«Arbeit mit Julian Assanges Wikileaks war falsch»
Seit Julian Assange die Datenbank mit Botschaftsdepeschen der USA letzte Woche ungefiltert mit der Offenlegung aller Namen ins Netz stellte, hat der Guardian jeglichen Kontakt mit dem Wikileaks-Gründer abgebrochen.
Bedenken von Menschenrechtsorganisationen
Die Namensnennungen setzen sich über Warnungen der US-Regierung, aber auch über Bedenken von Menschenrechtsorganisationen hinweg. «Stellen Sie sich vor, was jetzt einheimischen Gesprächspartnern der US-Botschaften in Burma, Pakistan oder China passieren kann», ärgert sich David Leigh diese Woche am Mediapodium der Schweizer Journalistenschule MAZ. Leigh ist «Investigative Executive Editor» des Guardian und Professor an der City University in London.
«Wenn wir gewusst hätten, dass Assange eines Tages Geheimdokumente ungefiltert ins Netz stellt, hätten wir gar nie mit ihm zusammengearbeitet», sagte Leigh gegenüber Infosperber. Es sei erst jetzt klar geworden, dass Assange der Meinung ist, dass Informanten von US-Botschaften nichts Besseres verdient hätten als öffentlich angeprangert zu werden.
Assange versucht, Schuld abzuschieben
Assange erklärte diese Woche, an der ungefilterten Veröffentlichung durch Wikileaks sei der Guardian schuld. Ein Guardian-Journalist hatte zwar den Fehler begangen, das Passwort zu den Dokumenten in einem Buch zu veröffentlichen. Er ging davon aus, dass dieses ständig geändert wird und längst nicht mehr gültig ist. Wikileaks hätte das Passwort auch jetzt noch rechtzeitig ändern können.
Die vier Zeitungen Guardian, New York Times, Le Monde, El Pais und der Spiegel hatten geheime bis streng geheime Informationen aus erster Hand aus den Kampfgebieten in Afghanistan und in Irak, aus dem Gefängnis von Guantanamo und die erwähnten E-Mail-Korrespondenzen zwischen US-Botschaften und dem State Department in Washington gesichtet, gefiltert, teilweise anonymisiert und dann veröffentlicht.
Ganze Datenbanken hatte Wikileaks-Betreiber Julian Assange diesen Zeitungen angeboten. Der angeklagte US-Soldat Bradley Manning wird verdächtigt, aus idealistischen Motiven der «grösste Enthüller der Geschichte» zu sein und die kopierten Datenbanken Wikileaks zur Verfügung gestellt zu haben.
Die vier grossen Weltzeitungen hätten beschlossen, die Daten gemeinsam auszuwerten und gleichzeitig zu veröffentlichen, um es den amerikanischen und britischen Behörden zu erschweren, die Publikation zu verhindern, erklärte der Recherchen-Chef des Guardian: «Die Dokumente enthüllen ganz konkret die Schrecken der Kriege, was von grossem öffentlichem Interesse ist.»
«Enthüllungen haben Zukunft, aber nicht Wikileaks»
Für David Leigh ist klar: «Wikileaks hat keine Zukunft mehr». Doch auch in Zukunft werde es wieder grosse Datenlecks geben. Hochsensible Unterlagen seien nicht mehr als Papierdokumente in Panzerschränken verschlossen, sondern würden elektronisch in verschlüsselten Datenbanken aufbewahrt. Es werde immer wieder gelingen, eine solche Datenbank zu knacken, was dann jeweils die Offenlegung riesiger Mengen von geheimen Daten bedeute.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine