Kriegsreporterinnen wollen keine Bevormundung
Die französische TV-Reporterin Caroline Sinz ist in einer Seitenstrasse des Tahrir-Platzes in Kairo von rund zwanzig jungen Männern sexuell schwer misshandelt worden. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagte sie, die Männer hätten ihr die Kleider vom Leib gerissen und sie dreiviertel Stunden lang in einer Art misshandelt, die «der Definition der Vergewaltigung entspricht».
Kurz zuvor hatte die ägyptisch-amerikanische Journalistin Mona Eltahawy berichtet, man habe sie in Polizeigewahrsam sexuell schwer misshandelt und geschlagen. Dabei seien ihr beide Handgelenke gebrochen worden.
«Medien sollen Frauen aus Kairo zurückziehen»
Aufgrund dieser beiden Übergriffe hat die französische Sektion der Berufsorganisation «Reporter ohne Grenzen» die Medien aufgerufen, keine Reporterinnen mehr nach Kairo zu schicken. Dieser Aufruf löste unter Journalistinnen weltweit einen Sturm der Entrüstung aus. Kurz darauf zog die Berufsorganisation die Warnung wieder zurück und empfahl «spezielle Schutzmassnahmen» für Reporterinnen.
Zu den heftigsten Kritikerinnen gehörte die britische TV-Journalistin Lindsey Hilsum, die jahrelang aus Konfliktgebieten berichtet hat. An «Reporter ohne Grenzen» schrieb sie: «Journalistinnen haben jahrzehntelang dafür gekämpft, dass die Herausgeber sie gleich wie ihre Kollegen behandeln. Ich kann nicht verstehen, wie eine Organisation, die sich für die Pressefreiheit einsetzt, eine solche Diskriminierung von Journalistinnen empfehlen kann.»
«Auch Männer werden angegriffen und getötet
Gegenüber dem «Guardian» sagte Hilsum, sexuelle Belästigung sei insbesondere für Kriegsreporterinnen ein grosses Problem. Das dürfe aber kein Grund sein, um Journalistinnen aus Konfliktgebieten fernzuhalten. Lindsey Hilsum: «Immer wieder werden männliche Kriegsreporter angegriffen und getötet. Aber niemand verlangt, sie müssten deshalb die Konfliktgebiete verlassen.» Reporter und Reporterinnen müssten selber entscheiden, ob ein Ort für sie zu gefährlich sei.
Bärendienst für die Frauen
Ruth Pollard, Ägypten-Korrespondentin des «Sydney Morning Herald», teilt dieses Meinung. Die Situation in Kairo werde für Frauen nicht sicherer, wenn die Medien ihre Journalistinnen zurückziehen. Heather Blake von den britischen «Reportern ohne Grenzen» sagte, die Berichte von Journalistinnen hätten im arabischen Frühling eine wichtige Rolle gespielt. Diese Stimmen dürften nicht zum Schweigen gebracht werden. Die meisten Kriegsreporterinnen und -reporter müssten vor ihrem ersten Einsatz spezielle Kurse besuchen, die sie auf die Arbeit in einem feindlichen Umfeld vorbereiten. Sie verlangt, dass sexuelle Belästigung und Übergriffe in diesen Kursen auch ein Thema sein müssen.
Vor knapp einem Jahr war Lara Logan, Star-Reporterin des US-Fernsehsehnders CBS, auf dem Tahrir Platz in Kairo massiv sexuell attackiert und geschlagen worden. Ihr wurden die Kleider vom Leib gerissen und hunderte Männer schlugen und betaschten ihren nackten Körper und machten Handy-Aufnahmen. Lara Logan machte die Attacke öffentlich und löste damit in den USA eine kontroverse Debatte über Kriegsreporterinnen aus.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift «FrauenSicht»