Sonntags-Zeitung lenkt vom vorbildlichen Tübingen ab
Am 9. Dezember hatte Infosperber berichtet, wie gut Tübingen die meist älteren Corona-Gefährdeten schützt: «Die Stadt treibt viel Aufwand, um Gefährdeten ein würdiges Leben zu ermöglichen. In Altersheimen sei seit Mai niemand gestorben.»
Infosperber zitierte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (48, Grüne), Bund und Länder in Deutschland sollten sich mehr «auf die gefährdeten Alten konzentrieren». Es gehe nicht nur darum, dass sich Gefährdete sehr gut schützen können, sondern dass man ihnen auch ein möglichst gutes Leben ermögliche. In keinem der neun Altersheime Tübingens, einer Stadt im Herzen Baden-Württembergs mit 89‘000 Einwohnern, sei es seit Mai 2020 zu einem Todesfall gekommen.
Die Falschaussage des Bürgermeisters
Allerdings sagte Palmer auch, es sei in letzter Zeit von den über 75-Jährigen niemand mehr positiv getestet worden. Diese Aussage war falsch. Palmer entschuldigte sich dafür, nachdem der «Tagesspiegel» über Infektionen beziehungsweise positiv Getestete bei über 75-Jährigen berichtete.
Für die Sonntags-Zeitung vom 13. Dezember ist dies der Grund für die Schlagzeile «Verwirrung um das ‹Wunder von Tübingen›». Die Zeitung schreibt von einem «kompletten Rückzieher» Palmers. Der «schillernde Bürgermeister» sei schon früher «durch markante Äusserungen aufgefallen». Zu einem Bild, auf dem man eine kostenlose Teststation auf dem Tübinger Marktplatz sieht, setzt die Sonntags-Zeitung die Frage hinzu: «Vorbildliches Modell?».
Relevanter ist die Zahl der Verstorbenen
Weil in Deutschland, der Schweiz und anderen Ländern über die Hälfte der Corona-Opfer in Alters- und Pflegeheimen starben und sterben, ist die Angabe des Bürgermeisters, es sei in den neun Altersheimen Tübingens seit Mai niemand mehr an Covid-19 gestorben, ungleich relevanter als die Zahl der positiv Getesteten. Doch die Sonntags-Zeitung machte sich nicht die Mühe zu recherchieren, ob und allenfalls wieviele Bewohner dieser Altersheime an Covid-19 gestorben sind.
Die teils vorbildlichen Massnahmen, welche die Stadt Tübingen zugunsten der Gefährdeten getroffen hat, zählt die Sonntags-Zeitung wenigstens auf. Doch um das «Wunder von Tübingen» herrsche «Verwirrung» und der Bürgermeister «musste Fehler eingestehen».
Die wichtigsten Massnahmen der Stadt
Infosperber hat über die Massnahmen am 9. Dezember informiert:
- Kostenlose Abgabe von FFP2-Masken für Seniorinnen und Senioren. Um die Masken zu erhalten, mussten die Betagten nichts unternehmen. Sie wurden per Post an die rund 15’000 Tübingerinnen und Tübinger verschickt, die 65 oder älter sind. Für diese Aktion bewilligte die Stadt 50’000 Euro. Der Oberbürgermeister sagte, «Arme können sich die Masken nicht leisten».
- Alle Bewohner und Beschäftigte in Altersheimen – und seit einiger Zeit auch Besucherinnen und Besucher – können sich kostenlos regelmässig testen lassen.
- Seit kurzem können sich Angehörige, die ihre hochbetagten Verwandten besuchen möchten, auch auf dem Marktplatz mit einem ebenfalls kostenlosen Schnelltests testen lassen. Die Sonntags-Zeitung stellt dieses Angebot in Frage: «Ein vorbildliches Modell?»
- Öffnungszeiten von Geschäften von 09.00 bis 11.00 Uhr exklusiv für Seniorinnen und Senioren im Alter von über 65 Jahren.
- Für Seniorinnen und Senioren gibt es Rufbusse und Taxis, die sie 30 Minuten vorher anfordern können. Die sogenannten «Sammel-Anruf-Mietwagen» holen die Anrufenden dann an der Bushaltestelle ab. Sie kosten gleich viel wie ein Busticket und mit einer Abo-Karte sind sie gratis. Das Sammeltaxi fährt zu den regulären Abfahrtszeiten der jeweiligen Bushaltestelle. Näheres über diese Dienstleistung hier.
Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors
Autor des Infosperber-Artikels «Gefährdete vor Corona schützen: Tübingen macht es vor».
22.12.2020, 07.51 Uhr TESTEINTRAG von Urs P. Gasche
Boris Palmer – und vergleichbar positive, kreative Menschen
müssen mit dem Neid der weniger Aktiven und Kreativen «leben können lernen» –
denn es ist eine Art NaturGesetz,
dass auf ein «Hosianna !»
zügig das «kreuzigt Ihn» folgt.
Alles Gute !
Wolfgang Gerlach, Ingenieur