Der Schweizer Waffenhändler aus Wohlen BE
Während des Volksaufstandes in Ägypten bedrohten Geheimdienstler mit Schweizer Sturmgewehren Demonstrierende. In Bahrain marschierten saudische Truppen mit Schweizer Radschützenpanzern ein, um die mehrheitlich schiitische Demonstration zu unterdrücken.
Für beide Waffenlieferungen hatte das Staatsekretariat für Wirtschaft Seco eine Exporterlaubnis erteilt. Dass die Schweizer Rüstungsindustrie ihre Waffen immer wieder auch in Länder verkauft, wo sie gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass auch im oftmals undurchsichtigen Markt für kleine und leichte Waffen – Pistolen, Sturmgewehre, Granatwerfer oder Raketen – ein Schweizer Name regelmässig auftaucht: Heinrich Thomet mit Heimatort Wohlen bei Bern. Er bedient diesen so genannten Graumarkt seit Jahren.
Tausende Kalaschnikows
Sein Name tauchte erstmals 2006 im Bericht «Dead on Time – arms transportation, brokering and the threat to human rights» von Amnesty International (ai) auf. Darin wird der Verkauf von Waffen und Munition aus dem ehemaligen Ostblock in Länder wie Kolumbien, Liberia, Sudan, Irak oder Afghanistan untersucht. Thomet war demnach 2004 ein Mittelsmann für den Verkauf von Tausenden von neuen Kalaschnikow-Sturmgewehren aus Serbien und Montenegro in den Irak. Wie der belgische Thinktank «International Peace Information Service» aufdeckte, verschob er vier Jahre später über tausend Maschinengewehre und ebenso viele Ersatzläufe aus Simbabwe via Mazedonien zu einem Wiederverkäufer in die USA, obwohl ein US-Waffenembargo gegen Simbabwe in Kraft war.
Menschenrechtler legen ihr Augenmerk seit einigen Jahren vermehrt auf solche schwer kontrollierbaren Deals von Infanteriewaffen; die Uno geht davon aus, dass seit der Jahrtausendwende Millionen von Menschen damit getötet oder vertrieben wurden. Stellung zu solchen Vorwürfen nimmt Thomet nicht. «He is not in Switzerland anymore», sagte ein Mitarbeiter seiner Firma «BT International» im ländlichen bernischen Riedbach. Freundlich, aber bestimmt, wird der Anruf beendet: «Thank you for your call.» Zweck des 1988 ins Handelsregister eingetragenen Unternehmens sind «Unterstützungsleistungen» beim Verkauf von «Industrie-, Technologie-, Rüstungs- und Luftfahrtprodukten». Eine frühere Version des Firmenzwecks lautete ganz einfach «Import und Export (…) von Feuerwaffen.»
Bestechlicher Militärattaché
Einen tieferen Einblick in sein Geschäftsgebahren erlaubt die Anklageschrift des Bezirksanwalts von Tel Aviv, der vor einem Monat Schmuel Avivi, einen ehemaligen Militärattaché in der Schweiz, wegen Vertrauensmissbrauch und passiver Bestechung angeklagt hat. Avivi soll von 2002 bis 2005 in seiner diplomatischen Funktion Thomet Zugang zum israelischen Rüstungsmarkt verschafft haben. Als Gegenleistung habe Avivis Frau einen Geländewagen für 89’000 US-Dollar erhalten. Zudem wurde ihr via die Rüstungsfirma «Talon Security Consulting & Trading» mit Sitz in Tel Aviv ein Jahresgehalt von 28’000 US-Dollar entrichtet. Avivi selber telefonierte mit einem Handy dieser Firma.
Die Rüstungsfirma Talon, Avivi und eine mögliche Verbindung zu Thomet figuierten bereits im erwähnten ai-Bericht. Thomet sagte damals allerdings, er habe mit Avivi nur «gelegentlich» zu tun. Dabei hatte Thomet die Firma 2004 selber gegründet, wie aus einer Antwort des Bundesrats im November 2006 auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht. Der damalige SP-Nationalrat Boris Banga hatte von der Schweizer Regierung wissen wollen, welche Rolle Thomet in dem von ai aufgedeckte Geschäft mit Avivi spielte. Laut der bundesrätlichen Antwort ist Avivi im Oktober 2005 Direktor der Firma «Talon Security» geworden.
Schmuel Avivi war für eine Stellungsnahme zu den Vorwürfen der Bezirksanwaltschaft und seinen geschäftlichen Beziehungen zu Thomet nicht zu erreichen. Ein Mitarbeiter von Talon meinte dieser Tage gegenüber dem Schreibenden, Avivi sei bereits seit zwei Jahren nicht mehr bei der Firma angestellt. Wo er zu erreichen sei, wisse er nicht. Dasselbe gelte auch für «Mister Thomet».
Tonnenweise Munition
«Talon Security» ist nur eine von vielen Firmen und Beteiligungen des umtriebigen Schweizer Geschäftsmannes. Via eine Scheinfirma in Zypern schaffte er es 2006 sogar, sich an einem gigantischen Deal für die US-Armee zu beteiligen, obwohl sein Name auf einer schwarzen Liste des US-Aussenministeriums stand, wie die «New York Times» zwei Jahre später heraus fand. Seine Geschäftspartner in den USA seien die zwei Jungunternehmer Efraim Diveroli und David Packouz und deren Firma AEY in Miami gewesen. Sie hätten Ende 2005 begonnen, via Internet bei Beschaffungsausschreibungen der US-Armee mit zu bieten. Im Sommer 2006 hätten sie den Zuschlag für die Lieferung von Kalaschnikow-Munition nach Afghanistan erhalten, ihre Mittelsmann Thomet habe in Albanien mehr als 100 Millionen Schuss besorgt.
Recherchen des kanadischen Journalisten Guy Lawson, publiziert in der neuesten Ausgabe des Magazins Rolling Stone, bringen bisher Unbekanntes zur Schweizer Connection ans Licht: So habe die US-Regierung nicht nur beim Aufrüsten der afghanischen Sicherheitskräfte mit billiger Munition auf AEY und Thomet gesetzt, sondern auch beim Beschaffen von chinesischer Munition für die Ausbildung von US-Spezialsoldaten in Deutschland. Offiziell konnte die US-Armee diese Waffen nicht kaufen, da China seit 1989 mit einem Waffenembargo belegt ist.
Lukrative Partnerschaft
Kennen gelernt hätten sich Thomet, Diveroli und Packouz, so Lawson, im Juni 2006 in Paris, an der weltgrössten Waffenmesse Eurosatory. Die entstandene Kooperation war lukrativ: Die möglicherweise unbrauchbare Munition aus chinesischer Produktion der 1960er-Jahre habe er für zwei US-Cent pro Patrone ge- und zum doppelten Preis an AEY verkauft. Diese wiederum habe der US-Regierung das Fünffache verrechnet.
Die Partnerschaft zwischen Thomet und AEY dauerte knapp zwei Jahre. Sie fand ein jähes Ende, als US-Beamte im August 2007 das Büro von AEY stürmten, alle Geschäftsunterlagen beschlagnahmten und Diveroli und Packouz verhafteten. Ein knappes Jahr später wurden Diveroli, Packouz und zwei weitere Personen angeklagt, weil sie das Waffenembargo gegen China gebrochen und der US-Armee die Herkunft der Munition verschleiert hätten. Weder der Name Thomet noch jener seiner Firma auf Zypern tauchen in der Anklageschrift des Bezirksrichters auf, der in Florida für Miami zuständig war. Laut «Rolling Stone» verschwand Thomet von der Bildfläche.
Schlechte Erinnerungen
Eine Spurensuche nach Thomet führt unweigerlich auch ins Berner Oberland, wo er 1991 mit Karl Brügger die Firma «Brügger&Thomet» gegründet hatte. Im Herbst 2005 verkaufte Thomet alle seine Anteile an Brügger, dem die Firma seither allein gehört. Brüggers Unternehmen mit Sitz in Thun geniesst heute in Fachkreisen hohes Ansehen: Neben hochqualitativen Produkten aus eigener Produktion ist die Firma der Generalimporteur von «Heckler und Koch» und vertreibt die Elektroschockwaffen des US-Herstellers «Taser».
An seinen ehemaligen Geschäftspartner Thomet wird Brügger allerdings nicht gerne erinnert: «Wir haben nichts mehr mit ihm zu tun. Wir arbeiten diametral anders und haben Polizei und Behörden in Europa als Kunden.» Schon drei Jahre vor seinem Ausstieg in der gemeinsamen Firma, sei Thomet nicht mehr operativ tätig gewesen. Dies betrifft also just die Zeitspanne, wo Thomet laut der Bezirksanwaltschaft Tel Aviv den damaligen Verteidigungsattaché Avivi geschmiert haben soll. Im vergangenen Februar änderte die Firma «Brügger&Thomet» laut dem Eintrag im Handelsregister ihren Namen, sie heisst nun «B&T». Auch die Webseite hat eine neue Adresse. Das habe mit der «alten Geschichte» nichts zu tun, sagt Brügger. Die Produkte seiner Firma seien schon lange unter dem Namen «B&T» bekannt. Er wisse nicht, wo sich Thomet aufhält. «Montenegro hat man gehört.»
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Gegendarstellung
«Heinrich Thomet bestreitet, beim Beschaffen chinesicher Munition für die Ausbildung von US-Soldaten geholfen zu haben.»
Bei einer Gegendarstellung bleibt offen, wer recht hat. Der Autor dieses Artikels stützt sich bei diesen Angaben auf Recherchen des kanadischen Journalisten Guy Lawson, publiziert im Magazin Rolling Stone.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine