gegen den Iran teuer werden können»: Dies betreffe nicht nur die steigende Anschlagsgefahr in Europa, sondern darüber hinaus auch Verluste im Handel mit Iran und «erhöhte Benzinpreise».
Wirtschaftsinteressen
Ausdrücklich richtet sich der Beitrag gegen aussenpolitische Positionen, die «seit Jahren vor allem vom regierungsnahen Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik vertreten» werden und laut dem Autor nicht ohne Einfluss auf die Politik der Bundesregierung geblieben sind. Tatsächlich sprechen sich führende Vertreter der vom Kanzleramt finanzierten Einrichtung dafür aus, gegenüber Teheran eher auf kooperative denn auf konfrontative Methoden zu setzen. So warb der ehemalige Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Christoph Bertram, noch vor wenigen Jahren in einer Buchpublikation mit dem Titel «Partner, nicht Gegner» für «eine andere Iran-Politik».
Ähnliche Auffassungen vertritt auch sein Amtsnachfolger Volker Perthes. Positionen, wie sie etwa die SWP formuliert, werden von denjenigen Teilen der deutschen Industrie gestützt, die besondere Interessen im Mittleren Osten verfolgen; dies sind vor allem Energiekonzerne sowie Teile des Maschinen- und Anlagenbaus, die entweder Öl und Gas aus Iran beziehen oder dort Produkte in grösserem Massstab profitabel abzusetzen hoffen. Wirtschaftsverbände dieser Branchen plädierten in der Vergangenheit bereits mehrfach für eine weniger aggressive westliche Iran-Politik, um ihre Expansionsinteressen in dem Land besser realisieren zu können. Dass die EU den konfrontativen Iran-Kurs der USA meist erst mit etwas Verzögerung übernimmt, hat mit derlei Expansionsinteressen einflussreicher Wirtschaftskreise in Deutschland zu tun.
Wandel durch Annäherung
Tatsächlich plädiert die SWP auch angesichts der aktuellen Kriegsdrohungen aus Washington für ein deutlich anders geartetes Vorgehen gegen Iran. Wie es in einer vor kurzem publizierten Studie heisst, «verbaut» der Westen sich mit seiner derzeitigen Politik erfolgversprechende Einflussmittel. Da der Streit um Irans Atomprogramm die Beziehung dominiere und ihm «alle anderen politischen Einflussmöglichkeiten untergeordnet» seien, habe man «sämtliche Formate von Dialogen zwischen der EU und der Islamischen Republik Iran eingestellt». Das mache es unmöglich, mit Teheran über Verhandlungen zu Fortschritten zu kommen, etwa im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2012 und die Präsidentenwahlen 2013.
Die SWP verweist auf die breit gefächerte politische Elite in Iran, die «deutlich über das Potential jener Regime hinausgeht, die sich nur auf Stämme, Religionsgruppen oder Ein-Parteien-Systeme stützen» – ein klarer Hinweis auf enge Verbündete des Westens wie Saudi-Arabien und die weiteren Diktaturen auf der Arabischen Halbinsel, deren politische Systeme vergleichbare Wahlen gar nicht kennen. Zwar sei keinesfalls mit einem freien Urnengang in Iran zu rechnen, heisst es weiter bei der SWP. Allerdings stehe das Regime im Inneren nach der Repression des Jahres 2009 gewaltig unter Druck, zumindest eine «Abkehr von der Entdemokratisierung» der letzten Jahre in die Wege zu leiten. Hier müsse der Westen ansetzen, um Fortschritte zu erzielen.
Raue Zeiten
Steht auch bei der SWP das Ziel im Mittelpunkt, den westlichen Einfluss im Mittleren Osten zu sichern, etwa nach dem Muster von «Wandel durch Annäherung» gegenüber den realsozialistischen Staaten Osteuropas, so genügt dies primär transatlantisch orientierten Kräften nicht. «Die ‹iranische Bedrohung’», heisst es in der aktuellen Ausgabe der «Internationalen Politik», habe «nicht viel mit der sowjetischen Bedrohung gemein, sie ähnelt eher klassischen griechischen Tragödien». «Diese», heisst es weiter, «beginnen mit selbstsüchtigen Handlungen eines Akteurs und enden in der Regel in einem Gemetzel.»
Tatsächlich würden die kommenden Wochen und Monate «gekennzeichnet sein durch den Ruf nach schärferen Sanktionen und nach dem Einsatz militärischer Mittel». Allerdings bleibe «zu überprüfen, ob die damit zusammenhängenden Eskalationsrisiken beherrschbar sind». Es sei «sicher», dass «derartige Überlegungen heute die Generalstäbe in den USA und einigen anderen Staaten beschäftigen». Berlin dürfe in dieser Frage keinesfalls «aus dem internationalen» – gemeint ist der westliche – «Konsens ausscheren». Der Autor sagt «raue Zeiten» voraus.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Dieser Beitrag ist ein Eigenbericht von German-Foreign-Policy.com. Hinter dieser Plattform steht eine Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler, die das Wiedererstarken deutscher Grossmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten.

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2 Meinungen

  • am 14.01.2012 um 15:15 Uhr
    Permalink

    Diese Geschichte stinkt nach AIPAC, der neokonservativen Amerikanisch-Isrealischen Lobby, die auch der als Schattenregierung der USA bezeichneten «Military Industry Group» nahe steht. AIPAC hatte an ihrer Jahresversammlung vom /März/April 2010 – Hillary Clinton ist dort permanenter Gast – öffentlich erklärt, man wolle den Einfluss künftig auf Europa ausweiten.
    AIPAC dominiert heute den US Congress. Europa muss sich am besten sofort öffentlich gegen diese deutsche «Liste der 200» wenden (so wurden bekanntlich die vermögenden Anpasser der Nazi in der Schweiz genannt).

  • am 13.02.2012 um 14:02 Uhr
    Permalink

    "eine Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler, die das Wiedererstarken deutscher Grossmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten» was unverkennbar notwendig zu sein scheint. Auch im Hinblick auf Griechenland etc

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