IEA blickt in eine schwarze Energiezukunft
Die Internationale Energieagentur (IEA) verfasst jährlich einen Bericht über die weltweite Entwicklung von Wirtschaft, Energieverbrauch und CO2-Ausstoss. Vor zwei Jahren, als die Wirtschaftskrise den globalen Energieverbrauch um zwei Prozent senkte, war sie noch optimistisch. Der Rückgang schaffe eine «Atempause», um die künftige Energieentwicklung umzulenken, schrieb sie in ihrem «World Energy Outlook» 2009.
Doch dieser Optimismus ist verflogen. Denn 2010 wuchs der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoss wieder, weltweit um mehr als fünf Prozent! «Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass der dringend notwendige Kurswechsel bei den Energietrends eingeleitet wurde», folgert nun die IEA in ihrem gestern veröffentlichten Weltenergie-Ausblick 2011.
Die Schlüsse, welche die IEA aus ihrem Befund zieht, tönen dramatisch: «Die Handlungsspielräume werden immer kleiner.» Ohne einen «baldigen und entschiedenen Kurswechsel in der Energiepolitik» begebe sich die Welt auf den Weg in ein «unsicheres, ineffizientes und kohlenstoffreiches Energiesystem».
Weiter wie bisher: 50 % mehr CO2-Ausstoss
Wie die Energieversorgung bis 2035 aussieht, wenn der Kurswechsel ausbleibt, zeigt die IEA im Szenario «Weiter wie bisher», das auf der heutigen Politik basiert. Demnach wächst der Verbrauch von Primärenergie vom Ausgangsjahr 2009 bis 2035 um 50 Prozent. Der Anteil der fossilen Energie am gesamten Verbrauch bleibt mit 80 Prozent nahezu gleich hoch wie heute. Darum steigt auch der Ausstoss des klimawirksamen Gases CO2 um 50 Prozent. Bei diesem Szenario droht laut IEA langfristig eine Klimaerwärmung um sechs Grad.
Wie stark dieser Trend vom Soll abweicht, illustriert das Klimaschutz-Szenario 450; dieses begrenzt den CO2-Gehalt in der Atmosphäre auf 450 ppm (Teile pro Million) und die Klimaerwärmung auf zwei Grad. Der Energieverbrauch steigt bei diesem Wunschszenario, nur um 22 Prozent. Zudem wird viel fossile Energie durch Atom- und erneuerbare Energie ersetzt. Folge: Der CO2-Ausstoss sinkt bis 2035 um 25 Prozent.
»Neue Energiepolitik» reicht nicht
Den Mittelweg zeigt die IEA in ihrem Hauptszenario «Neue Energiepolitik». Dieses setzt optimistisch voraus, dass die Regierungen ihre energiepolitischen Ankündigungen umsetzen. In diesem Fall wächst der Energieverbrauch bis 2035 um 40 Prozent, wobei der Anteil an Atom- und erneuerbarer Energie leicht zunimmt. Innerhalb der weiterhin dominierenden fossilen Energie sinkt der Anteil des Erdöls und der kohlenstoffreichen Kohle, während das kohlenstoffarme Erdgas seinen Marktanteil erhöht.
Durch diese Verschiebung steigt der CO2-Ausstoss mit 26 Prozent weniger stark als der Energieverbrauch. Doch das reicht nicht, um den Klimawandel genügend zu begrenzen. Laut IEA ist bei diesem Hauptszenario mit einer globalen Temperaturerwärmung um 3,5 Grad zu rechnen.
Vom globalen Trend gibt es deutliche Abweichungen: So entfallen annähernd 90 Prozent des Zuwachses beim Energieverbrauch auf die Entwicklungs- und Schwellenländer, nur zehn Prozent auf die Industriestaaten. Trotzdem verbrauchen zum Beispiel die USA im Jahr 2035 immer noch doppelt soviel Energie pro Kopf wie das aufholende China.
Wirtschaft treibt Energie – und wird von ihr getrieben
Für alle Szenarien setzt die IEA das gleiche Wachstum der Weltwirtschaft voraus, nämlich 3,5 Prozent pro Jahr. Damit würden im Jahr 2035 weltweit 145 Prozent mehr Güter und Dienstleistungen produziert und konsumiert als 2009! Die Wirtschaft wächst damit stärker als der Energieverbrauch, weil die IEA bei allen Szenarien eine Steigerung der Energieeffizienz voraussetzt.
Umgekehrt wirkt sich die Entwicklung der Energieversorgung auch auf die Wirtschaft aus: Beim Szenario «Weiter wie bisher» dürfte der wachsende Verbrauch das Erdöl verteuern, was arme Staaten zwingt, das Öl für die arme Bevölkerung noch mehr als bisher zu subventionieren. Andererseits erfordert die neue Energiepolitik und insbesondere das Klimaschutz-Szenario viel höhere Investitionen und Subventionen zur Nutzung der erneuerbaren Energie.
In allen Szenarien wird sich die Energieversorgung auch deshalb verteuern, weil die leicht ausbeutbaren Öl- und Gasquellen allmählich versiegen. Dies wiederum könnte das massive Wachstum der Weltwirtschaft abschwächen, welches die IEA für alle Szenarien voraussetzt, oder regional zu schockartigen Einbrüchen führen. Solche – schwer abschätzbaren – Rückkoppelungen der künftigen Energieversorgung auf die Wirtschaftsentwicklung lassen alle Szenarien der IEA ausser Acht. Darum lässt sich nur bedingt voraus sagen, wie die Energiezukunft mittel- und langfristig aussieht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine