Tödliche Pillen: Pharma-Verfilzung macht’s möglich
Noch bis zum 15. November ist der Arte-Film online (siehe Link unten). Seit den 90er Jahren gab es Hinweise auf die Gefährlichkeit von «Mediator», insbesondere in Bezug auf Herz und Lunge. Und bereits 1997 gab es Hinweise auf seine Wirkungslosigkeit bei der Diabetes-Behandlung. Doch entgegen jeder Logik blieb das Prestigeprodukt des französischen Pharmaunternehmens Servier bis November 2009 auf dem Markt. Die Kosten mussten die Krankenkassen bis zum Schluss erstatten.
Arte hat aufgedeckt, dass sich einige der für die Medikamentenüberwachung zuständigen Fachleute der Behörde sogar von der Firma Servier bezahlen liessen.
Die Dokumentation beleuchtet das weit verzweigte Netz an Kontakten zu Medizin, Forschung und Politik, das der Unternehmensgründer Jacques Servier im Laufe der Zeit aufgebaut hatte und das ihn und sein Labor 32 Jahre lang vor Angriffen geschützt hat. Opfer sind unzählige Patientinnen und Patienten.
Problem auch in der Schweiz
Das Medikament Mediator war zwar in der Schweiz nie zugelassen. Doch auch die Schweizer Behörden sind der Pharmaindustrie häufig ausgeliefert. Die Medikamentenforschung ist besonders anfällig für Manipulationen, weil die Zulassung eines Medikaments Milliarden einbringen kann.
Die Problematik liegt besonders darin, dass die zur Registrierung eines neuen Arzneimittels benötigten Studien prinzipiell von den Herstellern finanziert, durchgeführt und unter deren Freigabe publiziert werden. Da die Studiendaten den Herstellern gehören, ist es schwierig, die Korrektheit der Aussagen anhand der erhobenen Daten überhaupt überprüfen zu können, da neutralen Experten selten ein Einblick in die gesamte Datenlage gewährt wird. Gesundheitsbehörden sind im heutigen Gesundheitssystem praktisch in «Treu und Glauben» den Herstellern ausgeliefert.
Medikamentennutzen in der Praxis wird kaum überprüft
Umso erstaunlicher – um nicht einfach zu sagen: politisch naiv – ist es, dass zu der Überprüfung der sehr limitierten Datenlage aus der optimierten klinischen Forschung und zur Bestätigung der meist sehr theoretischen Krankheitsmodelle und Wirkungsweise der Medikamente die Bestätigung im praxisorientierten, breiten Verordnungsalltag nicht eingefordert wird und damit der Datenmanipulation und des marketingmässigen Verordnungsmissbrauches Tür und Tor geöffnet wird.
Mit einer Prüfung der «Zweckmässigkeit» eines neuen Heilmittels, also deren Behandlungsnutzen, Behandlungssicherheit und Behandlungsnotwendigkeit, könnte man die Verordnungs- und Patientensicherheit qualitativ wesentlich fördern. Über ökonomische Kosten/Nutzen-Analysen, die an die Preisbildung und Preisüberprüfung von SL-Medikamenten angebunden würden, liessen sich neben der Verordnungssicherheit auch die Medikamentenpreise nach deren Qualität steuern.
Reformvorschlag veröffentlicht
Mein 2009 publizierte Reformvorschlag bei der Preisbildung neuer patentgeschützter Originalpräparate mit entsprechender Auswirkung auf alle kassenpfllichtigen Präparate (inkl. Generika) erhält aufgrund dieser Sendungen erneut seine Berechtigung, als konstruktive Reformgrundlage diskutiert zu werden (siehe Attachment). Dieser Vorschlag beinhaltet die Interessen sämtlicher im Umgang mit den Medikamenten betroffenen Parteien und fördert insbesondere die Verantwortung der Hersteller hinsichtlich der Verordnungs- und Patientensicherheit.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist selbsternannter «Patientenvertreter» und benutzt bei seiner Tätigkeit den Namen «MEDVICE». Allerdings gehört dieser Name seit 2009 der Medvice GmbH in Maur ZH, mit der Keusch nichts zu tun hat. [Anfänglich hiess es an dieser Stelle fälschlicherweise, Andreas Keusch sei Inhaber der Medvice GmbH in Maur ZH,]