Bankenlobby hat agiert, die Politik geschlafen
Banken dürfen «garantiert 100 Prozent Kapitalrückzahlung» versprechen und vertuschen, dass sie für die Spekulationspapiere gar nicht selber haften. Banken dürfen Kunden zum Spekulieren animieren, auch wenn deren Vermögen dafür zu klein ist.
Vor 1993 strafbar
All das durften die Banken früher nicht. Geprellte Bankkunden hätten Strafanzeige erstatten können, sobald sie sich des unlauteren Gebarens der Banken bewusst wurden. Denn bis dahin gab es im Strafgesetzbuch seit über hundert Jahren den Straftatbestand «Verleitung zur Spekulation». Diesen Straftatbestand hatte das Bundesamt für Justiz offiziell wie folgt definiert:
«Strafbar ist, wenn jemand in der Absicht, sich oder einem andern einen Vermögensvorteil zu verschaffen, die Unerfahrenheit einer Person in Börsengeschäften oder ihren Leichtsinn benützt, um sie zur Spekulation in Wertpapieren zu verleiten, obwohl er wissen sollte, dass die Spekulation zum Vermögen der verleiteten Person in offenbarem Missverhältnis steht.»
Jahrelang hatten die Banken vergeblich dafür lobbyiert, diesen Straftatbestand abzuschaffen. Erst 1993 gelang ihnen dies im Rahmen einer generelleren Überholung des Strafgesetzbuches. Viktor Parma und Oswald Sigg haben diesen politischen Entscheid, der für viele Kleinsparer verhängnisvoll werden sollte, in ihrem neuen Buch «Die käufliche Schweiz» aus der Vergessenheit geholt.
Für Viktor Parma ist dies ein typisches Beispiel dafür, wie sich die politische Elite «unwissend» manipulieren lässt. Das Parlament habe diesen Straftatbestand (Art. 158 StGB) gestrichen, ohne darüber auch nur zu diskutieren. Die Lobby der Banken und Wirtschaftsverbände im Parlament lachte sich ins Fäustchen – und die Linke hat geschlafen.
Der damals zuständige Justizminister (CVP-Bundesrat Arnold Koller) könne sich heute nicht einmal mehr daran erinnern, dass es jemals einen solchen Straftatbestand gegeben hat, sagte Buchautor Viktor Parma an der Buch-Vernissage in Bern.
Im früheren Rechtshilfevertrag mit den USA noch enthalten
Im alten Rechtshilfevertrag mit den USA aus dem Jahr 1973, der 1977 in Kraft trat, war die Straftat der «Verleitung zur Spekulation» zusammen mit «ungetreuer Geschäftsführung» noch explizit aufgeführt. Das gleiche gilt für Rechtshilfeabkommen mit einigen andern Ländern.
Das Delikt der «Verleitung zur Spekulation» hatten die Strafbehörden früher immer wieder verfolgt. Doch seit die Banken vor diesem Straftatbestand keine Angst mehr haben müssen, haben sie in den letzten fünfzehn Jahren Zehntausende ihrer Kunden zu hoch spekulativen Geschäften verführt, wie dem Kauf von Schrottpapieren der Investmentbank Lehman Brothers. Getäuschte Kunden können sich seit 1993 nur in extremen Fällen und nur zivilrechtlich wehren.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine