Untersuchungsbericht für die UNO Gegen die UNRWA liegen keine Beweise vor.

Untersuchungsbericht für die UNO: Gegen die UNRWA liegen keine Beweise vor. © news18

UNRWA: So bearbeitete ein Israel-Lobbyist Parlamentarier

upg /  Fakes: Zuerst habe sich die Hilfsorganisation am Terror vom 7. Oktober beteiligt und dann antisemitische Schulbücher verwendet.

Die pro-israelische Seite habe mit «wortgewaltigen Auftritten» im Parlament viele Parlamentsmitglieder verunsichert, als es um die weitere Finanzierung der UNRWA ging. Das schreibt Nahost-Experte Erich Gysling auf Journal21.ch.

Hillel Neuer, Direktor der pro-israelischen NGO UN Watch, habe in den Wandelhallen des Bundeshauses «(scheinbar) glasklare Argumente» aufgetischt, um Parlamentarier davon abzubringen, die UNRWA weiter finanziell zu unterstützen: Gaza-Palästinenser, die von UNRWA angestellt waren, hätten an den Massenmord-Attacken vom 7. Oktober teilgenommen, sagen Neuer und Vertreter anderer pro-israelischer Interessengruppen. «Werden sie gefragt, ob sie dafür Beweise hätten, verweisen sie auf die Arbeiten ihrer Geheimdienste.»

Die NGO UN Watch verbreitete schwere Anschuldigungen auch vor der UNO in New York.

Dem direkt betroffenen UNRWA-Chef Philippe Lazzarini hätten die Israelis jedoch nie Einsicht in Beweismaterial gegeben, schreibt Gysling. Trotzdem habe Lazzarini reagiert und einzelne Verdächtige unter den über 30’000 Mitarbeitenden der UNRWA ohne Verzögerung fristlos entlassen.

Unterdessen hat ein Untersuchungsbericht einer Kommission unter Leitung der ehemaligen französischen Aussenministerin Catherine Colonna die UNRWA nach der Auffassung zahlreicher Regierungen (darunter Kanada, Schweden, Australien, Deutschland) von der angeblichen Zusammenarbeit mit der Terror-Organisation Hamas entlastet. 

Fokusänderung auf die Schulbücher

ISRAELS SCHULBÜCHER
Vorwurf auf CNN: «Die Schulbücher [in Gaza] rufen zur Gewalt auf und dämonisieren Israel.»

Dann versuchten Israel-Lobbys und Regierungsvertreter Israels die UN-Hilfsorganisation zu disqualifizieren, indem sie die Aufmerksamkeit auf antiisraelische und antisemitische Schülbücher lenkten, welche in Schulen der UNRWA gebraucht würden.

Erich Gysling stellt richtig, dass die UNRWA zwar viele Schulen für palästinensische Kinder unterhält oder bis zum israelischen Einmarsch unterhielt. Doch die Schulbücher würden vom palästinensischen Bildungsministerium herausgegeben, also einem Zweig der Behörde von Mahmud Abbas im Westjordanland. Gysling: «Das Problem gibt es zwar, aber dafür ist die hohe Politik bei den Palästinensern verantwortlich und nicht die UNRWA.»

Dann meint Gysling, es gebe ebenso Grund, Schulbücher in Israel kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Die letzten gründlichen Untersuchungen stammten aus dem Jahr 2013. Das Thema sei in Israel eben unpopulär, und die Studien-Autoren und Autorinnen seien nach der Veröffentlichung im eigenen Land weitgehend geschnitten wurden. 

Beispielsweise habe Nurit Peled, Professorin an der Hebräischen Universität in Jerusalem, im Jahr 2013 beanstandet, dass in israelischen Schulbüchern die besetzten Gebiete nicht erkennbar gewesen sind. Der Staat Israel habe in Schulbüchern bis zum Jordan gereicht, manchmal, mit Rückverweis auf Textstellen in der Bibel, noch darüber hinaus. 

«Die Existenz der Palästinenser wird den israelischen Kindern weitgehend verschwiegen», erklärte Peled. In Hunderten von Büchern gebe es kein einziges Bild, auf dem ein Palästinenser als Individuum zu sehen wäre. Und, sinngemäss, weiter: Wenn die Palästinenser doch einmal erwähnt werden, dann wird die Verantwortung für ihr Flüchtlingsschicksal bei arabischen Politikern verortet, die, statt den Palästinensern zu helfen, politisches Kapital aus ihrem Elend ziehen würden. 

Lese man israelische Schulbücher, so stellte Peled fest, so habe eigentlich nicht die UNO die Schaffung des Staats Israel ermöglicht, sondern das Land wurde im Jahr 1948 «re-established». Der heutige Staat Israel sei also ein direkter Nachfolgestaat eines früheren Staates oder Königtums Israel. 

Juden seien einfach abwesend gewesen, als hätten sie sich auf einen Einkaufsbummel begeben. In der Zwischenzeit hätten sich Diebe das Land und die Behausungen unter den Nagel gerissen. Diese Erzählung würden israelische Schulbücher vermitteln, schrieb Peled. Die Tatsache, dass Palästinenser während Jahrhunderten, ja seit mehr als eintausend Jahren in dieser Region lebten, werde in den israelischen Schulbüchern negiert.

Cover Nurit Peled Schulbücher

In ihrem Buch Palestine in Israeli School Books: Ideology and Propaganda in Education schrieb Peled:

«In den Schulbüchern nennt man die Palästinenser ‹Araber›. Der Araber mit dem Kamel, im Ali-Baba-Kleid. Schulbücher beschreiben sie als abscheulich und abartig und kriminell, als Menschen, die keine Steuern zahlen, die vom Staat leben, die sich nicht entwickeln wollen. Sie werden nur als Flüchtlinge, primitive Bauern und Terroristen dargestellt. Man sieht nie ein palästinensisches Kind oder einen Arzt oder einen Lehrer oder einen Ingenieur oder einen modernen Landwirt.»

In «Hunderten und Aberhunderten» von Büchern habe sie kein einziges Foto gefunden, auf dem ein Araber als «normaler Mensch» abgebildet war. (Das Buch «Palästina in israelischen Schulbüchern» auf Deutsch hier erhältlich.)

Ob die israelischen Schulbücher heute, zehn Jahre später, betreffend der Palästinenser und der Gründung des israelischen Staates sachlicher geworden sind, wäre abzuklären. Ebenso gründlich sind die Schulbücher im Gazastreifen und im Westjordanland zu überprüfen.

Zur Kritik an den Schulbüchern meint Erich Gysling:

«Der Schulbuchstreit, der in der aktuellen Debatte sowohl in Israel als auch bei uns nur einseitig ausgetragen wird (mit der Schuldzuweisung an die Seite der Palästinenser respektive die UNRWA, welche zwar für den Unterricht zuständig ist, nicht aber für die Texte), ist ein wesentliches Element für politische Entscheidungen der Nahostpolitik geworden. Man sollte dieses Thema sachlich angehen – nüchterner auf jeden Fall, als das in der Schweiz beim Streit um das Uno-Hilfswerk geschieht.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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11 Meinungen

  • am 4.05.2024 um 11:52 Uhr
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    Amnesty International hat eine Petition mit 45’000 Unterschriften eingereicht, die eine Freigabe der Hilfsgelder für die UNWRA forderte. Die UNWRA ist das Hilfswerk Palästina-Flüchtlinge.
    Noch nie habe ich etwas davon gehört, dass man die Kriegsmaterialexporte der Schweiz an die Staaten stoppen sollte die Israel die Bomben für den Gazakrieg liefern, oder an Staaten die der Hamas Waffen verkaufen. An Staaten die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind darf kein Kriegsmaterial geliefert werden. (Kriegsmaterialgesetz Artikel 20 KMG)
    Israel könnte diesen Krieg im Gazastreifen ohne Waffenlieferungen aus dem Ausland, den Flugzeugen, Panzern, Bomben und Granaten aus den USA, Deutschland und anderen Ländern nicht führen. Auch die Hamas wurden von ausländischen Mächten bewaffnet.
    Mit den Waffenlieferungen an Israel sind die USA und Deutschland im Gazakrieg zu Kriegsparteien geworden, sie sind in einen internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt.

    • am 6.05.2024 um 19:26 Uhr
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      Die Weltgemeinschaft hat in den letzten Jahrzehnten für die Palästinenser genug geleistet. Es ist absolut unverständlich, wieso nicht die Israelis ihre Vertriebenen und in Gaza Gefangenen selbst ernähren müssen… Wir können unsere Insassen in Pöschwies etc. auch nicht von der EU ernähren, schulen und unterbringen lassen.

  • billo
    am 4.05.2024 um 12:01 Uhr
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    Audiatur et altera pars – diese ganz einfach zu merkende Regel für die Beurteilung eines Streits zwischen Parteien scheint bei vielen, die in Politik oder Journalismus tätig sind, schlicht verloren gegangen zu sein; dabei war diese Regel mit Sicherheit Gegenstand ihrer Mittelschulbildung. Hauptsache scheint heute nur noch zu sein, dass man weiss, auf welche Seite man sich stellen muss, um von der gerade angesagten «Mehrheit» wiedergewählt oder gelesen zu werden. Da geht man dann halt üblen Propagandisten leicht auf den Leim…

  • am 4.05.2024 um 14:01 Uhr
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    Ich habe mich auch gefragt, was genau denn in israelischen Schulbüchern stehe. Man kann viel Schabernack betreiben mit Verschweigen, Verzerren, Geschichtsklitterung eben. Als ich als Kind jeweils Stellen aus dem Alten Testament hörte, dachte ich, was das denn für ein Gott gewesen sei, der das eine Volk auserwählt und ihm Land versprochen habe, während er das andere Volk im Meer ersaufen liess. Das auserwählte Volk vertreibt dann die Kanaäer von ihrem Land. Steht, meine ich in der Genesis.

    • am 5.05.2024 um 02:12 Uhr
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      Ein gemeinsames schulbuch für israeli und palestinenser wäre mal ein anfang

  • am 4.05.2024 um 15:18 Uhr
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    Der Nahost-Konflikt ist ein Machtkampf zwischen arabischen und israelischen Ansprüchen infolge der unglücklichen Behandlung des Palästina-Status im Völkerbund in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Immerhin – die «Vererbarkeit des Flüchtlingstatus» ist ideologischer Mist, der sich (Macht-)Realitäten verschliesst. Wäre ein Flüchtlingsstatus vererbbar, wäre halb Deutschland im Flüchtlingsstatus, abgesehen von allen anderen legalisierten Vertreibungen von Völkern infolge von Machtverschiebungen.

  • am 4.05.2024 um 19:42 Uhr
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    Ebenfalls wird in Israel z.b. kein Arabisch gelernt. Dies obwohl die Nachbarländer alle diese Sprache sprechen. Gibt also nur ein Gegen- und kein Miteinander, leider.

  • am 5.05.2024 um 08:07 Uhr
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    Man kann immer alles abstreiten. Ich kenne die Arbeit Neuers gut und die Vorwürfe, die er gegen UNRWA erhebt sind gut belegt. Es gibt dazu umfangreiches Bild und Dokumentationsmaterial auch der IDF aus dem Gaza Streifen – und dem Westjordanland (Judäa und Samaria). Das Beweismaterial ist auch öffentlich zugänglich – aber für Leute die nicht sehen wollen ist nie genug Licht da.

  • am 5.05.2024 um 12:51 Uhr
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    Es wäre wohl ein Leichtes, in der EU Autoren für ein israelisch-palästinensisches Schulbuch zu finden, wo ausgewogen und vollständig auf die Geschichte der letzten 200 Jahre zurückgeblickt und von den Talenten und Traditionen der beiden Völker berichtet wird. Dieses Schulbuch könnte dann zunächst mal für die Schulen in der EU zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen des Assoziierungsabkommens könnte man dann noch das israelische Bildungsministerium und die palästinensische Autonomiebehörde auffordern, dieses Buch wenigstens zu einem von der EU subventionierten Preis (Herstellungskosten) in Bücherläden überall anzubieten.

    Und wenn man sich unter den Autoren nicht ganz einig ist, könnte man auch zwei Darstellungsvarianten – also zwei Einseitigkeiten – in einem Buch zusammenbinden.

  • am 6.05.2024 um 10:33 Uhr
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    So wie in unseren deutschen Schulbüchern steht, dass wir Deutschen für den grausamen Tod von 6 Millionen Juden während der Nazi-Zeit verantwortlich sind, so sollte in den israelischen Schulbüchern stehen, dass sie für die «Nakba», die ethnische Säuberung Palästinas mit der Vertreibung von 800 000 Palästinensern verantwortlich sind. Dass Israel weder die UN-Resolution 181 (Teilung Palästinas) noch die UN-Resolution 194 (Rückkehrrecht der Palästinenser) umgesetzt hat, sondern das Geld von ca. 1,3 Mill. Palästinensern als Bürger des Mandatsgebiets Palästina konfisziert hat, steht wahrscheinlich auch in keiner offiziellen Geschichtsschreibung und in eklatantem Widerspruch zum Gründungsmythos Israels.
    Wem Zweifel am «Rechtsstaat Israel» aufkommen sei das Buch von dem israelischen Historiker Ilan Pappe mit dem Titel «Die ethnische Säuberung Palästinas» empfohlen.

  • am 6.05.2024 um 14:28 Uhr
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    @Uwe Mannke: zwei Darstellungsvarianten, zwei Einseitigkeiten in einem Buch zusammenbringen. Das wäre wahrlich die ideale Lösung – für sozusagen alle Konflikte. Denn es gibt selten eine einzige Wahrheit.

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