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Präsident Bush impfte der Öffentlichkeit ein, Saddam Hussein gehöre zu den Drahtziehern von 9/11 © ss

Viele Medien sind der US-Propaganda aufgesessen

upg /  Präsident Bush missbrauchte 9/11 als Vorwand für den Krieg im Irak. Manche Journalisten und Experten sind darauf hereingefallen.

«Die Journalisten werden als Instrument der Kriegsführenden benutzt und haben ihre Unschuld verloren», schrieb Nahost-Korrespondent Ulrich Tilgner im August 2003. Nach 9/11 hatten hohe US-Militärs sogar öffentlich angekündigt, dass ein «Informationskrieg» bevorstehe, in dem «auch gelogen» werde.
Eigentlich wissen alle, die es wissen wollen, bereits seit Veröffentlichung der geheimen Pentagon-Papiere im Jahr 1971, wie Washington die Menschen gezielt irreführte, um den Krieg und die Kriegsführung in Vietnam zu rechtfertigen. Journalisten und Experten waren zur Genüge gewarnt.
Die zwei fundamentalen Lügen
Doch die Bush-Administration konnte mit Erfolg zwei fundamentale Lügen in die Welt setzen:
1. Saddam Hussein sei eng mit Al-Qaida verbündet und für die Attentate auf die beiden Wolkenkratzer des World Trade Centers und auf das Pentagon mit verantwortlich.
2. Saddam Hussein verfüge über chemische und biologische Massenvernichtungswaffen und sei nahe daran, eine Atombombe zu produzieren.
Diese ständig wiederholten Lügen der Bush-Administration haben amerikanische Medien ebenso regelmässig und weitgehend unkritisch verbreitet. Als Folge davon brachte die amerikanische Bevölkerung Saddam in engste Verbindung mit Osama Bin Laden: Im Januar 2003 glaubten 65 Prozent der Erwachsenen in den USA, dass es zwischen Saddam und Al-Qaida eine «enge Zusammenarbeit» gibt. Und 44 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die meisten Terroristen des elften Septembers Iraker (und nicht Saudis) gewesen seien.
«Freie Bahn nach Bagdad»
Ein halbes Jahr bevor die USA am 20. März 2003 mit einer «Koalition von Willigen» ohne Ermächtigung durch den Uno-Sicherheitsrat den Irak bombardierten und dort einmarschierten, hielt Urs Gehriger, damals Auslandredaktor beim Tages-Anzeiger und heute bei der Weltwoche, einen Krieg für unvermeidlich, weil der Irak tatsächlich über Massenvernichtungswaffen verfüge. Dies zu bestreiten sei «unhaltbar, weil sich die bestinformierten Geheimdienste kaum alle irren können». Deshalb habe Bush «ein Jahr nach dem Sieg über die Taliban freie Bahn nach Bagdad».
Wenige Tage später konnte sich Gehriger bestätigt fühlen. George W. Bush unterbreitete dem Kongress eine Lügen-Resolution mit folgenden Passagen:
«Der Irak besitzt und entwickelt ein gewaltiges Potenzial an chemischen und biologischen Waffen und strebt aktiv nach einsetzbaren Atombomben.»
«Mitglieder der Organisation Al-Qaida, welche für die Attacken vom 11. September verantwortlich ist, befinden sich im Irak.»
«Die Angriffe vom 11. September bewiesen die ernsthafte Gefahr, dass der Irak Massenvernichtungswaffen an internationale Terrororganisationen weiter gibt.»
«Es besteht ein hohes Risiko, dass das gegenwärtige Regime im Irak Massenvernichtungswaffen entweder für einen Überraschungsangriff gegen die USA einsetzen oder sie internationalen Terroristen zu diesem Zweck zur Verfügung stellen.»
Jetzt glaubte selbst Andreas Rüesch, NZZ-Korrespondent in Washington, den Behauptungen der CIA. Der Geheimdienst habe «indirekt bestätigt», berichtete er, dass «ein in die enge getriebener Saddam Hussen chemische oder biologische Waffen einsetzen» wird. Diese Einschätzung des CIA «kann kaum jemanden erstaunen», befand Rüesch.
In der Schweizer Illustrierten war sich der deutsche «Experte» und frühere Kriegsberichterstatter Peter Scholl-Latour sicher: «Zweifellos verfügt Saddam Hussein über chemische, wohl auch bakteriologische Kampfstoffe.»

«Der Krieg wurde verkauft»
Ende Januar 2003, knapp zwei Monate vor Kriegsbeginn, doppelten die willigen Regierungschefs Tony Blair, Silvio Berlusconi, José Maria Aznar und drei weitere mit einem «gemeinsamen Aufruf» nach (nur Bundeskanzler Gerhard Schröder unterschrieb nicht):
«Das irakische Regime und seine Massenvernichtungswaffen sind eine klare Bedrohung für die Weltsicherheit.»
«Wir wollen die Welt von der Gefahr der Massenvernichtungswaffen befreien.»
Die meisten Medien haben dieses Papier der willigen Regierungschefs mit grossen Schlagzeilen übernommen, ohne die Aussagen zu hinterfragen.
Je näher der Tag des geplanten Angriffs kam, desto dreister wurden die Lügen. Im Februar 2003 erklärte Präsident Bush:
«Saddam Hussen hat Armee-Kommandanten kürzlich ermächtigt, chemische Waffen einzusetzen – Waffen, die er behauptet, gar nicht zu besitzen.»
Und am 16. März, vier Tage vor Kriegsausbruch, verbreitete Vizepräsident Dick Cheney:
«Wir sind überzeugt, dass er (Saddam) Atomwaffen hergestellt hat».
«Es ging in erster Linie darum, den Irak-Krieg zu verkaufen», stellte Paul Krugman fest, liberaler Kolumnist der New York Times. Wilde und erfundene Vorwürfe an den Irak machten jeweils grosse Schlagzeilen, während spätere Dementis im Kleingedruckten erschienen. Als ein Beispiel nannte Krugman Präsident Bushs weit verbreitete Behauptung, dass eine Studie der Internationalen Atomenergieagentur IAEA zum Schluss gekommen sei, Saddam Hussein besitze «in nur wenigen Monaten» eine Atombombe, und Bush fügte an: «Ich verstehe nicht, warum wir noch mehr Beweise brauchen.» In Tat und Wahrheit war in diesem IAEA-Bericht nichts dergleichen zu finden. Die meisten Journalisten machten sich nicht einmal die Mühe, diesen Bericht zu lesen. Spätere Dementis gingen unter.
Unmittelbar vor Kriegsausbruch stellte Geschichtsprofessor Hans Ulrich Jost im Tages-Anzeiger fest: «Es ist erschreckend, mit welchen massiven Mitteln der von Fälschungen und Lügen durchzogene Propagandakrieg geführt wird.»
Fortsetzung der Lügengeschichten nach Kriegsausbruch
In der ersten Phase des Kriegs übernahmen viele Medien neben vielen andern Lügengeschichten auch diejenige über die 19-jährige amerikanische Gefreite Jessica Lynch, die sich angeblich heldenhaft gegen Aufständige gewehrt hatte und dank einer dramatischen Befreiungsaktion schwer verletzt aus einem Spital, das angeblich in Feindesgebiet lag, befreit wurde. Ausser ihren zahlreichen Knochenbrüchen als Folge einer Granate war an dieser Geschichte alles erfunden.
Hanspeter Born: «Wir erleben historische Tage»
Unter den relativ einsamen Warnern befand sich Daniel Cohn-Bendit: «Es wird tausende Tote und Verstümmelte geben. Familien werden ausgerottet, Kinder verkrüppelt und traumatisiert. Die Infrastruktur wird zerstört…Der Terrorismus wird nicht weniger, sondern eher noch stärker werden. Im Krieg gibt es nur Verlierer.»
Solche Töne missfielen Auslandredaktor Hanspeter Born. Ende März 2003, zwei Wochen nach Kriegsbeginn, schrieb er in der Weltwoche ziemlich vorschnell: «Alle von Medien ausgemalten Katastrophenszenarien sind bisher ausgeblieben». Die Kriegsgegner müssten über die Bücher gehen: «Weder sind, wie am Fernsehen von ‹Experten› prophezeit, Tausende und Abertausende von Frauen und Kindern umgekommen, noch sind Hunderttausende von Flüchtlingen unterwegs.» Born kam sogar ins Schwärmen: «Wir erleben historische Tage, in denen die einzig verbleibende Supermacht Gelegenheit hat, ihre angeschlagene Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen.»
Unterstützt wurde Born von der deutschen Publizistin Katharina Rutschky im Tages-Anzeiger: «Fest steht schon heute, dass dieser Krieg als der erste zivilisierte Krieg in die Geschichte eingehen wird.» Noch nie habe die Befreiung eines Landes so wenige Opfer gefordert. Auch Peter Forster im St. Galler Tagblatt titelte: «Sieg in drei Wochen». Ludovic Monnerat, auch Redaktor der Militärzeitung, machte im Juli 2003 in der Sonntags-Zeitung alle Pessimisten lächerlich: Die Uno habe 1,5 Millionen Flüchtlinge an die Wand gemalt, dabei seien es nur wenige tausend. Und statt der 200’000 befürchteten Toten habe es lediglich rund 20’000 zivile und militärische Opfer gegeben.
Islamspezialist Reinhard Schulze lag richtig
Anders Reinhard Schulze, Professor für Islamwissenschaften, im April 2003 im «Bund»: «Der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Ich glaube, man sollte den Jubel nicht überschätzen.»
Drei Jahre später sprach Präsident Bush von rund 30’000 Toten und eine vom Wissenschaftsmagazin «Lancet» veröffentlichte Studie kam 2006 zum Schluss, dass der Irakkrieg sogar über 600’000 Todesopfer gefordert hat. Ende 2005 hatte das irakische Gesundheitsministerium erklärt, die Koalition der Willigen habe verboten, eine Statistik über zivile Tote und Verletzte zu führen.
Die Zahl der Flüchtlinge wird unterdessen auf über zwei Millionen geschätzt, über 800’000 davon flohen allein ins Nachbarland Syrien.
Zahme Medien haben der Täuschung Vorschub geleistet
Einige amerikanische Medien haben sich für das unkritische Verbreiten von Lügen und Halbwahrheiten bei ihren Leserinnen und Lesern entschuldigt. Darunter die «New York Times» und der «Miami Herald». Deren Kolumnist gab zu, dass sich die Zeitung «allzu oft zur Komplizin gemacht» habe, namentlich was das unkritische Verbreiten der Behauptungen der Bush-Cheney-Administration über irakische Massenvernichtungswaffen angeht.
Scott McClellan, Sprecher des US-Präsidenten in den Jahren 2003 bis 2006, gibt heute zu, dass Präsident Bush die öffentliche Meinung im Vorfeld des Irak-Krieges manipuliert hat. Unter Leitung von Präsident Bush habe man mit einer aggressiven Propaganda «den Krieg verkaufen» wollen. Die allzu zahmen Medien hätten dabei geholfen, die Öffentlichkeit zu täuschen.
In einer Analyse der Irak-Kampagne kam das Center for Public Integrity in Washington zum Schluss, dass Regierungsmitglieder und das Pentagon insgesamt 935-mal Falschaussagen verbreitet hatten, und spricht von «orchestrierten Lügen auf dem Weg zum Krieg». Wer die Analyse durchlese, könne sich «kaum noch des Eindrucks erwehren, dass diese Einschätzung zutrifft», kommentierte die NZZ. Es stelle sich die Frage, wann «professionelles Lügen» selbst dann ungeahndet bleibt, wenn die Akteure dabei erwischt werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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Eine Meinung zu

  • am 12.09.2011 um 16:11 Uhr
    Permalink

    Gute Aufklärung: wie die Schweizer Medien die PR-Botschaft von George W Busch übernahmen. Besonders stark die Pointe, dass die bestinformierten Geheimdienste kaum alle irren können(Tages Anzeiger). Ein gut informierter Journalist sollte eigentlich den Geheimdiensten nicht glauben.

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