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Screening zur Früherkennung: Ohne grossen Nutzen © © Sven Bähren/Fotolia.com

Die Brustkrebs-Früherkennung nützt fast nichts

upg /  In den Industrieländern sterben immer weniger Frauen an Brustkrebs – mit oder ohne Mammo-Screening-Programme.

In der Westschweiz gibt es bereits von den Kassen bezahlte Screenings, der Kanton St. Gallen hat es eben eingeführt, der Kanton Bern hat die Einführung ab 2013 beschlossen und einige Millionen dafür bereit gestellt. Anders der Kanton Zürich: Er hat sich gegen ein Screening-Programm ausgesprochen.
Praktisch alle Krebsspezialisten und Epidemiologen sind sich einig, dass es nützlicher wäre, wenn die Kantone die Früherkennung von Darmkrebs finanziell fördern würden. Deren Nutzen ist besser belegt. Doch die Brustkrebs-Lobby ist stärker als die Darmkrebs-Lobby.
BAG: «Geringer Einfluss des Brustkrebs-Screenings»
«Der geringe Einfluss eines organisierten Mammographie-Screenings auf die Gesamtmortalität ist bekannt», erklärt Daniel Dauwalder, Sprecher des Bundesamts für Gesundheit. Um einen einzigen Todesfall an Brustkrebs zu verhindern, müssten sich 2000 Frauen zehn Jahre lang alle zwei Jahre screenen lassen.
Chefarzt Thomas Cerny, langjähriger Promotor von Brustkrebs-Screenings, sieht es etwas weniger drastisch: Nur 400 Frauen müssten zehn Jahre lang teilnehmen, um einen Todesfall zu verhindern. Eine neue Studie des «International Prevention Institute» in Lyon, die in der renommierten Fachzeitschrift «British Medical Journal» erschien, bezeichnet Cerny schlichtweg ein «schwaches Papier». Bessere Studien würden zeigen, dass die Todesfälle zur Hälfte dank des Screenings zurückgingen.
Die neue Studie kommt zum Schluss, dass die Mammographie-Screenings zur Früherkennung von Brustkrebs «auf die Sterblichkeit an Brustkrebs keinen direkten Einfluss haben».
Todeszahlen in sechs Ländern verglichen
Weil die Resultate der neuen BMJ-Studie den Befürwortern, die an den Mammo-Screenings häufig selber direkt oder indirekt verdienen, nicht passt, haben sie die im Juli veröffentlichte Studie bisher den Frauen auch nicht bekannt gemacht.
Die Forscher haben dreimal je zwei Länder mit ähnlicher Bevölkerung verglichen. Das eine Land jeden Paares hat das Screening zehn bis fünfzehn Jahre später eingeführt als das andere. Resultat: Das Screening hatte statistisch keinen Einfluss auf die abnehmenden Todesfälle. In allen Ländern starben seit 1989 immer weniger Frauen an Brustkrebs – unabhängig von der Früherkennung. Den Erfolg hätten wahrscheinlich neue wirksame Medikamente sowie bessere Bestrahlungsmethoden gebracht.

Ähnlicher Nachweis für Gebärmutterhalskrebs gelungen

Mit ähnlichen Vergleichen war bewiesen worden, dass die Früherkennung des Gebärmutterhalskrebs mit einem Abstrich («Pap-Test») jenen Ländern Vorteile brachte, welche diese Krebsvorsorge früher eingeführt hatten. Gegen diesen Ländervergleich war keine Kritik laut geworden.
Das gleiche wollten die Forscher jetzt mit der Früherkennung von Brustkrebs nachweisen. Allerdings ohne Erfolg.
Nordirland hatte das Mammographie-Screening 1990 zehn Jahre vor der Republik Irland eingeführt. In der Republik ging die Brustkrebssterblichkeit zwischen 1989 und 2006 um 27 Prozent zurück, in Nordirland um vergleichbare 30 Prozent.

In Norwegen gingen Todesfälle sogar stärker zurück

In den Niederlanden wird die Mammographie seit 1989 angeboten, im vergleichbaren belgischen Landesteil Flandern erst seit 2001. Trotzdem ging die Brustkrebssterblichkeit seit 1989 in beiden Gebieten um 25 Prozent zurück.
Das bestätigt einen früheren Befund: Obwohl die holländische Stadt Nijmegen das Screening bereits 1975 eingeführt hatte, sank dort die Brustkrebssterblichkeit nicht früher und nicht stärker als in den übrigen Niederlanden.

Als drittes Länderpaar haben die Forscher Schweden mit Norwegen verglichen. In Schweden erfasste das Mammographie-Screening bis 1990 sämtliche Landesteile. Im benachbarten Norwegen war das Screening erst 2005 im ganzen Land verbreitet. Trotzdem ging in Norwegen die Sterblichkeit an Brustkrebs seit 1989 mit 24 Prozent sogar stärker zurück als in Schweden mit 16 Prozent.

Gleich viele fortgeschrittene Tumore

Die Autoren nennen für den geringen Einfluss des Brustkrebs-Screenings auf die Sterblichkeit ein weiteres starkes Indiz an: Eine systematische Früherkennung sollte eigentlich dazu führen, dass ein paar Jahre später weniger Tumore erst im fortgeschrittenen Zustand entdeckt werden. Doch in Nordirland und den Niederlanden, wo die systematische Früherkennung bereits vor zwanzig Jahren eingeführt wurde, ist die Zahl der Erkrankungen an Brustkrebs im fortgeschrittenen Zustand gleich geblieben.
Rückgang bei Altersgruppe, die am Screening gar nicht teilnimmt
Hauptautor Philippe Autier weist zudem darauf hin, dass der Rückgang der Brustkrebssterblichkeit in den meisten Länder bereits einsetzte, schon bevor mit dem Mammographie-Screenings begonnen wurde. Am grössten war der Rückgang in der Gruppe der 40 bis 49-Jährigen, von denen die meisten am Screening gar nicht
Schweiz: Wenn 600’000 Frauen mitmachen würden
Ähnliches gilt für die Schweiz: Die Sterblichkeit an Brustkrebs nimmt bereits seit zwanzig Jahren kontinuierlich ab, bisher um insgesamt 23 Prozent. Heute sterben jährlich noch 1350 Frauen an Brustkrebs. Bisher war die Krebsliga davon ausgegangen, dass ein flächendeckendes Früherkennungsprogramm unter Teilnahme aller gesunden 600’000 Frauen im Alter im Alter zwischen 50 und 69 «jährlich 120 bis 150 Leben retten könnte». Das wären zehn Prozent der insgesamt 1350 Brustkrebs-Todesfälle.

Unnötige Operationen und viele falsche Befunde

Je geringer der Nutzen des Screenings gesunder Frauen ist, desto mehr fallen die Schäden ins Gewicht, wie sich bereits bei andern Studien gezeigt hat: Bei einem flächendeckenden Screening würden in der Schweiz etwa 300 Frauen (je nach Studie zwischen 50 und 500) ohne Nutzen operiert. Denn die früh entdeckten Krebszellen hätten sich im Körper nicht verbreitet oder wären sogar wieder verschwunden. Fälschlicherweise glauben diese operierten Frauen, dass die Früherkennung und die wenig invasive Operation sie vor Schlimmerem bewahrt hat. Zusätzlich würden bei einem flächendeckenden Screening weitere rund 10’000 Frauen mit einem Verdacht konfrontiert, der sich erst nach weiteren Untersuchungen als falsch erweist.

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