Sie folgt den Handy-Nutzern auf Schritt und Tritt
Die Telefongesellschaft braucht weder Cookys noch eingeschaltete «Ortungsdienste» oder Ähnliches, um den Standort von Handys automatisch aufzuzeichnen. Und das oft bis auf sechzig Meter genau.
«Einen seltenen Einblick» in die Datensammlung von Telefongesellschaften habe das Gerichtsverfahren in Deutschland ermöglicht, schreibt die New York Times. Die deutsche Telekom hatte sich bis zuletzt dagegen gewehrt, das Ausmass der gespeicherten Daten preiszugeben. Angestrengt hatte das Gerichtsverfahren der deutsche Bundestags-Abgeordnete Malte Spitz von Bündnis 90/Die Grünen. Er wollte wissen, welche Daten die Telekom «auf Vorrat» speichert.
Schliesslich hat ein deutsches Gericht in einem andern Fall entschieden, dass Telefongesellschaften ausschliesslich Daten sammeln dürfen, die zur Rechnungsstellung nötig sind. Dazu gehören Standortdaten nicht. Darauf willigte Telekom in einen Vergleich mit Malte Spitz ein und überreichte ihm alle Standortdaten sowie die Zahl der Telefonate und SMS.
Das Resultat ist erstaunlich: In den sechs Monaten vom 31. August 2009 bis zum 28. Februar 2010 hatte Telekom 35’000 mal die Koordinaten des Handy-Standorts erfasst. Im Durchschnitt alle sieben Minuten. Aufgezeichnet sind auch alle erhaltenen und gesendeten Telefongespräche und SMS-Nachrichten inklusive der benützten Telefonnummern (welche die Telekom zurückhielt). «Die meisten Handy-Nutzer haben keine Ahnung, wie viele Daten beim Telefonanbieter mindestens ein halbes Jahr lang minutiös gespeichert bleiben», erklärt Professorin Sarah Williams, Datenschutz-Spezialistin an der Columbia University in New York.
Rund alle sieben Sekunden prüft das Netz, ob ein Handy mit der stärksten Antenne verbunden ist. Die Telekom zeichnet die Lokalisierung des Handys auf, sobald das Handy zu einer andern Antenne Kontakt aufnimmt und immer, wenn der Handy-Besitzer seine E-Mail-Eingänge kontrolliert oder sonstwie das Handy betätigt.
Spitz veröffentlicht seine Ortsveränderungen im Google
Um allen Handy-Nutzern zu zeigen, wie genau eine Telefongesellschaft deren Wege nachzeichnen kann, hat Malte Spitz seine Daten im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Das lückenlose Bewegungsprofil zeigt zusätzlich, wie häufig Spitz telefoniert und wie viele SMS er bekommen und abgeschickt hat. «Jedermann sieht jetzt, dass ich als Grüner manchmal das Flugzeug genommen habe, auch wenn es eine gute Zugsverbindung gegeben hätte», meint der Abgeordnete.
Sechs Monate Datenspeicherung auch in der Schweiz
In der Schweiz sind die Telefongesellschaften gesetzlich gehalten, die aufgezeichneten Daten sechs Monate lang zu speichern. «Nach Ablauf der sechs Monate löschen wir alle Daten», versichert Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk. Ausnahmen bilden die Vorschriften, welche das Überwachen des Post- und Fernmeldeverkehrs regeln. Handys würden immer dann lokalisiert, wenn über eine Antenne ein Anruf oder ein SMS/MMS empfangen oder versendet wird. Gespeichert werden der Ort der Anrufe, Zeit und Dauer sowie die Telefonnummern der Gesprächspartner oder Nachrichtenempfänger.
Nach Angaben der Swisscom-Sprecherin ist die Swisscom nicht in der Lage, den Handy-Standort genauer als bis zu «ein paar hundert Metern» festzustellen.
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