NZZaS: Modischer Zynismus auf hochwertigem Papier
»Die Redaktion wird im neuen Magazin ‹Stil› den Fokus auf einen lebensnahen und relevanten Lifestyle legen,» heisst es in der Medienmitteilung, die vor ein paar Tagen zum Beispiel unter «persoenlich.com» nachzulesen war. Und weiter wörtlich: «Das Magazin ist nahe am Alltag unserer Leserinnen und Leser. Es soll in der Fülle der Informationen rund ums Thema Lebensart Orientierung bieten – verlässlich und geistreich», sagt Katharina Blansjaar, die verantwortliche Ressort-Leiterin.
»relevant» und «geistreich»
Interessant: Der Fokus liegt auf einem «relevanten» Lyfestyle! Und es gibt da nicht nur «Information», sondern auch «Orientierung». «Verlässliche» sogar. Und erst noch «geistreich»!
Da darf man ja gespannt sein. Hohe Erwartungen allerdings sollte man nicht haben. Denn das im selben Verlag erscheinende und der selben NZZ am Sonntag beiliegende Magazin Z wurde im ersten Editorial ähnlich hochtrabend als intellektuell hochstehend und anspruchsvoll angekündigt. Und es war dann doch nur eine Inseraten-Plantage mit ein paar Texten drumherum.
Da gemäss Medienmitteilung gegenüber dem heutigen Stil-Bund in der NZZ am Sonntag nur das Format (künftig im «Magazin-Format») und die Papier-Qualität (künftig auf «hochwertigem Papier») ändert, darf man wohl davon ausgehen, dass der Inhalt in etwa derselbe bleibt.
Der heutige Stil-Bund als Vorbild
Ein Blick in die NZZ am Sonntag vom 26. Juni 2011 zeigt, was hier unter «relevant», unter «Orientierung» und unter «geistreich» etwa verstanden wird. Auftaktseite: Ein ganzseitiges Bild einer leeren (männlichen) Schönheit von einer Modeschau in Milano. Grosser Titel: «Alles neu macht Mailand». Aha, das ist es wohl, was die NZZ am Sonntag unter «geistreich» versteht»: in diesem Fall die sprachliche Anlehnung an den Gedichtanfang von Hermann Adam von Kamp aus dem Jahr 1829 «Alles neu macht der Mai». So weit so gut. Wer dann aber auch noch die dazugehörende Reportage «Der Mann von morgen ist hybrid» aufschlägt, findet vor allem kleine Bildchen (sieben an der Zahl) und dazu ein einziges übergrosses Bild. Bildlegende: «Typisch D&G: zerrissene Jeans». Das dürfte nun also der Fokus auf den «relevanten» Lyfestyle sein und die versprochene «Orientierung».
gedankenlos, geschmacklos, zynisch
Mit Verlaub: Die Liebe des Mode- und Lebensart-Journalisten Jeroen van Rooijen zu «Destroyed Jeans», wie die künstlich zerrissenen und schon vor dem Verkauf im Modehaus vermeintlich kreativ zerschlissenen Bluejeans im Mode-Slang genannt werden, ist der reine Zynismus. Eine gute Milliarde Menschen sind auf unserer Erde der totalen Armut ausgeliefert. Sie gehen, bei weniger als einem Dollar Einkommen am Tag, jahrelang in den gleichen Kleidern herum: zerissen, zerschlissen, mit anderen Stoffstücken geflickt und ergänzt. Und sie träumen davon, wenigstens einmal im Leben einen neuen Anzug kaufen zu können.
Was aber macht die verwöhnte und total dekadente westliche Welt damit? Sie erhebt diese zerrissenen und zerschlissenen Hosen zum Mode-Gag – nicht nur D&G, Dolce Gabbana, übrigens. Und Freude an dieser gedankenlosen, geschmacklosen, ja zynischen Mode haben nicht nur die (durch die Werbung zur Dummheit erzogenen) Jugendlichen, auch der Mode-Chef-Journalist der NZZ am Sonntag Jeroen van Rooijen himself propagiert diese Symbole der Armut als «Lebensart»!
Und solche Lebensunart, horribile dictu, ausgerechnet in einer Publikation des NZZ Verlages.
Nachtrag vom 13. Oktober 2013:
Man beachte auch die brisanten Informationen auf Infosperber über die gesundheitlichen Schäden, die beim künstlichen «Alt-Machen» der Bluejeans verursacht werden. Dutzende von Menschen sind dabei schon zu Tode gekommen. Ein Skandal.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine