Save Food Haltbarkeit Eier Lupe

Als Konsument fragt man sich oft «Ist das noch gut?». Das ist es ziemlich oft, auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. © savefood.ch

Abgelaufene Lebensmittel: Mutlose Detailhändler

Daniela Gschweng /  Abgelaufene Lebensmittel verkaufen ist zulässig. Die Detailhändler machen von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch.

Seit November 2021 ist der Verkauf von abgelaufenen Lebensmitteln gestattet. Statt den Joghurt mit überschrittenem Haltbarkeitsdatum wegzuwerfen, darf der Handel ihn für eine Zeit weiter verkaufen, solange er korrekt gelagert wurde und deutlich gekennzeichnet ist. Solche als MHD+ gekennzeichnete Lebensmittel dürfen Händler auch spenden, zum Beispiel an die Tafeln.

Bei vielen Waren ist das auch sinnvoll. Etwa bei Teigwaren, bei vielen Milchprodukten und erst recht bei Lebensmitteln wie Honig und Salz, die nahezu ewig haltbar sind. Der Handel macht von dieser Möglichkeit aber kaum Gebrauch.

«Mindestens haltbar bis» heisst nicht «bestimmt tödlich ab»

«Mindestens haltbar bis» heisst nicht «bestimmt tödlich ab», das hat fast jeder schon gehört. Auch unsere Leserinnen und Leser haben in Kommentaren auf unsere Artikel schon darauf hingewiesen. Meist geht es dabei um Produkte, die ein Mindesthaltbarkeitsdatum oder MHD tragen. Neben dem erwähnten Joghurt beispielsweise auch Reis, Butter, Kaffee, Teigwaren oder Schokolade.

Die Organisation Foodwaste.ch listet auf ihrer Website sehr viele Lebensmittel einzeln nach ihrer Haltbarkeit auf. Die Fristen basieren auf Untersuchungen der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Teilweise sind sie beträchtlich – von plus 14 Tagen bei gekochten Eiern bis zu einem Jahr über das MHD hinaus bei Teigwaren ohne Ei.

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Viele Produkte sind deutlich länger geniessbar als das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) angibt.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum MHD gibt lediglich an, bis wann der Hersteller garantiert, dass das Produkt nach seinen Kriterien qualitativ einwandfrei ist. Danach kann es zum Beispiel verfärbt sein, eine andere Konsistenz haben, oder einen anderen Geschmack aufweisen.

Wenn es gut aussieht, kann man es in der Regel essen

Ich habe schon Joghurt gegessen, der drei Monate über das MHD hinaus war – er sah aus und schmeckte, wie er sollte. Ungemütliche Nachwirkungen gab es nicht.

Damit habe ich alles richtig gemacht. Der Schweizer Konsumentenschutz und die deutsche Verbraucherzentrale empfehlen bei abgelaufenem MHD eine kurze Sinnesprüfung: Wenn das Produkt gut aussieht, nicht seltsam riecht, nicht schimmelt oder fault, kann man es in der Regel risikofrei essen.

Der Detailhandel traut sich nicht

Dennoch traut sich bisher keiner der grösseren Detailhändler in der Schweiz oder in Deutschland, abgelaufene Lebensmittel zu reduzierten Preisen zu verkaufen. «Unsere Kollegen kontrollieren mindestens einmal täglich das Mindesthaltbarkeitsdatum aller unserer Artikel. In der Regel werden keine abgelaufenen Produkte bei uns verkauft» antwortet beispielsweise die Lidl-Kette auf eine Anfrage.

Vor allem kleinere Läden und Direktvermarkter nutzen den gesetzlichen Spielraum. Ein Beispiel ist der Online-Shop Secend, der abgelaufene Lebensmittel günstig verkauft, ein anderes der Bioladen Hallerladen in Bern, bei dem das SRF zu Besuch war (Youtube, ab 13:20). Foodwaste.ch stellte dem Hallerladen dazu gratis ein Starterset mit «Länger Gut-Etiketten» zur Verfügung. Wirklich durchgesetzt hat sich das verlängerte Mindesthaltbarkeitsdatum, kurz MHD+, aber noch nicht.

Unmengen Lebensmittel werden deshalb jeden Tag weggeworfen, obwohl sie hygienisch einwandfrei sind. Etwa ein Drittel der Ernte geht auf dem Weg zum Teller verloren, mehrere Millionen Tonnen im Jahr.

Vorsicht Verbrauchsdatum!

Nicht alle Lebensmittel sind mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Einige Frischwaren tragen gar keines, andere ein Verbrauchsdatum. Der Unterschied ist gravierend, da ist also Vorsicht angebracht.

«Verbrauchsdatum» (VD) heisst: Bis zum angegebenen Tag muss das damit bezeichnete Lebensmittel verzehrt werden. Sonst können sich Keime darin so stark vermehren, dass es nicht mehr sicher geniessbar ist. Es besteht das Risiko einer Lebensmittelvergiftung. Das gilt zum Beispiel für Hackfleisch, Wurst und ganz besonders für Fisch. Wenn die Kühlkette im Handel unterbrochen war, darf ein solches Produkt nicht mehr verkauft werden.

Das liegt an den biologischen Gegebenheiten. Bereits in der Zeit, bis ein frischer Fisch zuhause im Kühlschrank ankommt, können sich die Keime darin bei ungünstigen Bedingungen verdoppeln. Wenn ein gekühlter Fisch zu lange gelagert wird, ist es ähnlich.

Der Trick: Vor Ablauf des Verbrauchsdatums einfrieren

Um die Vermehrung von Mikroorganismen zu stoppen, können Lebensmittel aber bis zum Verbrauchsdatum VD eingefroren werden. Solche Artikel mit abgelaufenem Verzehrdatum (VD+) sind tiefgekühlt drei Monate über das Verbrauchsdatum hinaus haltbar und dürfen ebenfalls im Laden verkauft werden. Auch dann muss der Handel darauf hinweisen. Und auch diese Möglichkeit nehmen nur wenige Händler wahr.

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Produkte mit einem Verzehrdatum (VD) müssen bis zum angegebenen Tag konsumiert werden, sonst drohen gesundheitliche Folgen. Tiefgefroren sind sie noch drei Monate länger haltbar.

Einige Denner-Filialen frieren Produkte mit ablaufendem Verbrauchsdatum im Rahmen eines Pilotprojekts ein und spenden sie an die Caritas. Die kirchliche Organisation gibt sie mit einem Rabatt von 66 Prozent weiter. Der Gewinn finanziert das Projekt.

Wer ein solches kurz vor dem Ablaufen des VD eingefrorenes Produkt erwirbt, muss es nach dem Auftauen jedoch sofort essen und darf es nicht wieder einfrieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann verdirbt, ist gross. Auch  aufgetautes Fleisch im regulären Verkauf dürfe nicht wieder eingefroren werden, warnt der K-Tipp.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Logos Migros etc

Migros, Coop, Aldi, Lidl & Co. in der Verantwortung

Die Detailhändler sprechen ständig von Nachhaltigkeit und Regionalität. Aber sie bewerben Lebensmittel vom anderen Ende der Welt.

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