Agglomerationen und Ferienorte wild zubetoniert

upg /  Wir leben in der Schweiz immer enger aufeinander. Umso nötiger wäre eine Raumplanung. Kurzfristige Interessen haben sie verhindert.

«Pendler sollen noch mehr zahlen!» empörte sich die Tagesschau-Moderatorin. Sie verschwieg, dass die Steuerzahler schon heute jede Reise mindestens so stark subventionieren wie das Billet kostet. Die direkten und indirekten Staatsbeiträge an die Bahnen, so zeigt die offizielle Eisenbahnrechnung, summieren sich in der Schweiz pro Jahr auf neun Milliarden Franken.
Die Folgen der Pendlerei sind nicht angenehm: Ver­stopf­te Stras­sen, über­las­te­te Bahn­li­ni­en, vol­le Zü­ge, weil sich alles auf die Stosszeiten konzentriert.

Raumplanung blieb links liegen

Die Schweizerische Bundesverfassung schreibt eine «zweckmässige und haushälterische Nutzung des Bodens» und eine «geordnete Besiedlung des Landes» vor. Davon ist abgesehen von löblichen Ausnahmen wenig zu sehen. Das Bundesparlament und die Kantone konnten die Raumplanung jahrzehntelang dem Wirtschaftswachstum opfern und sich mit untauglichen Gesetzen zufrieden geben, ohne dass jemand hätte einsprechen können. Das Bundesgericht hat keine Kompetenz, Gesetze auf Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. So blieb die Raumplanung weitgehend ein Papiertiger. Die Agglomerationen drängen wild ins Land hinaus und viele Touristengebiete wurden verschandelt und werden es weiterhin.

Die heilige Kuh heisst Bodenrecht

Der Geograf Henri Leuzinger ortet das Hauptproblem beim Bodenrecht. Auf der Internet-Plattform «Neuland» kritisiert er Kantone und Bund, die «nicht einmal Spekulationsgewinnler ausgebremst» haben. Nur zwei Kantone hätten die unverdienten Mehrwerte abgeschöpft, obwohl das Gesetz zur Raumplanung diese Abschöpfung verlangt. «Ein veritabler staatsrechtlicher Skandal» nennt dies Leuzinger.
Mit den «ewig glei­chen Aus­re­den der Po­li­tik – das Ge­setz ist gut, lei­der ha­pert es beim Voll­zug – woll­ten sich die gros­sen Um­welt- und Na­tur­schutz­ver­bän­de nicht mehr zu­frie­den ge­ben», schreibt Leuzinger. Sie hätten deshalb die Land­schafts­in­itia­ti­ve eingereicht. Die­se ver­langt, dass zwanzig Jah­re lang kein neu­es Bau­land aus­ge­schie­den wird. Die­ses Mo­ra­to­ri­um gebe in den Rä­ten – und bei den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern – noch ei­ni­ges zu re­den, denn wie sich so ein Mar­sch­halt auf den Bo­den­markt auswirkt, sei unklar. Des­halb will das Parlament die In­itia­ti­ve mit ei­nem Ge­gen­vor­schlag, dem re­vi­dier­ten Raum­pla­nungs­ge­setz, bodigen. Spä­tes­tens im Früh­jahr 2012 soll es zur Ab­stim­mung kommen.


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keine

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